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Mehr Mitbestimmung in der Stadt

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„Unser größter Gegner heißt Wahlbeteiligung“, sagt Lamine Conté vom Saarbrückener samo.fa-Partner Haus Afrika. Die Saarbrückener haben wochenlang Wahlkampf für den Integrationsbeirat der Stadt gemacht – mit Flyern, Youtube-Videos und vielen persönlichen Gesprächen. 13 Migrantenorganisationen haben sich für die neue Legislaturperiode auf der „internationalen Liste“ zusammengeschlossen. Wobei es „Legislatur“ – Gesetzgebung – nicht wirklich trifft, bedauert Conté, der sich schon lange im Gremium beteiligt. Mehr als Vorschläge an den Stadtrat kann der Rat nicht machen, den es in jeder Kommune zwecks politischer Beteiligung der nicht-deutschen Bürger*innen gibt und der in manchen Städten noch immer „Ausländerbeirat“ heißt. Gewählt wird alle vier Jahre, „in Saarbrücken auch leider nicht zum Kommunalwahltermin, obwohl wir versucht haben, die Stadt davon zu überzeugen“, sagt Lillian Petry, die sich mit Conté die samo.fa-Koordinationsstelle teilt. „Viele Menschen kriegen deshalb gar nicht mit, dass Wahlen sind – weil sie ja sowieso davon ausgehen, dass sie hier nicht wahlberechtigt sind ohne deutschen Pass.“

Mit ihrer „internationalen Liste“ ist das Saarbrückener Netzwerk am Sonntag mit sechs Sitzen in den Integrationsbeirat eingezogen. Neben ihnen ist ein weiterer migrantischer Kandidat im Rat, fünf Sitze halten die politischen Parteien der Stadt. Alle Migrantenorganisationen aus  dem Haus Afrika beteiligen sich an der „internationalen Liste“, dabei auch viele Menschen mit jüngerer Fluchtgeschichte, die bei Projektbeginn neu nach Saarbrücken gezogen sind. Der Gegner Wahlbeteiligung hat allerdings wirklich zugeschlagen: Von rund 30.000 Wahlberechtigten beteiligten sich nur 600 an der Wahl. „Obwohl wir sogar Wahlinformationen neu kopiert und an den Haustüren verteilt haben, nachdem wir mitbekommen haben, dass viele Menschen den Brief der Stadt gar nicht richtig wahrgenommen haben“, berichtet Petry. Alles ehrenamtlich und ohne irgendeine finanzielle Unterstützung durch die Kommune, „für Integrationsbeiräte ist das alles nicht vorgesehen.“ Dabei seien die Wahlberechtigten über dieses Gremium gar nicht aufgeklärt. „Man müsste sehr viel Öffentlichkeitsarbeit machen, damit mehr Menschen wählen gehen“, sagt Petry. „Jetzt haben wir natürlich ein Repräsentanzproblem.“

Und ein neues Thema für die politische Arbeit. „Das müssen wir unbedingt verändern“, sagt Petry. „Wir brauchen einen anderen Wahltermin und offizielle Unterstützung, um das Gremium und die Wahl bekannter zu machen: Das ist auch eine Voraussetzung für mehr Teilhabe.“

Lillian Petry wünscht sich „Teilhabe für alle“.

„Teilhabe für alle“ ist das zentrale Ziel des Saarbrücker Netzwerks: „Wir wollen unsere Stadt mitgestalten“, sagt Lamine Conté. „Die Themen und Vorschläge von Migrantinnen und Migranten fehlen in Saarbrücken an vielen Stellen.“ Trotz der großen Teilhabe-Defizite sieht er den Rat als Chance: „Wir kommen so mit der Stadtpolitik ins Gespräch über unsere Forderungen und Themen“, sagt Conté. „Ignorieren lassen wir uns nicht, wir haben durch dieses politische Engagement in der Institution trotzdem Möglichkeiten: Wir sprechen als gemeinsame Stimme und können damit ja auch an die Öffentlichkeit gehen.“ Als Zusammenschluss geht das besser, als über Einzelpersonen. „So vertreten wir Menschen kulturübergreifend und vertreten damit Interessen, die alle Migrantinnen und Migranten betreffen.“

