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Gesundheit 2021

Corona-Pandemie: Wir tun schon seit Monaten, was wir können. Aber es reicht nicht aus!

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Der vierte und vorläufig letzte Fachtag der Gesundheitskampagne „Nachhaltige Gesundheitsversorgung von Geflüchteten: aus der Mitte von Migrant*innenorganisationen.“  brachte es damit am vergangenen Freitag auf den Punkt: die samofa-Koordinationsstellen in ganz Deutschland haben seit März 2020 durch zahlreiche Aktionen, Veranstaltungen und Angebote nach Kräften daran gearbeitet, die Menschen mit Fluchtgeschichte in der Pandemie zu unterstützen.

Dafür nutzen die Koordinatorinnen und Koordinatoren Methoden und Ansätze, die sie in der präventiven Arbeit der letzten Jahre entwickelt und  in der Krise getestet und optimiert haben.

Gesundheit- ein wichtiges Gut und unerlässlich für gesellschaftliche Teilhabe

Es gibt zwar keine Studien aus Deutschland, die Aussagen darüber treffen, dass Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte stärker von COVID-19 betroffen sind als Menschen ohne Migrationsgeschichte. Deutsche  Statistiken lassen aber durchaus darauf schließen, dass dem so ist, v.a. weil Migrant*innen und Geflüchtete häufig in dichtbewohnten und engen Wohnverhältnissen leben und in Berufen mit vielen sozialen Kontakten arbeiten, wie z.B. Pflege, Erziehung, Reinigung, Einzelhandel und Gastronomie (Lewicki 2021).

Viele der samofa-Standorte wissen aus der jahrelangen lokalen Arbeit, dass Geflüchtete gerade im Kontext Gesundheit auf Unterstützung durch Aktive und ihre Organisationen angewiesen sind, denn häufig sind z. B. präventive Gesundheitsmaßnahmen  nicht ausreichend bekannt. Gerade in Zeiten großer Verunsicherung, von Kontaktbegrenzungen und einem Zerbröseln emotionaler Beziehungen, wie wir das nun seit vielen Monaten erleben, kann man viel tun, um nicht in tiefe seelische Löcher zu fallen.

Dabei ist Gesundheit elementar, wenn Menschen sich integrieren und autonom am gesellschaftlichen Leben teilhaben wollen und sollen.

Methoden und Ansätze des samofa-Netzwerk – gerade in der Pandemie, aber auch sonst wirksam

Gesundheit ist ein wichtiges Gut, und der Themenkreis ist anspruchsvoll, emotional sensibel, bis weilen sogar belastend. Und dann Corona: eine Krankheit, über die man anfangs nicht viel wusste, und die sich in den Ländern unterschiedlich entwickelte. In Windeseile zogen alle möglichen Informationen von Land zu Land, in allen möglichen Sprachen verbreiteten sich Behauptungen in sämtlichen Communities. Es breitete sich eine unglaubliche, nie gekannte Verunsicherung aus, die bis heute besteht.

Gerade in diesen Zeiten haben sich drei elementare Thesen des Netzwerks bewährt, die durch die Mitglieder des Kompetenznetzwerk samofa auf dem Fachtag vertreten wurden:

Man muss Vertrauen gewinnen und Zugänge ermöglichen. MSOen spielen daher bei der Eindämmung der Pandemie eine wesentliche Rolle, denn sie genießen das Vertrauen migrantischer Communities.

Ebenfalls ist es unabdingbar, dass Gesundheitswissen sprachlich angemessen vermittelt wird. Denn viele sehr gute Informationen werden bereitgestellt, aber nur wenige werden so angeboten, dass sie auch verstanden werden.

Die dritte These beschreibt die besondere Rolle und ihre Anforderungen ehrenamtlich Aktiver im Kontext Gesundheit: Sie müssen aus den Communities heraus gewonnen und so qualifiziert werden, dass sie nun in Krisenzeiten für den Erhalt sozialer Kontakte sorgen können.

Corona-Pandemie: wir sind schon weiter!

Mit diesen wesentlichen und in jahrelanger Arbeit aufgebauten Methoden ist das Netzwerk gut aufgestellt, um Geflüchtete durch die Pandemie hindurch zu begleiten. Aber auch darüber hinaus sieht es das Netzwerk als unabdingbar an, seine Expertise und die migrantische Perspektive in lokale, landesweite und bundesweite Strukturen künftig deutlich mehr miteinzubringen, um so die gesundheitliche Versorgung unserer vielfältigen Gesellschaft für alle gleicher zu machen. Dr. Sascha Krannich,  dessen Forschungsschwerpunkte u. a. auf Globale Gesundheit liegen und der die Fachtagreihe aus wissenschaftlicher Sicht begleitet hat, wünscht sich für die Zukunft genau das: „Wir brauchen eine engere Zusammenarbeit über Disziplinen hinweg, z.B. Ärzt*innen und Jurist*innen zusammen mit MSOs!“ Genau dieser Forderung kam die abschließende Podiumsdiskussion nach, bei der Forschung, migrantische Expertise und Medizin über künftige Strukturen sprachen.

Was und wer ist nötig für eine gute Gesundheitsversorgung von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte?

