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Bericht über die Dialogkonferenz

By 6. October 2016

Mehr als 150 Aktive auf der ersten Dialogkonferenz von samo.fa

Ümit Koşan, Vorsitzender des NeMO-Verbunds, eröffnete die Dialagkonferenz am 16.September 2016 im Berliner Ramada-Hotel mit einer bemerkenswerten Zwischenbilanz: in den nur fünf Monaten der bisherigen Laufzeit wurden an bundesweit 30 Standorten von samo.fa bereits zahlreiche Impulse für die lokale Flüchtlingsarbeit gesetzt, viele unter Beteiligung von Geflüchteten. Das Besondere an samo.fa ist dabei: Es geht um die Stärkung der Beiträge von Aktiven mit Migrationsgeschichte und von Migrantenorganisationen, und: Träger von samo.fa sind lokale migrantische Organisationen und Initiativen aus einem breiten Spektrum von Herkünften. Sie und ihre lokalen Partner waren auf dieser Dialogkonferenz in großer Zahl vertreten und machten sie bunt und vielfältig.

Honey Deihimi vom Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, die das Vorhaben fördert, unterstrich in ihrem Grußwort, wie wichtig es sei, dass Migrantinnen und Migranten, die schon seit Langem zu Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes geworden sein, ihre Erfahrungen und Kompetenzen für das gute Ankommen und die Integration den neu Angekommenen zur Verfügung stellen.

Im ersten Hauptteil der Konferenz wurde unter der Überschrift „Worum es geht“ vor allem dieser Aspekt noch einmal aufgenommen, und zwar sowohl von Prof. Dr. Karin Weiss als auch von Dr. Anwar Hadead. Während Karin Weiss sich auf ein kritisches Nachdenken über die Rolle von Migrantenorganisationen in unserer Gesellschaft konzentrierte, die sie immer noch nicht als ausreichend gefestigt und zugleich als zu wenig „modernisiert“ einschätzt, stellte Anwar Hadead, der selbst aus der niedersächsischen Flüchtlingsarbeit kommt, den selbstbewussten Erfahrungstransfer als besonderen Beitrag von Aktiven mit Migrationsgeschichte in der Arbeit mit Geflüchteten heraus. Migrantenorganisationen seien ein wichtiger Ort, an dem sich die Erfahrungen einzelner bündeln, und – vor diesem Hintergrund – auch die gesellschaftliche Teilhabe „auf gleicher Augenhöhe“ eingefordert werden könne. Es gehe also nicht nur um Erinnerung, sondern auch um das „Hier und Heute“ und um die Zukunft.

Vorher hatten zunächst Gjoni Kastriot vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Zahlen zur aktuellen Flüchtlingslage und zum Kursangebot des BAMF zum „Faktencheck“ beigetragen und dann Tahera Ameer von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die auf die eklatant hohe und steigende Zahl von gewaltsamen Übergriffen auf Flüchtlinge und Unterkünfte hinwies. Im anschließenden Gespräch zwischen Ümit Koşan und Harald Löhlein, dem Fachreferenenten für Flüchtlingshilfe im Paritätischen Gesamtverband, wurde herausgestellt, dass gerade diejenigen Migrantenorganisationen „neuen Typs“, die ihre Hauptaufhabe in der Mitgestaltung der hiesigen Verhältnisse sehen, deren Stimme stärker werden und sie mehr gehört werden muss.

