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Pressemitteilung: Geflüchtete: Noch nicht wirklich im neuen Alltag angekommen 3 – (Keine) Krise des Ehrenamtes

By 9. August 2018

Geflüchtete: Noch nicht wirklich im neuen Alltag angekommen – 3

Migrantenorganisationen: Keine Krise des Ehrenamtes in der Flüchtlingsarbeit

Dortmund, 9. August 2018. Drei Jahre nach dem „Flüchtlingssommer“ 2015 erleben viele soziale Organisationen eine Krise des Ehrenamtes in der Flüchtlingsarbeit: Viele Bürger*innen, die vor drei Jahren spontan gespendet, Menschen in Asylunterkünften zum Beispiel bei Behördengängen und Wohnungssuche unterstützten, haben ihr Engagement verringert oder ganz beendet. Das ist bei spontanem bürgerschaftlichen Engagement nicht selten: Dauert der Anlass für das Engagement über eine längere Zeit an, erlahmen oft Motiv und vor allem auch Kraft. „Außerdem werden die Anforderungen an Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit mit der Zeit komplizierter und es muss immer häufiger auch mit Enttäuschung und Verbitterung umgegangen werden“, sagt Dr. Wilfried Kruse aus dem Leitungsteam des im dritten Jahr laufenden Projekts samo.fa (Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit) des Bundesverbandes Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. (BV NeMO). „Spontane Dankbarkeit wie am Anfang kommt nicht mehr ohne Weiteres zurück.“ Und: Je mehr Helfer*innen sich zurückziehen, desto mehr Belastung und zum Teil Überlastung erleben die verbleibenden Freiwilligen.

Belastungen erleben auch die rund 9.000 Ehrenamtlichen aus Migrantenorganisationen, die im Rahmen von samo.fa bundesweit in 32 Städten aktiv sind. Aber: Anders als bei der spontanen Willkommenskultur bleibt ihre Unterstützung für Geflüchtete stabil und ihre Zahl geht nicht zurück, sondern steigt in einigen Städten sogar. Ein Grund dafür ist die Besonderheit des Projekts: Samo.fa wird von Migrantenorganisationen getragen und umgesetzt. „Im Unterschied zu den meisten Freundes- und Unterstützerkreisen, die sich per se nur zur Unterstützung von Geflüchteten gebildet haben, sind Migrantenorganisationen stabile Gemeinschaften, deren Fokus schon immer die Aufnahme von neuen Mitgliedern war, die neue Ideen einbringen“, sagt Beatrix Butto, samo.fa-Netzwerkbegleiterin für die süddeutschen Städte im Projekt und bei der Partnerorganisation Forum der Kulturen in Stuttgart beschäftigt. Denn viele der Migrantenorganisationen  gebe es schließlich schon seit den Anwerbeabkommen für Gastarbeiter in den 1950er Jahren. Ehrenamtliche aus Migrantenorganisationen sind in ihrem Engagement für Menschen mit Fluchtgeschichte auch deshalb stabiler, weil sie eben durch die Migrantenorganisationen einen gemeinschaftlichen, organisatorisch abgesicherten Rahmen zur Verfügung haben. Das zeigen die Erfahrungen aus allen 32 Städten des seit 2016 laufenden Projektes. Samo.fa vernetzt vor Ort Aktive aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit miteinander und mit anderen lokalen Akteuren. Deutschlandweit beteiligen sich mehr als 500 migrantische Vereine und Initiativen in 32 Städten am Projekt, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gefördert wird.

„Ehrenamtliche mit eigener Migrations- oder Fluchtgeschichte können auch mit Rückschlägen auf dem langen Weg in den neuen Alltag in Deutschland besser umgehen“, sagt Beatrix Butto. „Sie wissen aus eigener Erfahrungen, dass es lange dauert, um alle Hürden des Ankommens zu meistern.“ Ihre eigenen Migrationserfahrungen und interkulturellen Kompetenzen führen zudem dazu, dass diese Ehrenamtlichen die Neuangekommenen beim langen Weg in den Alltag besonders einfühlsam und qualifiziert begleiten können. Das ist die Kernidee des gesamten samo.fa-Projekts, die auch beim stabilen ehrenamtlichen Engagement Erfolge zeigt.

„Es geht in der Flüchtlingshilfe in den meisten Fällen ja nicht mehr um die Beschaffung von fehlender Kleidung oder Möbeln, sondern um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“, sagt Butto. Wo und wie können sie ihre Fähigkeiten und Interesse einbringen? Für Butto steht fest: Bei Migrantenorganisationen, wo sie neue Engagementfelder und sinnvolle Aufgaben finden. „Das wirkt nicht nur der Gefahr von Desintegration  entgegen, sondern zeigt, dass Deutschland ein sehr offenes und vielfältiges Land ist, in der die Existenz von Menschen mit unterschiedlichen Migrationsgeschichten Normalität ist“, sagt die Netzwerkbegleiterin.

Auch für die aktiven Migrantenorganisationen selbst hat dies Vorteile, sagt Beatrix Butto: „Sie gewinnen durch Flüchtlingsarbeit Mitglieder und entwickeln sich damit weiter. Und auch die neuen Bürgerinnen und Bürger mit Fluchtgeschichte werden aktiver Teil dieser Gemeinschaft und bringen ihre Interesse und Kompetenzen mit ein.“

Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Migrationsforschung und interkulturellen Studien der Universität Osnabrück und des Bonner Friedens- und Konfliktforschungsinstituts BICC  haben ein Drittel aller Flüchtlingshelfer in Deutschland eine eigene Migrationsbiographie.

Wie kann die erfolgreiche Arbeit der Migrantenorganisationen vor Ort weitergeführt und das Engagement erhalten bleiben? Am 14./15. September zieht samo.fa auf der bundesweiten samo.fa Konferenz mit Projektpartnern und Vertreter*innen aus Stadt-, Landes- und Bundespolitik und Zivilgesellschaft Bilanz.

Hier gibt es Projektergebnisse.

Die Pressemitteilung als PDF downloaden. 

Mehr Informationen über den Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. unter: www.bv-nemo.de

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