Prof. Dr. Ludwig Spätling, ehem. Direktor der Frauenklinik am Klinikum Fulda und Gründer der Deutschen Familienstiftung plädierte für die Notwendigkeit diversitätsorientierter, kultursensibler Strukturen und brachte die vierte These mit. Er fand deutliche Worte: „Die medizinische Versorgung und ihre Qualität hängen maßgeblich davon ab, wie gut die Befindlichkeit, die Erkrankung der Patient*innen verstanden wird, und wie gut Therapien und Behandlungen den Patient*innen wiederum verständlich sind. Wenn das nicht gegeben ist, muss nicht nur mit erheblichen Mehrkosten, sondern vor allem mit Kosten an Gesundheit bis hin zu Menschenleben gerechnet werden!“

Spätling, der sich seit Jahren für interkulturelle Öffnungsprozesse engagiert, betonte, dass Diversitykonzepte nur dann Sinn machten, wenn sie Top Down gewollt seien. Dem stimmte auch Jana Michael zu. Die Psychologin und Erziehungswissenschaftlerin, in Prag und Stralsund zu Hause, berät und begleitet seit vielen Jahren pädagogische und psychosoziale Einrichtungen, die mit Mädchen und Frauen mit Migrationsgeschichte arbeiten. Sie fordert: „Wir brauchen mehr Bewusstsein für Diversität, auch für rassistisches Verhalten, bei medizinischem Personal und in den Organisationen.“  In den nächsten Tagen bekommt Jana Michael für ihr Engagement das Bundesverdienstkreuz.

Und sonst?

Die vierteilige Fachtagreihe zeigt die qualitative Weiterentwicklung des samofa-Netzwerkes. On top zeigte gerade dieser hybride vierte Fachtag, an dem sowohl rund 30 akkreditierte Gäste im Studio des Lensing-Carree als auch konstant 30 digitale Gäste teilnahmen, dass das Netzwerk und der Bundesverband NeMO auch die digitale Transformation der letzten Monate erfolgreich bewältigt haben!

Das Thema Gesundheit wird das samofa-Netzwerk in der lokalen Arbeit auch weiterhin beschäftigen. Aber auch der Bundesverband, der bereits im Sommer mit seiner Positionierung „Die Inzidenzen nehmen ab, unsere Sorgen aber nicht!“ eine deutliche Haltung einnahm, wird sich in seiner politischen Arbeit gerade jetzt und auch weiterhin für eine gute gesundheitliche Versorgung von Geflüchteten engagieren. Eines der vier Foren des Öffentlichen Gesprächs am 26. November um 11 Uhr befasst sich mit den Forderungen, die der neue Vorstand des Bundesverbands dazu an die Koalition in Berlin stellt.

Zum Hintergrund:

Allein in 2021 fanden Aufklärungsveranstaltungen u. a.  in Kiel, Nürnberg, Dortmund, Saarbrücken und Münster statt, um nur einige zu nennen. Mit Impfaktionen in Saarbrücken, Aktionstagen der Gesundheit in Düsseldorf und dem Impfbus in Dortmund wurden Hunderte Menschen geimpft. In Göttingen erreichte die Lesestunde: „Kinderbücher erklären Corona“ Dutzende Kinder und Familien.

Aufklärung zu Corona allein reicht aber nicht. Seit März 2020 bieten viele der samofa – Standorte durchgehend Unterstützung in der Krise: um die durch die Kontaktsperren verloren gegangenen, aber so dringend nötigen sozialen Kontakte aufrecht zu erhalten, finden seither Wandertage mit Frauengruppen statt, wird Familienunterstützung und Kinderbetreuung organisiert, werden Seminare zur Digitalisierung durchgeführt. Die vermeintliche Ruhe vor Corona, die die Medien im Sommer vermittelt hatten, hatten die Kolleginnen und Kollegen des samofa-Netzwerkes nicht wahrgenommen. Statt dessen hatten sie mit dem „Sommer der Bildung und Lebensfreude“ mit speziellen Angeboten daran gearbeitet, Bildungslücken zu schließen, die sich schon da deutlich abzeichneten.

Erreicht wurden damit allein in den letzten 12 Monaten über 2000 Personen.

„Die Corona Situation ist noch längst nicht ausgestanden. Auch weiterhin müssen Informationen vermittelt werden, und dafür sind Zugänge zu den Menschen erforderlich!“

Lillian Kababiito und Lamine Conté, Haus Afrika e.V., Saarbrücken.