Konkret fordert das Netzwerk zum Beispiel die interkulturelle Öffnung der Verwaltung und aller Zweckbetriebe der Stadt, einen finanziellen Fonds für Förderung der Struktur von Migrantenorganisationen  – und auch das kommunale Wahlrecht für Zugewanderte. Das ist die weitreichendste Forderung, für die eine Gesetzesänderung im Bundesland erforderlich ist. „Aber Saarbrücken als Landeshauptstadt soll sich dafür stark machen, das werden wir einfordern“, sagen Petry und Conté. „Ein Integrationsbeirat ist keine wirkliche politische Teilhabe, weil Menschen ohne deutschen Pass nur vorschlagen, aber nicht entscheiden dürfen. Das ist ein Demokratiedefizit, zu dem wir laut etwas sagen.“

„Unser größter Gegner heißt Wahlbeteiligung“ –  Lamine Conté hat wochenlang Wahlkampf für den Integrationsbeirat in Saabrücken gemacht.

Weitere politische Themen der internationalen Liste sind: Ein „Welcome Center“, in dem Migrant*innen neu Angekommenen Erstorientierung anbieten, günstige Raumnutzung für interkulturelle Vereine und eine Verdoppelung der Zuschüsse für diese und die Integrationsprojekte des Integrationsbeirats. Auch sollen alle städtischen Veranstaltungen nur fair gehandelte Produkte verwenden. Das vollständige Wahlprogramm steht hier.

„Wir werden alle Chancen nutzen, die uns das Modell Integrationsbeirat zur Teilhabe bietet“, sagen die beiden Koordinator*innen. „Auch, wenn das Modell selbst große Schwächen hat.“

„Wir müssen dafür sorgen, dass Integrationsräte keine Alibi-Räte bleiben!“ – Interview mit Beatrix Butto

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Welche Erfahrungen haben Migrantenorganisationen mit Integrationsbeiräten gemacht: Sind sie ein zahnloser Tiger oder werden sie im Stadtrat ernst genommen und ermöglichen echte Teilhabe?

Beatrix Butto: Bei diesen Integrationsbeiräten – bezeichnet werden sie ja in jeder Kommune anderes – handelt es sich um beratende Gremien. In der Grundidee und in ihrer faktisch nicht vorhandenen Entscheidungsbefugnis unterscheiden sich diese Gremien nicht sonderlich viel, egal ob wir von Reutlingen, Saarbrücken, Stuttgart, Friedrichshafen oder einer anderen Stadt in Deutschland sprechen. Das Image und die Wirkung eines solchen Gremiums hängen in erster Linie von der Integrationspolitik der jeweiligen Kommune ab. Und das sieht man beispielsweise auch daran, wie diese Beiräte heute bezeichnet werden. In Stuttgart heißt dieses Gremium schon lange nicht mehr Ausländerbeirat und das verdanken wir einem sehr engagierten Stuttgarter Oberbürgermeister, Manfred Rommel, der in die Geschichte eingegangen ist mit dem Satz: „Wer in Stuttgart wohnt, ist ein Stuttgarter!“ Und dies geschah in einer Zeit, als in der Bundespolitik und in vielen Kommunen durch den Anwerbestopp von Gastarbeitern noch restriktive Maßnahmen gegen Migration ergriffen wurden. Integration ist mit der Gründung des bundesweit ersten „Ausländerbeirats“ 1972 quasi Chefsache gewesen und das wirkt sich noch bis in die heutige Zeit hinaus. Während in der ersten Generation noch fast jeder „Gastarbeiter“ am Fließband in Daimler schaffte, besetzen heute ihre Kinder und Enkelkinder nun die Stühle der Managementetagen. Die Wirtschaft hat viel schneller begriffen, dass man die Kompetenzen von Menschen mit Migrationsgeschichte und die Verbundenheit und Identifikation dieser Menschen mit der eigenen Stadt zu ihrem Vorteil nutzen kann. In den höheren Etagen der städtischen Verwaltung bildet sich diese Vielfalt noch nicht sonderlich ab, ein Punkt an dem noch einiges getan werden kann.

