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„Ehrenamtliche Arbeit hat mich immer von persönlichen Sorgen abgelenkt“ – Ahmad Sharaf aus Fulda

By 19. March 2019

Ahmad Sharaf ist 29 Jahre alt und lebt seit 2015 im Raum Fulda. Den Staatsanwalt aus Aleppo in Syrien hat sein ehrenamtliches Engagement für Geflüchtete in der Stadt Fulda von vielen traurigen Gedanken abgelenkt. Seit mehr als einem Jahr hat seine Frau das Recht, zu ihm nach Deutschland zu ziehen. Ahmad hat als politischer Verfolgter den Flüchtlingsstatus nach Genfer Konvention, gegen den ihm ursprünglich zugeordneten subsidiären Schutz hat er erfolgreich geklagt. „Ich würde in Syrien  sofort verhaftet“, sagt der Jurist. Beim Familiennachzug hilft ihm das trotzdem nicht: Die Bürokratie verhindert ihre Einreise, jeden Tag könnte die Erlaubnis kommen – und kommt doch seit 12 Monaten nicht. Ahmad wollte sich nie den traurigen Gedanken hingeben, lernte Deutsch, auch als er noch gar keinen Status und damit kein Recht auf einen Deutschkurs hatte. Und stürzte sich in die Arbeit mit anderen Geflüchteten. Heute arbeitet er ehrenamtlich und auf einer kleinen Stelle mit Geflüchteten und studiert in einem Masterstudiengang Human Rights, um diese Arbeit zum Hauptberuf zu machen:

„Ich bin Ende 2015 nach meiner Flucht in einem kleinen Dorf bei Fulda angekommen. Ehrlich, ich habe auf dem Schlauchboot im Mittelmeer meine letzte Stunde kommen sehen, es waren viel zu viele Menschen an Bord. Von Anfang an wollte ich in Deutschland ankommen, richtig ankommen. In Syrien würde ich sofort verhaftet werden: Unabhängige Juristen, das ist nicht erwünscht und das kann auch noch lange so bleiben. Meine Frau habe ich seitdem nicht mehr gesehen, also nur per Video. Dass das sich so lange hinzieht, hätte ich nicht gedacht. Aber ich hatte keine Wahl, ich musste von heute auf morgen Aleppo verlassen.

Die Sammelunterkunft war noch drei Kilometer von dem eigentlichen Dorf entfernt – und es hat viele Monate gedauert, bis ich überhaupt eine Anhörung wegen meines Asylantrages hatte. In der Zeit hatte ich ja leider nicht das Recht auf einen Deutschkurs: Ohne die Sprache würde das nichts mit mir in Deutschland, das war mir von Anfang an klar. Und die Sprache lernt man nicht in einer Sammelunterkunft, auch, wenn ich dort am Computer viele Vokabeln gelernt habe. Ich bin über den Berg ins Dorf gewandert und habe mich dort beim Fußballverein angemeldet. Da habe ich  Deutsch gelernt, auch, wenn ich erst verblüfft war, wie die Leute sprechen:

„Gosch“ oder „Klamotten“, das kennt kein Vokabelprogramm.

Aber die echten Leute, die sprechen ja überall anders, deshalb ist Kontakt ja so wichtig. Dass meine Frau nicht zu mir kommen kann – auch nachdem ich meinen Prozess gewonnen habe, das hat mich richtig fertig gemacht. Aber ich wollte das nicht zulassen. Die ehrenamtliche Arbeit hat mich immer von persönlichen Sorgen abgelenkt. In Fulda habe ich mich für das „Bündnis mittendrin!“ engagiert. Ich habe andere Geflüchteten bei sprachlichen Problemen geholfen und sie bei dem Asylverfahren unterstützt. Dass ich eine juristische Ausbildung habe und selber in einem komplizierten Verfahren in Deutschland steckte und stecke, ist da ein Vorteil. Aber vor allem müssen Geflüchtete aus dem seelischen Loch herausgeholt werden, in das viele fallen. Ich kenne das ja auch, es ist schrecklich, von der Familie getrennt zu sein oder von Erinnerungen verfolgt zu werden. Viele lassen sich gehen, treten nicht in Kontakt mit den Menschen in Deutschland, weil sie sich schlecht fühlen. Sie fühlen sich aber besser, wenn sie das tun. Ich habe mittlerweile eine kleine Arbeitsstelle beim interkulturellen Forum Fulda und studiere. Mein Studium aus Syrien wird hier nicht vollständig anerkannt – das Rechtssystem ist ja auch ganz anders. Ich will aber sowieso im sozialen Bereich mit Geflüchteten arbeiten. Es ist wichtig für ein gutes Zusammenleben in Deutschland, dass alle wirklich hier ankommen.“

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