 

„Eine der größten und „teuersten“ Herausforderungen im Kliniksalltag ist die Verständigung.“

Prof. Dr. Ludwig Spätling, ehem. Direktor der Frauenklinik am Klinikum Fulda, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Familienstiftung

„Sprachvermittlung im Kontext Gesundheit ist besonders wichtig, ist sehr anspruchsvoll und oft auch sehr belastend, sie erfordert besondere Qualifikation und Anerkennung!“

Maimouna Quattara, samofa-Koordinatorin moveGlobal e.V., Berlin

„Frauen, Kinder, Familien leiden besonders unter der Pandemie. Die Folgen dürften katastrophal sein. Multiplikator*innen und ehrenamtlich Aktive können aberv gerade jetzt dabei unterstützen, dass die Familien körperlich und mental gesund bleiben!“

Septi P. Sakti, samofa-Koordinatorin Bündnis mittendrin e.V., Fulda

Bundesweiter hybrider 4. samo.faPlus Gesundheitsfachtag

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Die samo.faPLus-Koordinatorinnen und Koordinatoren weisen seit Jahren auf den prekären Stand der gesundheitlichen Versorgung Geflüchteter hin.
Durch die Pandemie und ihre Folgen wurde jüngst ganz deutlich, dass z. B. der Zugang zu Einrichtungen des Gesundheitssystems schwierig ist oder elementar wichtige Informationen unverständlich kommuniziert werden. Es fehlen Vertrauen, interkulturelle Kompetenzen, Strukturen, Strategien.
Daraus resultieren nicht selten leidvolle, manchmal auch lebensbedrohliche Situationen.
Das muss sich ändern, denn Benachteiligung und Gesundheit stehen in einem engen Zusammenhang und sie wirken gegenseitig aufeinander!
Die gute Nachricht ist: Mit dieser Meinung sind wir nicht allein! Bislang noch wenige, aber kluge und vorausschauende Medizinethnolog*innen, Forscher*innen, Verantwortliche aus Wirtschaft und Politik beschäftigen sich ebenfalls mit der dringend nötigen Öffnung des Gesundheitssystems.
Das Spannende ist: An den samofaPlus-Standorten haben die Koordinator*innen dafür innovative Lösungen entwickelt, die übertragbar sind!
Der Gesundheitsfachtag No 4 bietet eine Plattform, um sich über die wesentlichen Aspekte interkultureller Gesundheitsversorgung, die durch die Pandemie erneut ge- schärft und ver-schärft ans Licht kamen, auszutauschen.
Gemeinsam mit weiteren Expert*innen werden wir diskutieren, was und wer aus Sicht migrantischer Organisationen, Forschung, Politik und medizinischer Einrichtungen nötig ist für einen Öffnungsprozess von Gesundheitsangeboten.
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Aufgrund der Corona-Regelungen gibt es nur begrenzte Plätze für eine analoge Teilnahme in Dortmund. Daher melden Sie sich dafür bitte umgehend an: m.moeller-oencue@bv-nemo.de.
Für die digitale Teilnahme folgen Sie bitte dem Link zur Zoom-Konferenz.
Programm
Moderation: Ragna Melzer und Dr. Andrès Otalvaro
12.00 Uhr – 12.10 Uhr
Ankommen im digitalen Raum
12.10 Uhr – 12.30 Uhr
Musikalischer Einstieg: Rock unites I
Alper Ersoy
12.30 Uhr bis 12.45 Uhr
Corona-Pandemie: Wir sind schon weiter!
Drei Thesen dazu.
Ragna Melzer und Dr. Andrès Otalvaro im Gespräch mit Martina Möller
12.45 Uhr bis 13.25 Uhr
Innovative Ansätze und krisenerprobte Methoden für eine gute Gesundheitsversorgung von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte:
These 1: Vertrauen gewinnen und Zugänge ermöglichen
Dr. Mawuena Edoh, Fachärztin für Innere Medizin, Pneumologie
Lamine Conté, Lillian Kababiito Petry, samo.fa-Koordination Haus Afrika e.V., Saarbrücken
These 2: Gesundheitswissen sprachlich vermitteln
Melike Yildiz, Mobiles Aufklärungstheater AfroLebenPlus
Dr. Medard Kabanda, samofa-Koordination Afrika Kooperative e.V., Münster
These 3: Ehrenamtlich Aktive: Besondere Rolle und Anforderungen im Kontext Gesundheit
Septi P. Sakti, samofa-Koordination Bündnis mittendrin e. V., Fulda
13.25 Uhr – 13.45 Uhr
Transferbedingungen: Wie kann es lokal gelingen?
Workshops
13.45 Uhr – 14.00 Uhr:
Rock unites II
Alper Ersoy
14.00 – 14.15 Uhr
Pause
14.15 – 14.30 Uhr
Diversität in Corona- Krisenzeiten: Herausforderungen an Einrichtungen der Gesundheitsversorgung
Experteninput von Dr. Sascha Krannich, Justus-Liebig-Universität Gießen
14.30 – 14.50 Uhr
Klinik offen für alle Kulturen. Ein Modellprojekt interkultureller Öffung.
Martina Möller, Projektleitung
14.50 – 15.45 Uhr
Was und wer ist nötig für eine gute Gesundheitsversorgung von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte?
Diskussionsrunde mit internen und externen Expertinnen und Experten:
Dr. Sascha Krannich
Jana Michael, Psychologin, Tutmonde e.V., Stralsund
Prof. Dr. Ludwig Spätling, ehem. Direktor der Frauenklinik am Klinikum Fulda
N.N., Gesundheitspolitiker*in
15.45 – 16.30 Uhr
Ausklang: Zusammenfassung, Fazit, nächste Schritte

„Wir gestalten die Einwanderungsgesellschaft mit!“ Pressebericht zum Fachtag III „Langfristige Folgen von Flucht und Migration”

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Spätestens die Pandemie hat gezeigt: Migrantische Organisationen sind absolut unentbehrlich, wenn es um den Zugang zu den Angeboten der gesundheitlichen Versorgung von Geflüchteten geht!