Offizielles Ziel ist es, die Interessen der Menschen ohne deutschen Pass in die Kommunalpolitik einzubringen. Trotzdem beteiligen sich viele erst gar nicht, weil die Gremien noch immer sehr unbekannt sind.

Beatrix Butto: Diese Gremien sind seit ihrer Entstehungszeit in den 70er Jahren nur beratend tätig. Aber tatsächlich waren sie eine Reaktion darauf, dass der Anteil an Menschen mit Migrationsgeschichte stetig wuchs und die Forderung laut wurde, sie an der Kommunalpolitik zu beteiligen. Dass sie beraten und nicht entscheiden, hat sich bis heute nicht geändert. Geändert haben sich in vielen Städten jedoch die Bedingungen für die Mitgliedschaft in diesem “Club”. Waren es früher noch Bürgerinnen und Bürger ohne deutschen Pass, Vertreter von Communities und Migrantenvereinen, die sich dafür beworben haben; werden heute Einzelpersonen berufen. Man bezeichnet sie oft als „sachkundige Bürgerinnen und Bürger“ – berufen werden kann neben einem Uni-Professor, der vielleicht Migrationsgeschichte unterrichtet, vielleicht auch eine Rentnerin, die im Freundeskreis Asyl mithilft bis hin zu jedem, der oder die nicht mal eine Migrationsgeschichte haben muss. Meistens sind es Persönlichkeiten aus dem Bereich Migration und Integration, die berufen werden, so dass beispielsweise Mitglieder von Migrantenorganisationen gar nicht mehr in Frage kommen.

Und da sehe ich ein Problem, denn wer gibt diesen „sachkundigen Bürgerinnen und Bürgern“ die Legitimität, über verschiedene Aspekte der Migration und Integration zu reden?

Wie viel Sinn macht es, sich als samo.fa-Partner dort einzusetzen?

Partnerorganisationen dabei zu bestärken, sich wieder in diese „verstaubten“ Gremien einzubringen, macht sehr viel Sinn. In vielen dieser Gremien finden sich keine Vertreter von Migrantenorganisationen mehr. Viele unserer samo.fa-Partner haben dank des Projekts in der Kommune eine vorher nicht da gewesene Sichtbarkeit erfahren, so dass sie es eigentlich leichter haben könnten, in diese Strukturen reinzukommen. Sie können dort Themen einbringen, die sie durch ihren Bezug in den verschiedenen Communities kennen – und sachkundige Bürger ohne diesen Bezug eben nicht. Zum Beispiel, wo es Alltagsrassismus gibt oder dass kultursensible Beratung fehlt. Oder viele Geflüchtete keinen Kita-Platz finden und es Bedarfe an interkultureller Paarberatung gibt.

Was bedeutet diese Form der Teilhabe für Geflüchtete? Können ihre Interessen über Migrantenorganisationen vertreten werden?

Beatrix Butto: Für viele Geflüchtete selbst wird es, sobald ihr Deutsch besser wird, zunehmend interessant, in diversen Arbeitskreisen, Gremien oder Integrationsbeiräten mitzuwirken. Denn um in einer Gesellschaft anzukommen, braucht man nicht nur ein Dach über dem Kopf und einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz; man will mitgestalten, mitreden, sich engagieren. Es wenden sich viele Geflüchtete mit Fragen danach an Migrantenorganisationen, weil diese oft über jahrzehntelange Erfahrung verfügen und die richtigen Ansprechpartner kennen. Es ist für sie – und oft auch für uns – schwierig zu durchblicken, welche Gremien einer Kommune für sie interessant und relevant sind. Aber man muss auch sagen, dass speziell in Integrationsräten auch viele „alteingesessene“ Migrantenorganisationen nicht mehr so vertreten sind, wie es vor ein paar Jahren der Fall war. Deshalb gilt es, Geflüchtete selbst zu empowern, sich in dieser Hinsicht zu engagieren und Migrantenvereine zu aktivieren, um ihre Präsenz in diesen Gremien zu steigern. Es ist ja eben trotz der Mängel eine Möglichkeit, mit der Stadtpolitik ins Gespräch zu kommen.