Nachdem diese verschiedenen Beiträge den Rahmen, in dem sich das Engagement der Aktiven mit Migrationsgeschichte in der Flüchtlingsarbeit bewegt, skizziert hatten, ging es in den vier Foren nun um eine Zwischenbilanz der bisherigen Arbeit „vor Ort“, wobei die Überschriften der Foren den Schwerpunkten der Arbeit von samo.fa folgten: Unterstützung für Aktive, Aktive und ihre Arbeit mit Geflüchteten, Zusammenarbeit von Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit und Zur Rolle von Migrantenorganisationen in der kommunalen Flüchtlingsarbeit. Jeweils zwei Praxisberichte wurden vorgestellt und gemeinsam erörtert, ergänzt – dies eine Besonderheit der Tagung – um die Kommentare von „Kritischen Freunden/Kritischen Freundinnen“, also von ExpertInnen aus dem Umfeld der samo.fa – Arbeit.
Eine kurze Auswertungsrunde im Plenum im Anschluss an die Foren zeigte: Bei Start von samo.fa im Frühjahr 2016 war die Flüchtlingsarbeit lokal nahezu überall etabliert, allerdings zumeist ohne eine systematische Beteiligung von Aktiven mit Migrationsgeschichte und von Migrantenorganisationen. Der Impuls von samo.fa, diese stärker in die Flüchtlingsarbeit einzubringen und sie hierfür zu stärken, fand durchweg ein positives Echo. Gerade jetzt, beim Übergang zum Alltagsmodus der Flüchtlingsarbeit, steigt der Bedarf an Unterstützung durch Menschen, die eigene Migrations- und Fluchterfahrungen haben. Die Vielzahl der Aktivitäten, die in der kurzen Zeit entwickelt werden konnten und „angenommen“ wurden, zeigt das ebenfalls.

In einer abschließenden Gesprächsrunde wurde diese Bedarfslage ausdrücklich bestätigt: Flüchtlingsarbeit ist Daueraufgabe. Dr. Andrea Hanke, Braunschweigs Sozialdezernentin, und Petra Schneutzer, Integrationsbeauftragte der Stadt Halle (Saale) berichteten von diesem Übergang auf den „Alltagsmodus“, insbesondere, was die Unterbringungsformen betrifft, betonten aber auch, dass nun die Aufgaben von wirksamer Integration und Teilhabe in den Vordergrund treten: Teilhabe an Bildung und Arbeitsmarkt werden zu den aktuellen großen Herausforderungen. Beide hoben die enge Zusammenarbeit mit den vor Ort aktiven Migrantenorganisationen hervor; an beiden Orten engagieren sich Verbünde, die zu NeMO gehören. Dr. Peyman Javahar-Haghighi vom MISO-Verbund Hannover berichtet ebenfalls von einem wachsenden städtischen Interesse am Beitrag von Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit, hebt allerdings auch kritisch hervor, dass diese Zusammenarbeit noch keine verlässliche „institutionelle“ Form gefunden habe. Jörg Freese, Beigeordneter des Deutschen Landkreistages, brachte die „Fläche“ ins Spiel, d.h. die großen, eher ländlich oder kleinstädtisch geprägten Regionen, was für die Flüchtlingsarbeit in nahezu jeder Hinsicht besondere Anforderungen stelle. Auch sei die Präsenz von Migrationsorganisationen „in der Fläche“ in der Regel weniger ausgeprägt. Er unterstrich, dass eine wirksame kommunale Integrationsarbeit in hohem Maße auch von rechtlichen und vor allem auch finanziellen Rahmenbedingungen abhänge, die ihnen von Land und Bund eingeräumt werden.

Aus der Sicht der Metropole Berlin, die zugleich Bundesland ist, nahm der Integrationsbeauftragte des Berliner Senats, Andreas Germershausen, Stellung. Er hob hervor, dass es bereits an lange und produktive Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen in der Integrationsarbeit gäbe, insbesondere mit jenen, die eine fachliche Professionalität herausgebildet hätten. Der von samo.fa verfolgte Ansatz, vermittels von Verbünden von Migrantenorganisationen einen differenzierten und kontinuierlichen Beitrag zur Flüchtlingsarbeit zu leisten, sei neuartig und sehr interessant; die wichtige Frage sei, wie dies mit bestehenden und in Entwicklung begriffenen Programmen zur Integration und Teilhabe von Geflüchteten verknüpft werden könne. Die Gesprächsrunde wurde zwischenzeitlich durch Fragen und Statements aus dem Plenum angeregt und erweitert.

Alle an samo.fa direkt beteiligten AkteurInnen nahmen jedenfalls am Ende aus den Ausführungen der Referentinnen und Referenten, den Hinweisen der „Kritischen Freundinnen und Freunde“ und der Gesprächsrunden eine wichtige Botschaft mit: Weitermachen!

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