Zu diesem Ergebnis kamen die Teilnehmer*innen des 3. Fachtags „Gesundheitsversorgung von Geflüchteten: Langfristige Folgen von Flucht und Migration“ im Rahmen der Kampagne „Wir gestalten die Einwanderungsgesellschaft mit!“ des Bundesverband NeMO, bei dem es um psychische Belastungen und Langzeitfolgen von Flucht und Migration in Zeiten von COVID-19 ging.

Zugang haben zu den Angeboten der Gesellschaft, sei es zu Bildung, zum Gesundheits-, Arbeits- oder zum Wohnungsmarkt, ist ein Anrecht aller Einwohner*innen Deutschlands. Für Menschen aus anderen Ländern jedoch nicht selbstverständlich. Durch die lokale Arbeit der samofa- Koordinator*innen und ihre lokalen Netzwerke von Aktiven haben sich in den letzten fünf Jahren die Zugänge in allen Bereichen verbessert. Gerade der Zugang zu präventiven Maßnahmen und zum Gesundheitssystem insgesamt ist dabei von besonderer, durchaus lebenswichtiger Bedeutung, denn alles andere kann ein Andauern von Leid, nachhaltige Verringerung der Lebensqualität und Schaden an der Gesundheit bedeuten.

Das erleben oft auch Geflüchtete. Sie haben häufig schwierige, manchmal traumatische Erfahrungen hinter sich, wenn sie nach Deutschland kommen. Sie müssen die psychische Belastung aus dem Verlust der Heimat, die Entfernung zur Familie, die Erfahrungen der Flucht verarbeiten. Hinzu kommt der Wunsch, im neuen Land anzukommen und Teil der Gesellschaft zu werden.
Als sei dies alles nicht schon komplex genug, muss seit zwei Jahren nun auch noch die Corona-Situation bewältigt werden.
Was bewirkt die Corona-Situation bei Menschen, die traumatisiert sind?

„Traumatisierungen führen zu Entwicklungsblockaden und einem Rückzug aus den Beziehungen. Somit wird Integration für traumatisierte Geflüchtete zu einer an sich unmöglichen Aufgabe.“, erläutert Diplom-Psychologin Noriko Blaue. Die erfahrene Traumatherapeutin ist ausgebildet in psychoanalytischer und tiefenpsychologischer Psychotherapie und bietet in Frankfurt in der Flüchtlingsberatung im Haus am Weißen Stein für den Evangelischen Regionalverband psychologische Gespräche für erwachsene Geflüchtete an. Sie sagt aber auch: „Heilende Beziehungserfahrungen im Anschluss an das Geschehene sind erforderlich, um traumatische Erlebnisse verarbeiten zu können.“

Um aber Beziehungen zu knüpfen und zuzulassen, ist Vertrauen nötig. Vertrauen jedoch wurde rund um Corona stark strapaziert, viele widersprüchliche Behauptungen zu Infektionsketten, Impfstoffen, Verbreitungswegen etc. sind bis heute im Umlauf. Obendrein hat nun der Einfluss der Corona-Pandemie die psychische Belastung gerade für Geflüchtete nochmals verstärkt, denn die Abstandsregelungen haben zu Kontakteinschränkungen und sozialer Isolation geführt. „Isolation ist die Höchststrafe bei Traumatisierung und Integrationsanliegen.“, ergänzt Blaue.

Es wird deutlich, dass im Zusammenspiel von Fluchterfahrungen, Traumatisierung und der zusätzlichen Situation durch die Pandemie ein besonders hohes Maß an Glaubwürdigkeit erforderlich ist, um Geflüchtete mit den nötigen Informationen zu erreichen. Im empfindlichen Kontext von Gesundheit und Krankheit wird Vertrauen zum unerlässlichen Faktor, der den Zugang zu Menschen überhaupt erst ermöglicht.

Was aber sind Faktoren dafür, dass wir Menschen als glaubwürdig empfinden oder eben nicht?
Ein gängiger Mythos lautet: „Vertrauen entsteht irgendwo im Bauch, ist eine Frage der Intuition.“ Soso.
Tatsächlich setzt sich Vertrauen zusammen aus den Faktoren Integrität, Absichten, Fähigkeiten und Erfolgen.

Was macht nun migrantische Organisationen gerade in der Gesundheitsversorgung von Geflüchteten so besonders vertrauenswürdig?

Betrachten wir die Faktoren „Fähigkeiten“ und „Erfolge“ mal gesondert:
Migrantische Organisationen sind sprachkompetent und können Informationen an Menschen aus anderen Ländern nicht nur übersetzen, sondern so vermitteln, dass sie leicht verstanden werden. Die eigene Migrations- und oftmals auch Fluchterfahrung der Aktiven aus dem samofa-Netzwerk hat zudem viele weitere Kompetenzen des komplexen Ankommensprozess mit sich gebracht. Auch die lokalen Gesundheitsangebote sind bekannt und oft auch erprobt.