Wie präsent ist Interessenvertretung von und durch Menschen mit Fluchtgeschichte überhaupt auf der kommunalpolitischen Ebene? Welche Rolle kann samo.fa spielen?

Beatrix Butto: Im Bereich der Flüchtlingspolitik gibt es viele Interessensvertretungen – zu viele. In den letzten vier Jahren sind Akteure und Organisationen, die die Interessen von Geflüchteten vertreten, wie Pilze aus dem Boden geschossen. Natürlich war auf fast jeder Tagesordnung der Beiräte das Thema „Geflüchtete“ und alle Bereiche, die es betrifft, immer ganz oben. Es ging um Unterbringung, Deutschkurse, Ausbildung und so weiter. Also gab es dazu die jeweilig zuständigen Ämter. Geflüchtete selbst waren wenig bis gar nicht vertreten. Nun haben wir in vielen samo.fa Partnerstädten sehr motivierte Geflüchtete, die selbst schon Vereine gegründet haben und sich auch politisch sehr engagieren. Unterstützt von Flüchtlingsräten und Migrantenorganisationen rufen sie zu Demonstrationen auf, beispielsweise wenn es um die furchtbaren Ereignisse in Ellwangen geht und wie dort mit Geflüchteten während eines polizeilichen Großeinsatzes umgegangen wurde.

Haus Afrika fordert im Wahlprogramm auch das kommunale Wahlrecht für alle Migrant*innen – also endlich Entscheidungen zu treffen, statt nur zu beraten.

Beatrix Butto: Ja, das ist gerade das heiß diskutierte Thema. Und obwohl jedes Mal, wenn in einer Kommune Wahlen anstehen oder gerade jetzt vor den Wahlen zum europäischen Parlament, sehr viel darüber diskutiert und debattiert wird, wie man Bürger ohne deutschen oder einem anderen EU-Pass die Mitsprache am gesellschaftlichen Leben ermöglichen kann, passiert in der Praxis gar nichts. Seit einigen Jahren führen Migrantenorganisationen für diese Personengruppe ohne Wahlrecht eine Art Ersatzwahlen durch, um aufzuzeigen wie hoch der Anteil an Personen ist, die von diesem Recht nicht Gebrauch machen dürfen und wie die Wahltendenz aussieht. Wenn man sich überlegt, dass es in Deutschland Städte gibt, wo der Anteil an Menschen, die eine Migrationsgeschichte haben, bereits den 50%-Anteil überschreitet wie beispielsweise in Heilbronn, ist es erschreckend, dass ein Großteil dieser Personen nicht die kommunale Politik mitbestimmen dürfen.

Das Modell Integrationsrat oder Integrationsbeirat gilt ja sogar als Reformansatz im Vergleich zum „Ausländerbeirat“. Was sagt das über die Teilhabechancen von Migrantinnen und Migranten aus?

Beatrix Butto: Dass sie überhaupt nicht ausreichend vorhanden sind. Ob Integrationsrat oder Integrationsbeirat – all diese Begriffe beinhalten schon im Namen das Wort „Rat“ – es sind beratende Organe. Ich denke man muss –  je nach Voraussetzungen und der Integrationspolitik in einer Kommune – Gremien und Strukturen schaffen, die mehr Entscheidungsbefugnisse haben. Abgesehen davon, dass sie in der Besetzung auch vielfältig sein sollen mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantenorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, der Kommune und der Wirtschaft. Dass sie nicht nur die Gemeinderäte beraten, sondern auch mit entscheiden. Dafür braucht es starke Migrantenorganisationen, die politisch aktiv sind, die sich in Dachverbänden organisieren, um überparteilich, säkular und umfassend Interessen von Migrant*innen verschiedenster Herkunft zu vertreten. Ich denke, dass solchen Dachverbänden mehr Mitsprache- und Entscheidungsbefugnis gegeben werden soll, denn sie vertreten die Personen, um die es doch geht, wenn man von gesellschaftlicher Teilhabe von Migrantinnen und Migranten spricht. Diese Verbände sollten wieder in Integrationsbeiräten vertreten sein, denn die Anzahl und die Vielfalt ihrer Mitglieder geben ihnen bei weitem mehr Legitimität über Migrantinnen und Migranten zu sprechen als einzeln berufene „sachkundigen Bürger“.

