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Rassismus in Stralsund kein Thema?!

By 12. March 2019

Stralsund im Landkreis Vorpommern-Rügen: Von 60.000 Einwohner haben knappe 4.000 keinen deutschen Pass, die Stadt zählt 223 „Flüchtlinge“, 190 „Asylbewerber“ und 244 „abgelehnte Asylbewerber“.

Vergleichsweise wenige Bürger*innen mit Migrations- und Fluchtbiografie, denen dafür umso mehr Feindlichkeit entgegenkommt, sagt Jana Michael vom samo.fa-Projektpartner Tutmonde e.V.. „Wir sehen eine immer deutlichere gesellschaftliche Veränderung“, sagt die Vorständin des 2006 gegründeten Vereins mit Mitgliedern aus ganz Mecklenburg-Vorpommern. „Auch jenseits von Äußerungen rechtspopulistischer Parteien begegnen uns im Alltag heute öfter offener Rassismus und Antisemitismus.“

Eine gesellschaftliche Stimmung, der Stadt und Landkreis nicht angemessen begegnen, finden die samo.fa Aktiven der Migrantenorganisation. „Es gibt keine einzige Beschwerdestelle für rassistische und diskriminierende Vorfälle: Nicht in Stralsund, nicht im Landkreis, nicht auf Landesebene“, sagt Simon. „Dabei ist es dringend notwendig, weil Probleme so offiziell unsichtbar bleiben und gar nicht erst nach Lösungen gesucht wird.“ Tutmonde e.V. setzt sich seit Jahren für eine solche Antidiskriminierungsstelle im Landkreis ein – ohne Erfolg.

Unsichtbare Probleme für Behörden, alltägliche für Betroffene. „Frauen mit Kopftuch werden auf der Straße bespuckt und angepöbelt, Menschen mit sichtbarer familiärer Migrationsgeschichte in Restaurants und im Einzelhandel unfreundlich oder nicht bedient“, erzählt Jana Michael. „Seit 2015 hat sich vor allem der antimuslimische Rassismus verstärkt.“ Das sei auch in Bildungseinrichtungen der Stadt und des Kreises spürbar. Die Geflüchteten und Migrant*innen, die Tutmonde und die samo.fa-Angebote nutzen, berichten regelmäßig von Ausgrenzungserfahrungen. „In einer Kita berichteten Kinder Zuhause, sie würden bestraft, weil sie die deutsche Sprache nicht gut genug verstanden“, sagt Michael, die sich in diesem Fall an die Polizei gewandt hat. Allerdings auch ohne Ergebnis. „Aussagen von geflüchteten Kindergartenkindern gegen Aussagen vom Personal, das war nicht auflösbar“, sagt Michael. „Ohne eine Dokumentation solcher Vorkommnisse, die hier eben keine Einzelfälle sind, bleibt die Dimension von Rassismus vor Ort unsichtbar.“ In den politischen Gremien sei das Thema allenfalls eine Randnotiz oder nicht einmal das. „Migrantinnen und Migranten haben hier wenig Zugang zu Politik und Verwaltung, um das Thema einzubringen“, sagt Jana Michael. „Es ist ein unbequemes Thema, das systematisch totgeschwiegen werden soll.“

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