Unsere Erfolge: Die Fachtagreihe hat zahlreiche Beispiel guter und erfolgreicher Praxis aufgezeigt, die die lokalen samofa-Koordinator*innen in den letzten Jahren entwickelt und erprobt haben. So wurden in Berlin und Bielefeld Ansätze zur Vernetzung mit kommunalen und regionalen Gesundheitsnetzwerken initiiert, in Saarbrücken und Reutlingen wurden Aktive mit Migrationsgeschichte zu Multiplikator*innen für pädagogische und medizinische Themen ausgebildet, in Fulda wurden präventive Gruppenangebote für Frauen entwickelt und damit psychische Belastungen deutlich reduziert. In Nürnberg, Kassel und Saarbrücken klärt ein Netzwerk von Gesundheitsmitarbeitenden zu gesundheitlichen Risiken, auch jenseits der Corona-Informationen, auf.
Viele weitere Beispiele guter Praxis haben sich im Kompetenznetzwerk samofa entwickelt und werden innerhalb der Standorte transferiert. Auf der vierten und vorläufig letzten Fachtagung zum Thema „Nachhaltige Gesundheitsvorsorge von Geflüchteten in Zeiten der Pandemie: aus der Mitte von Migrant*innenorganisationen.“ am 19. November von 12.30 bis 16 Uhr werden weitere Beispiele vorgestellt. Auch soll mit den Akteur*innen der Gesundheitsversorgung darüber diskutiert werden, was und wer nötig ist für eine gleichberechtigte Teilhabe Geflüchteter an den Angeboten des Gesundheitssystems.

„Wir gestalten die Einwanderungsgesellschaft mit!“ ist daher keine leere Forderung, sondern eine Erkenntnis des samofa-Netzwerkes aus der lokalen Geflüchtetenarbeit der letzten Jahre.

Anmeldungen für die digitale Teilnahme am Fachtag am 19. November: schreiben Sie eine kurze Mail an m.moeller-oencue@bv-nemo.de.

Corona- Aufklärungskampagne aus der Mitte von Migrant*innenorganisationen Fachtag II „Flucht, Behinderung, Corona: Gesundheitsversorgung in schwierigen Zeiten“

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Am 23. September 2021 setzte der Bundesverband mit einem zweiten Fachtag seine Aufklärungskampagne zur Gesundheitsversorgung von Geflüchteten fort. Dabei lag der Fokus auf der Selbsthilfe besonders vulnerabler Gruppen, wie schwangeren Geflüchteten oder Geflüchtete mit Behinderung.

Der Fachtag, der in Kooperation mit PARITÄTISCHE Projekte gGmbH stattfand, beleuchtete Möglichkeiten der Selbsthilfe für die Betroffenen und Ihrer Angehörigen sowie um die Rolle von Migrant*innenorganisationen bei der nachhaltigen Etablierung entsprechender Angebote. Dabei wirft die Pandemie zusätzliche Aspekte und Fragen auf: Wie ist die Situation für Schwangere mit Fluchtgeschichte? Wie wirkt sich die Pandemie auf Geflüchtete mit Behinderung und ihre Angehörigen aus? Wie kann das Empowerment dieser vulnerablen Gruppen unter den aktuellen Corona-Bedingungen gelingen? Auch die Frage nach dem Umgang mit schweren Erkrankungen in Corona-Zeiten stellt sich aktuell besonders eindringlich.

Antworten auf diese und viele weitere Fragen gaben Prof. Dr. Babette Müller-Rockstroh, Medizinethnologin und Professorin für Hebammenwissenschaft an der Hochschule Fulda, Merve Mutluhan, Sozialberaterin bei MINA-Leben in Vielfalt e.V. und Ayşe Şen-Mathussek, ehrenamtliche Seelsorgerin bei Muse e.V. Prof. Müller-Rockstroh, selbst Hebamme und Medizinethnologin, betonte in ihrem Vortrag die große Bedeutung migrantischer Organisationen für Gesundheit schwangerer Frauen. Sie hob dabei besonders die Wichtigkeit sprachlicher Verständigung und kultursensiblen Wissens hervor und berichtete über befürchtete Stigmatisierung oder entsprechende Erfahrungen auf Seiten der Schwangeren mit Fluchterfahrung. Merve Mutluhan macht mit ihrer Organisation seit einigen Jahren Angebote für Geflüchtete mit Behinderung: „Unser Team ist mehrsprachig einschließlich Gebärdensprache. Kultursensibler Umgang mit den Menschen ist eine Voraussetzung dafür, dass sich Selbstvertrauen aufbaut und Empowerment in Gang gesetzt werden kann.“