Sind die Räte überhaupt noch zeitgemäß?

Beatrix Butto: Auch wenn sie zurzeit nicht sonderlich einflussreich sind, lautet die Antwort ja. Denn solange für viele Menschen mit einer so genannten Migrationsgeschichte – und warum ist man eigentlich in der dritten Generation noch Migrant?! –  Chancengleichheit nicht gegeben ist, noch sehr viel struktureller Rassismus herrscht und diese Menschen nicht auf Chef- und Entscheidungsposten sitzen, so lange muss es noch „spezielle“ Räte geben, die die Interessen dieser Menschen vertreten. Wir müssen jedoch dafür sorgen, dass diese Räte keine „Alibi“ oder „Quoten-Räte“ bleiben nach dem Motto „die Interessen von Migrantinnen und Migranten sind doch vertreten“, sondern dass sie einen spürbaren, realen Einfluss auf die kommunale Politik haben. Ich hoffe sehr, dass es unseren samo.fa-Partnern in verschiedenen Städten gelingt, in diese Räte gewählt zu werden!

Beatrix Butto ist samo.fa-Netzwerkbegleiterin für die Region Süd und arbeitet beim Forum der Kulturen in Stuttgart.

Angekommen? Teilhaben jetzt!

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In vielen Städten laufen gerade die Wahlen zu den Integrationsbeiräten – die einzige politische Wahlmöglichkeit für Menschen ohne deutschen oder EU-Pass. Auch einige samo.fa-Partner wollen sich in 2019 beteiligen – um die Themen und Perspektiven von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte in die lokale Politik einzubringen. Die Teilhabe-Möglichkeiten des Gremiums sehen sie aber kritisch: Entscheiden dürfen die Vertreter*innen nicht, sie machen nur Vorschläge an die Stadtpolitik.

Für das bundesweite Projekt samo.fa (Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit) ist die Teilhabe von Menschen mit Fluchtgeschichte in 2019 ein zentrales Thema: Um Teil der Stadtgesellschaft zu sein, brauchen diejenigen, die nun schon seit ein paar Jahren in Deutschland leben, Zugang zu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens: „Es geht in 2019 nicht mehr darum, die Menschen mit Fluchtgeschichte ,rund um die Uhr‘ zu betreuen, sondern sie auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit zu unterstützen und sie in ihren Rechten gegenüber dem Regelsystem zu stärken“, sagt Wilfried Kruse aus der samo.fa-Projektleitung. „Regelsysteme wie zum Beispiel Schule, gesundheitliche Versorgung, Leistungen des Jugendamtes oder der Arbeitsvermittlung sind für alle Bewohnerinnen und Bewohner Deutschlands gedacht, entsprechend müssen Menschen mit Fluchtgeschichte an ihnen teilhaben können.“ Dieser Integrationsgrad ist noch nicht erreicht.

Um diese Rechte auf die Agenda der Rathäuser zu bekommen, haben sich 2019 einige der bundesweit 32 samo.fa-Partner entschieden, für die Integrationsbeiräte zu kandidieren. Diese Räte sind für Menschen ohne deutschen oder EU-Pass die einzige Möglichkeit, in Deutschland überhaupt an politischen Wahlen teilzunehmen. Allerdings: Die Integrationsbeiräte, die in manchen Städten noch „Ausländerbeiräte“ heißen, machen lediglich Vorschläge, über die dann der von den deutschen Bürger*innen gewählte Stadtrat diskutiert und entscheidet.


Zur Geschichte der Integrationsbeiräte.

„Ein Integrationsbeirat ist deshalb auch keine wirkliche politische Teilhabe, weil Menschen ohne deutschen Pass nur vorschlagen und nicht entscheiden dürfen“, kritisieren auch Lamine Conté und Lillian Petry vom samo.fa Partner Haus Afrika in Saarbrücken. „Das ist ein Demokratiedefizit, zu dem wir in und durch das Gremium laut etwas sagen.“ Im Wahlprogramm der „internationalen Liste“, mit der das lokale Netzwerk aus 13 Migrantenorganisationen angetreten ist, wird deshalb einem Welcome-Zentrum mit Erstberatung für neue Migrant*innen durch Migrant*innen und einem Förderfonds für Migrantenorganisationen, auch das Kommunalwahlrecht für nicht-deutsche Bürger*innen gefordert.

