Bundesweit

samo.fa Weiterbildung kompakt am 30.06.22 im Haus der Vielfalt

By 12. July 2022

In Zusammenhang mit den Weiterqualifizierungsmaßnahmen für hauptamtliche und ehrenamtliche Mitarbeitende hat das Projekt samo.fa 3 (Stärkung von Aktiven aus Migrant:innenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit) die Veranstaltung „Weiterbildungskompakt: Migrant:innen-Organisationen in der lokalen Geflüchtetenarbeit“ am 30.06.2022 in Dortmund (Haus der Vielfalt) durchgeführt. An der Veranstaltung beteiligten sich 70 Personen insgesamt inkl. neun Referent:innen aus verschiedenen Disziplinen mit multithematischen Impulsen.

Ziel der Veranstaltung war es, die Geflüchtetenarbeit als lokal-kommunale Daueraufgabe Revue passieren zu lassen. Die damit verbundene Unverzichtbarkeit der Arbeit von migrantischen Organisationen und ihren Ehrenamtlichen wurde in diesem Rahmen hervorgehoben. Somit wurden verschiedene Themenbereiche aufgegriffen und diskutiert: Entwicklung und Lage der Geflüchtetenarbeit seit 2015; Herausforderungen, Konflikte und Perspektiven; Zwischenbilanz, Fazit und Beiträge zu der samo.fa kommenden Arbeit und den anschließenden Veranstaltungen bis zum Ende der Jahres (etwa die Bundesdialogkonferenz im November 2022). Der Weiterbildung kompakt bestand aus zwei Durchgängen: a) „Geflüchtet ungleich Geflüchtet: zur Komplexität der Geflüchtetenarbeit vor Ort“ b) „Migrant*innen-Organisationen in der Geflüchtetenarbeit: Lokal stabil aufgestellt?“.

Hier eine Zusammenfassung von wichtigen übermittelten und gewonnenen Erkenntnissen in Züge der Vorträge und Diskussionen.

Zur Einleitung (Dr. Elizabeth Beloe und Dr. Wilfried Kruse aus der samo.fa Leitungsteam):
Nicht nur Erfolgsfaktoren, sondern auch Komplexität und Gleichzeitigkeit in der Geflüchtetenarbeit und in der Entwicklung von samo.fa wurden zu Beginn der Konferenz geschildert. Die Folgen der Pandemie aber auch die aktuelle Ukraine-Krise stellen die migrantische Geflüchtetenarbeit vor großen Herausforderungen in den kommenden Zeiten. Geflüchtetenarbeit bleibt als lokalkommunale Daueraufgabe und in diesem Kontext haben die samo.fa Standorte klare Stärke und Kompetenzen über die Jahre erworben.

Zum ersten Vortrag (Neri Orman – Evangelische Hochschule Bochum):
Von der Referentin wurden die Ergebnisse der Arbeit von der „Unabhängige Beschwerde- und Informationsstelle Flucht“ (UBIF) in Bochum präsentiert. Dabei spielt eine strukturelle Policy Arbeit eine wesentliche Rolle, was Mehrheitsdiskriminierungen der Zielgruppen ans Licht bringt. Die Diskussion im Plenum hat gezeigt, dass diese Diskriminierungen allerdings nicht einfach zu adressieren sind, nicht nur wegen struktureller Unzulänglichkeiten, sondern auch wegen individueller Hemmnisse. Relevant in diesem Sinne ist die bundesweite Implementierung von unabhängigen Antidiskriminierungsstellen in Kooperation mit migrantischen Organisationen, was bisher sich als langwieriger Prozess mit einigen punktuellen Erfolgsbeispielen erwiesen hat. Die UBIF hat eine enge Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle samo.fa Bochum über die Jahre gepflegt.

Zum zweiten Vortrag (Alexander Diepold, Hildegard-Lagrenne-Stiftung):
Eine notwendige und sehr aufklärerische Präsentation zur Geschichte und Lage der Sinti:zze und Rom:nja unter europäischen Fluchtbewegungen war es dem Referenten gelungen. Unglücklicherweise sind immer noch multiple Formen der Rassismen und Diskriminierungen gegen diese Gruppen zu sehen, was die Ukraine-Krise immer noch durch neue Beispiele sichtbar gemacht hat. Die Vernetzungen mit Sinti:zze und Rom:nja -Communities ist nicht einfach und systematisch für die samo.fa Standorte bislang gewesen, was sich als eine zu bewältigende Lücke im Projekt in der nächsten Zeit präsentiert. 