Das bestätigt auch Ayşe Şen-Mathussek, die als eine von 23 ehrenamtlichen, muslimischen Seelsorgerinnen und Seelsorgern seit 2008 Menschen in Wiesbadener Moscheen, aber auch in Krankenhäusern, Hospizen, Alten- und Pflegeheimen begleitet. Sie weiß über die Rolle ehrenamtlich Aktiver: „Die psychische Belastung im Umgang mit schwierigen Themen und in der Seelsorge ist sehr hoch. Wir brauchen also viele Aktive, um die Belastung gut verteilen zu können.“ Beide betonen daher die besondere Bedeutung lokaler Vernetzung und Unterstützung durch die Kommunen. In den anschließenden Podiumsdiskussionen wurden die Themen vertieft. Zusammenfassend ließ sich ein Fazit ziehen: Selbsthilfe- und Unterstützungsangebote im Kontext Gesundheit erfordern ein hohes Maß an Vertrauen. Damit dieses sich entwickeln kann, ist eine kultursensible Herangehensweise unabdingbar. Ebenso unabdingbar ist auch hier das ehrenamtliche Engagement, das aber Hand in Hand mit hauptamtlichen Strukturen gehen und durch Supervisionen entlastet werden muss. All dies sind Eigenschaften und Kompetenzen, die migrantische Organisationen mitbringen und sie zu unabdingbaren Partner*innen in der lokalen Gesundheitsversorgung machen, vor allem wenn es darum geht, Angebote nachhaltig und zielgruppengerecht zu gestalten.

Und wie geht’s weiter?
Im Rahmen der Gesundheitskampagne finden derzeit an vielen samofa-Standorten mehrsprachige Infoveranstaltungen mit Ärzt*innen und medizinischem Personal mit Migrations-und Fluchtgeschichte für Geflüchtete statt. Die lokalen samofa-Koordinator*innen und ihre bewährten Netzwerke der ehrenamtlich Aktiven werden zudem durch ihre Kontakte in Geflüchtetencommunities problematische Entwicklungen im Zusammenhang mit der Pandemie aufnehmen und diese in die lokal-kommunalen Netzwerke weitertragen. Die Aktiven werden für ihren Einsatz im Kontext gesundheitlicher Vorsorgemaßnahmen besonders qualifiziert werden, eine Reihe weiterer Fachtage (der nächste ist am 5. Oktober von 10.00 – 13.30 Uhr) sollen den inspirierenden Wissenstransfer zwischen den Expert*innen aus der Praxis und aus Medizin und Forschung weiter fördern. Dieser 3. Fachtag wird sich mit den psychischen (Langzeit-) Folgen von Flucht und Migration unter dem Einfluss der Pandemie beschäftigen.

Wir haben den Vorsitzenden des Bundesverbandes, Dr. Ümit Koşan, gefragt, welches Ergebnis er sich am Ende der Aufklärungskampagne wünscht:„Migrant*innenorganisationen sind wesentlicher Teil der Lösung, wenn es darum geht, eine gerechte und empathische Stadtgesellschaft zu erreichen, deren (Präventions-)Angebote allen in gleicher Weise zugänglich sind.“

Der 2. Fachtag fand am 23. September 2021 digital statt.