Trotz der großen Teilhabe-Defizite sehen sie den Rat als Chance: „Wir kommen so mit der Stadtpolitik ins Gespräch über unsere Forderungen und Themen“, sagt Conté. „Ignorieren lassen wir uns nicht“, erklären die samo.fa-Koordinator*innen. „Wir haben durch dieses politische Engagement in der Institution Möglichkeiten: Wir sprechen als gemeinsame Stimme und können damit ja auch an die Öffentlichkeit gehen.“  Mehr dazu im Beitrag hier.

Mit sechs Sitzen ist die internationale List seit Sonntag (7. April 2019) nun im Saarbrücker Integrationsbeirat vertreten – dabei sind auch Menschen mit jüngerer Fluchtgeschichte, die über das samo.fa-Projekt zu Haus Afrika gekommen sind.

Auch Beatrix Butto, die im bundesweiten samo.fa-Netzwerk die süddeutschen Städte begleitet, findet es wichtig, die Beiräte trotz der Teilhabe-Defizite für die Themen der samo.fa-Aktiven zu nutzen: „Es ist ja trotzdem eine Möglichkeit, mit der Stadtpolitik ins Gespräch zu kommen“, sagt Butto. „Die Aktiven aus Migrantenorganisationen – zu denen zunehmend auch Menschen gehören, die 2015 und 2016 nach Deutschland geflüchtet sind – kennen vor allem die Bedürfnisse und die soziale Situation von Migrantinnen und Migranten vor Ort“, sagt die Netzwerkbegleiterin. Und zwar besser als die Expert*innen ohne eigene Migrationsgeschichte, die je nach Modell der Kommune ebenfalls in die Räte berufen werden. „Die samo.fa-Aktiven  können dort Themen einbringen, die sie durch ihren Bezug in die verschiedenen Communities kennen – und sachkundige Bürger ohne diesen Bezug eben nicht“, sagt Beatrix Butto. „Zum Beispiel, wo es in der Stadt Alltags- und strukturellen Rassismus gibt und dass viele Geflüchtete keinen Kita-Platz finden oder kultursensible Beratung fehlt.“ Mehr dazu im Interview.

Es gibt noch andere Möglichkeiten, Themen auf die kommunale Agenda zu setzen. Der samo.fa-Partner aus Hannover, das MiSO-Netzwerk Hannover, richtete sich zum Beispiel kürzlich mit einer Petition direkt an die Stadt und Region Hannover. Die verschiedenen Räte bleiben praktisch aber die einzige institutionelle Form der Teilhabe für Menschen ohne deutschen oder EU-Pass, deswegen fordern Migrantenorganisationen schon lange ein kommunales Wahlrecht für alle Bürger*innen.


Auch das Motto der lokalen samo.fa Konferenzen steht für mehr Teilhabe – Auf den Veranstaltungen sollen Menschen mit Fluchtgeschichte und Migrantenorganisationen mit Akteur*innen aus Stadt und Gesellschaft in den Dialog treten, um über Teilhabe in allen Lebensbereichen zu sprechen.

1. Bundesnetzwerksitzung in Dortmund: Teilhaben jetzt!

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Am Donnerstag, dem 28. März 2019, trafen sich die samo.fa-Koordinator*innen zur ersten Bundesnetzwerksitzung des Jahres im Haus der Vielfalt in Dortmund. Dabei ging es zentral um die inhaltliche Planung lokalen Dialogkonferenzen, die 2019 im Zeitraum April bis Ende Juni stattfinden. Das samo.fa-Motto ist in diesem Jahr „Angekommen? Teilhaben jetzt!“. Ein Motto, in dem sich die beiden inhaltliche Dimensionen des bundesweiten Projektes für 2019 widerspiegeln: Die soziale Lage der Menschen mit Fluchtgeschichte vor Ort, die die erste Phase des Ankommens hinter sich gelassen haben,  beim Teilhaben am Arbeitsmarkt, Bildungs- und Gesundheitssystem und auch beim Wohnen aber auf Hürden stoßen. Deshalb das“ ?“ beim Ankommen und das „!“ bei Teilhabe: Der Ankommensprozess ist noch lange nicht abgeschlossen und dafür braucht es Teilhabe.