Zum dritten Vortrag (PD Dr. habil. Thomas Geier, TU Dortmund):
Das Thema des Vortrags „Schule der Migrationsgesellschaft“ diente dem Referenten zur Problematisierung von Begriffen und Praktiken der Migration im Schulwesen. Im Mittelpunkt eines sozialpädagogischen Ansatzes stehen eher die Bedarfe der Schüler:innen und nicht alte, konservative und teilweise fremdenfeindliche deutsche Bildungsstrukturen, die verändert werden müssen. Wichtig ist es diesbezüglich, dass Eltern selbst Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten skandalisieren. Multilinguale Modelle sind erforderlich, um die Tradition der Einsprachigkeit bzw. die Hierarchisierung von Sprachen zu überwinden. Zur Kritik des Vortrags entstand der Vorschlag eine interkulturelle Schule anstatt eine Ausländer:innenpädagogik zu fördern, da das Konzept Ausländer:in immer noch Trennung und Ausgrenzung hervorbringt.

Zum vierten und fünften Vortrag (Jonas Hefner – Ruhr-Universität Bochum und Düzgün Polat – Tür zur Tür Augsburg):
In seinem Vortrag erläuterte Jonas Hefner die Entwicklung der kommunalen Integrationspolitik über die Jahre und ihre Beziehung zur Frage Migration und zum Einschluss/ Ausschluss von migrantischen Playern. Düzgün Polat übermittelte eine optimistische Botschaft zur Geflüchtetenarbeit und konkret zu allen Mitarbeitenden im Projekt samo.fa, denn sie seien seiner Auffassung nach utopische Akteur:innen, die die Demokratie von morgen mitgestalten.

Eine Vertiefung der Diskussion wurde in Kleingruppen fortgesetzt, die einen sehr kritischen Blick auf die Kooperation mit und Anerkennung von migrantischen Organisationen in der lokal-kommunalen Geflüchtetenarbeit geworfen haben. Migrantische Organisationen und ihre EA werden immer noch als unprofessionelle und inkompetente Akteu:innen wahrgenommen, nur punktuell für bestimmte Notaufgaben oder sekundäre Tätigkeiten instrumentell ausgenutzt und nicht nur als Konkurrenz, sondern auch als Feinde von Kommune und Wohlfahrtsverbände stigmatisiert. Eine hierarchische Vorgehensweise muss infolgedessen von einer gleichberechtigten und interkulturellen Mentalität der Zusammenarbeit ersetzt werden. Institutionelle Förderung von MOs gehört dazu.

Zum sechsten Vortrag (Ahmad Kamalmaz – Projekt Lokal Willkommen, VMDO Dortmund):
In seinem Erfahrungsbericht schilderte der Referent die Relevanz der Quartierarbeit als Prinzip zur effektiven Beratung und Unterstützung von Menschen mit Fluchtbiographien. Seine klare Botschaft: Integration geht nur mit guten Lebens- und Wohnverhältnissen sowie Teilhabechancen für alle.

Abschließendes Online-Interview Prof. Ulrike Hanhörster (ILS Dortmund) und Dr. Wilfried Kruse:
Das Gespräch zur Thematik „Quartiere: Orte des respektvollen Zusammenlebens?“ präsentierte die Relevanz eines Quartieransatzes sowie einer sozialräumlichen Perspektive generell zur Sozialarbeit und konkret in Zusammenhang mit der Arbeit mit geflüchteten Menschen. In der Diskussion zeigten sich diesbezügliche unterschiedliche Vorgehensweise von den samo.fa-Koordinierungsstellen: Die Verinnerlichung und alltägliche Umsetzung des Ansatzes variiert je nach Standort. Das Konzept Quartiermanagement wurde allerdings unter der Lupe der Kritik betrachtet wegen der möglichen Reproduktionen von Machtasymmetrien.

Die Veranstaltung bot einen guten Überblick zur aktuellen Lage der Arbeit mit geflüchteten Menschen mit dem Fokus auf den unentbehrlichen Beitrag von migrantischen Organisationen in einem lokal-kommunalen und kooperativen Zusammenhang. Die Ergebnisse dieser Veranstaltung werden demnächst ausgewertet und als Input zur bundesweiten Dialogkonferenz im November 2022 übertragen.

Foto: Alina Louis

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