Corona: Aufklärungskampagne aus der Mitte von Migrant*innenorganisationen

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Die „Corona: Aufklärungskampagne aus der Mitte von Migrant*innenorganisationen“ des BV NeMO startete mit einem Fachtag, bei dem sich das samofa-Netzwerk mit internen und externen Expertinnen und Experten zu erprobten und bewährten Methoden zur Gesundheitsvorsorge austauschte.
Der Fachtag am 9. September hat es deutlich gemacht: Das samofa-Netzwerk ist in den Jahren seit Beginn des Projekts 2016 zu einem bundesweiten Expert*innennetzwerk gewachsen. Die über 30 Standorte haben  Methoden entwickelt und erprobt, mit denen Geflüchtete erreicht und unterstützt werden können. Hierzu haben die lokalen Koordinator*innen in den letzten Jahren lokale Netzwerke von Aktiven aufgebaut, die aufgrund ihrer eigenen Migrations- und / oder Fluchterfahrung und ihrer Sprachenvielfalt gute Zugänge zu Menschen aus unterschiedlichsten migrantischen Communities haben. Diese gewachsenen und vertrauten Zugänge sind ein wesentlicher Baustein der Corona-Aufklärungsaktion.
Das Besondere des Fachtags „Corona: Aufklärungskampagne aus der Mitte von Migrant*innenorganisationen“  lag in dem intensiven Austausch der samofa-Koordinator*innen zur gesundheitlichen Aufklärung Geflüchteter. „Wir haben in unserem Kompetenznetzwerk unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte, einer davon ist die Gesundheitsvorsorge. Diejenigen Standorte, die sich bereits seit vielen Jahren in diesem Themenfeld engagieren, konnten ihre bewährten Methoden dem Gesamtnetzwerk zur Verfügung stellen. In kollegialem Austausch wurde diskutiert, wie diese Methoden transferiert werden können. Dieser Wissenstransfer ist als ein weiterer Baustein elementar wichtig, um die Corona-Aufklärungskampagne des BV NeMo in den kommenden Wochen erfolgreich umzusetzen.“,  erläutert  Projektkoordinatorin Martina Möller.
Erfolgreich bedeutet in diesem Fall: möglichst viele Menschen, die noch nicht ausreichend über fundierte Informationen zur Pandemie im Allgemeinen und zu Impfungen im Besonderen verfügen, aufzuklären. „Gesundheitsvorsorge erfordert ein ganz besonders hohes Maß an Vertrauen in die Quelle der Informationen. Dafür müssen Aktive von ihren Communities ausgewählt werden.“, weiß die samofa-Koordinatorin Septi Panca Sakti. Sie gestaltet in Fulda Angebote, um geflüchtete Frauen zu stärken. Lamine Conté und Lillian Kababiito Petry, lokale samofa-Koordinator*innen aus Saarbrücken, genießen in ihren Communities eben dieses Vertrauen: „Wir konnten bei der ersten Impfaktion in unseren Räumen über 100 Geflüchtete dafür gewinnen, sich impfen zu lassen.“
Solche Aktionen sind umso erfolgreicher, je besser die Migrant*innenorganisationen in lokale Gesundheitsnetzwerke eingebunden sind. „Wir brauchen eine engere Zusammenarbeit über Disziplinen hinweg, z.B. Ärzt*innen und Jurist*innen sollten mit MSOs zusammenarbeiten.“ stellte Dr. Sascha Krannich in seinem Vortrag fest. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Medizin und Mitglied der Forschungsgruppe Migration und Menschenrechte (FGMM) an der Justus- Liebig-Universität Gießen untersucht er seit vielen Jahren Migrations-, Integrations- und Entwicklungsprozesse.  Diese enge Zusammenarbeit ist seit langem schon erklärtes Ziel von Maimouna Ouattara, die sich in Berlin für Diversität in der Medizin einsetzt: „Die Expertise von Migrant*innenorganisationen und ihre Beteiligung an der Gesundheitsförderung wird von den Ämtern und Behörden noch längst nicht ausreichend gesucht.“
In den kommenden Wochen und Monaten wird es für die an der Corona- Aufklärungskampagne beteiligten Standorte nun darum gehen, mehrsprachige Infoveranstaltungen mit Ärzt*innen und medizinischem Personal mit Migrations-und Fluchtgeschichte für Geflüchtete durchzuführen. Die lokalen Koordinator*innen und ihre bewährten Netzwerke der ehrenamtlich Aktiven werden durch ihre Kontakte in Geflüchtetencommunities problematische Entwicklungen im Zusammenhang mit der Pandemie aufnehmen und diese in die lokal-kommunalen Netzwerke weitertragen. Die Aktiven werden für ihren Einsatz im Kontext gesundheitlicher Vorsorgemaßnahmen besonders qualifiziert werden, eine Reihe weiterer Fachtage (der nächste findet am 23. September von 10.00 bis 13.30 Uhr statt) sollen den inspirierenden  Wissenstransfer zwischen den Expert*innen aus der Praxis und aus Medizin und Forschung weiter fördern. Wir haben den Vorsitzenden des Bundesverbandes, Dr. Ümit Koşan, gefragt, welches Ergebnis er sich am Ende der Aufklärungskampagne wünscht: „Migrant*innenorganisationen sind wesentlicher Teil der Lösung, wenn es darum geht, eine gerechte und empathische Stadtgesellschaft zu erreichen, deren Angebote allen in gleicher Weise zugänglich sind.“

Dr. Sascha Krannich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Medizin und Mitglied der Forschungsgruppe Migration und Menschenrechte (FGMM) an der Justus- Liebig-Universität Gießen und untersucht seit vielen Jahren Migrations-, Integrations- und Entwicklungsprozesse.

Impf-Aktion im Haus Afrika

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Um alle Fragen rund um die Corona-Impfung für Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte einfacher zu beantworten, hat das Gesundheitsministerium zusammen mit der Stadt Saarbrücken eine Impf-Aktion gestartet. Bei der VHS und Flüchtlingsorganisationen wurde im Vorfeld dafür geworben und so konnten sich 100 Menschen für eine garantierte Impfung beim lokalen samo.faPlus-Partner, dem Haus Afrika anmelden. Parallel zur lokalen Dialogkonferenz konnten so viele Menschen geimpft werden.  Der SR war mit vor Ort und hat die lokalen Koordinator*innen Lamine Conté und Lillian Petry zur Aktion befragt. Den Beitrag dazu gibt es hier. 

Gesundheitsförderung und Prävention- eine Informationsveranstaltung mit Migrant*innenorganisationen

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Die Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein und samo.fa laden am 4. Juni 2021 von 14 bis 16 Uhr zu einer online-Information ein. Schwerpunkt ist sind die Corona-Schutzimpfungen.

Kompetent und flexibel leistet der BV NeMO mit den samo.faPlus Koordinierungsstellen aktuell einen unverzichtbaren Beitrag, um soziale Folgen der Corona-Pandemie für Migrant*innen bzw. Menschen mit Einwanderungsgeschichte entgegenzuwirken. Die migrantischen Verbünde des BV NeMO e.V. sind Anlaufstelle von Vielen geworden. Dazu gehören die regelmäßige, differenzierte und mehrsprachige Vermittlung von Hygiene- und Präventionsschutz und die niedrigschwelligen Verweisberatungen. Im Förderjahr 2021 möchte BV NeMO mit seinem Projekt samo.fa Fachexpert*innen und Ärzt*innen mit Einwanderungsgeschichte in die Informationsvermittlung und Verweisberatungen einbeziehen, um die Verbreitung eines soliden und lebensweltlich geerdeten Orientierungswissens zu gewährleisten.

Wann? 4. Juni 2021 von 14 bis 16 Uhr

Wo? Online via GoToMeeting

Inhalt: 1. Was ist das Corona-Virus? 2. Was meinen wir mit Impfprävention? 3. Wie funktioniert die Impfung und läuft der Impfprozess ab? (Wer wird Wann geimpft? Wie bekommen Menschen vor Ort einen Impftermin?) 4. Welche Anmeldemöglichkeiten gibt es? Was wird vor Ort ggf. benötigt (z.B. Ausweis, Dokumente, QR-Code, Emailadresse, Handy)? 5. Welche Informationen zu Behandlungstherapien im Krankheitsfall liegen vor? Die Informationsveranstaltung richtetsich an die samo.faPlus Koordinator*innen aus der Region NordOst, Ehrenamtliche und Interessierte aus den samo.faPlus Standorten.

Anmeldungen bitte bis zum 3. Juni 2021 an: samo.fa[at]tgsh.de

Den Flyer gibt es hier.

Nicht warten, handeln

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Aktive aus Migrant*innen-Organisationen warten nicht, sondern: sie handeln. Hier einige Beispiele aus Leipzig, Göttingen, Saarbrücken und Nürnberg:

(Information und Begleitung) Zum Beispiel in Leipzig: Dort wird dafür gesorgt, dass über ehrenamtlich Aktive, die aus verschiedenen Communities kommen, die Informationen wirklich zu den Menschen kommen und auch erläutert werden. In einer Radiosendung wird auf die besonders schwierige Corona-Lage in den noch bestehenden Gemeinschaftsunterkünften aufmerksam gemacht. Ähnlich in Stralsund: z.B. mit podcasts in arabischer, deutscher, englischer, russischer Sprache und in Farsi, Kurmandschi und Tigrinya. In online-Veranstaltungen wird auch der alltägliche Rassismus zur Sprache gebracht. In Hildesheim werden ehrenamtliche Dolmetscher auch für die Krankenhäuser angeboten; dabei zeigen sich viele Hindernisse. Musik und Comedy unterstützt und erleichtert in Saarbrücken die Informationsvermittlung. Göttingen macht das Impfen auf verschiedenen Wegen gezielt zum Thema.

(Zusammenarbeit mit Ärzten) Ehrenamtlich Aktive können in gesundheitlichen Fragen keine vertiefte fachliche Kompetenz haben; es sei denn, sie kommen aus Gesundheits- und Pflegeberufen. An vielen Orten besteht deshalb schon eine Zusammenarbeit mit Hausärzten und Fachärzten. In Saarbrücken gibt es in dieser Hinsicht schon eine lange Tradition, auch über die Stadt hinaus bundesweit. Aus Nürnberg wird ergänzt, dass es viele Ärzte in ihren Koooperationsbezügen gäbe und darunter auch solche, die sich um Personen „ohne Papiere“ kümmern. Aus Stralsund wird über eine Zusammenarbeit mit einem Kinderarzt, mit dem Gesundheitsamt und dem Impfzentrum berichtet. In Leipzig bestehen Kontakte durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe, in Göttingen durch dolmetschende Begleitung bei Arztbesuchen.

(Alltag) Von überallher wird berichtet, dass die Anfragen zur Orientierung und Unterstützung im Alltag stark zunehmen. Dies gilt sowohl für Probleme im Umfeld der gesundheitlichen Sorge, z.B. Begleitung ins Impfzentrum, Abholen von Senioren, usw., als auch über die Gesundheit hinaus in Hinblick auf die sozialen Problematiken, wie Homeschooling, Verlust des Arbeitsplatzes, finanzielle Engpässe. Erschwert wird das Alltagsleben auch durch schwere Erkrankungen und Todesfälle in der eigenen Familie hier oder auch im Herkunftsland. Auch der soziale Ausdruck des Mitleidens ist schwierig geworden; in Saarbrücken z.B. wird für das Trauern an online-Gruppen gedacht, aber neben der mentalen sei auch eine finanzielle Unterstützung zumeist erforderlich.

Stärken und die Gefahr der Ermüdung

Kümmer*innen aus Migrant*innen-Organisationen: Was ist ihre besondere Stärke? Sie teilen die Erfahrungen von Migration und Flucht und den Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Sie verstehen die Ängste, Befürchtungen und Irritationen und können etwas entgegensetzen. Die Mehrsprachigkeit aus dem Spektrum der Migrant*innen-Organisationen erleichtert Information und Kommunikation. Vertrauen, Schutz, Solidarität und handfeste Hilfe gehören dazu, nahe bei den Menschen zu sein. Aber: Die langandauernde Krise und der hohe Bedarf an Unterstützung führen zu Überlastungen – und auch das Gefühl, immer noch nicht überall dort zu sein, wo es notwendig wäre. Deshalb: Anerkennung und Förderung sind dringend geboten!

10.05.2021

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