Über die soziale Lage berichten die Koordinator*innen von vielen Problemen: Beispielsweise wohnen in vielen Städten Menschen, die 2015 nach Deutschland kamen, noch immer in Gemeinschaftsunterkünften, was  für sie immer belastender wird. Private Wohnungen finden sie zudem vor allem in sozial problematischen Quartieren oder außerhalb der Zentren, was den Prozess des Miteinanders erschwert. Auch die Gesundheitssituation ist problematisch: Traumatisierungen treten bei vielen Menschen jetzt auf, wo etwas Ruhe nach der ersten Neuorientierung eintritt. Und die Trennung vieler Familien durch die Flucht zeigt ebenfalls ihre Wirkungen: In psychischen und auch motorischen Erkrankungen, die wiederum das Teilhaben am Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt erschweren. Und in sich häufenden Beziehungskonflikten bei Paaren sowie Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen.

Eine ausführliche Analyse bietet die Auswertung der Städtedossiers aus 2018, demnächst hier auf der Website.

Für Aktive vor Ort geht es in diesem Jahr deshalb nicht mehr um „erste Hilfe“, betont das samo.fa-Projektleitungsteam. „Es geht nicht mehr darum, die Menschen mit Fluchtgeschichte „rund um die Uhr“ zu betreuen, sondern sie auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit zu unterstützen und sie in ihren Rechten gegenüber dem Regelsystem zu stärken“, sagte Wilfried Kruse bei der Vorstellung der Projektauswertung. Regelsysteme wie zum Beispiel Schule, gesundheitliche Versorgung, Leistungen des Jugendamtes oder der Arbeitsvermittlung sind für alle Bewohner*innen Deutschlands gedacht, entsprechend müssen Menschen mit Fluchtgeschichte an ihnen teilhaben können. „Hier ist jetzt Verweisungswissen gefordert“, sagt Kruse.

Ein weiteres Thema der Bundesnetzwerksitzung war der Umgang mit rechtspopulistischen Parteien bei öffentlichen Veranstaltungen wie den kommenden Dialogkonferenzen. Soll die AfD mit auf die Podien, wenn sie im Stadtrat oder auf Landes- und Bundesebene vertreten ist? Das Thema diskutierten die samo.fa-Beschäftigten sehr kontrovers. Einige argumentierten, dass die Rechten gewählter Teil der politischen Landschaft sind und dass Veranstalter*innen von ihnen bei einem Ausschluss als „demokratiefeindlich“ angegriffen werden können. Dagegen fand BV NeMO-Vorstandsvorsitzender Ümit Kosan: „Einer demokratiefeindlichen Partei sollten wir auf keinen Fall ein Forum geben.“ Auf rechte Angriffe vorbereiten müssen sich aber alle samo.fa-Partner*innen bei ihren Veranstaltungen – einige hatten bereits uneingeladenen Besuch von Rechten. Eine nützliche Handlungsempfehlung zum Umgang mit rechtsextremen Besucher*innen auf Veranstaltungen bietet der Verein für Demokratische Kultur Berlin.

1. Modul- Professionalisierung von geflüchteten Frauen* und Migrantinnen* im Rahmen der Qualifizierung für Ehrenamtliche zum Gesundheitslotsen (Halle)

By | Alle Beiträge, Bildung, Gesundheit, Halle (Saale) | No Comments

Halle(Saale). Am Dienstag, den 26.03.2019, nahmen 18 Teilnehmende am 1. Modul- Nachhaltigkeit im Ehrenamt- Professionalisierung von geflüchteten Frauen* und  Migrantinnen*   im Rahmen der Qualifizierung für Ehrenamtlichen Frauen und Männer  zum Gesundheitslotse, teil. Als Referent/-innen waren Myasaar Turaeva, Gesundheitswissenschaftler Bielefeld Universität Gesundheitswesen Fakultät und Martina Blümchen, Diplomsozialarbeiterin, systemische Therapie und Beratung, Kinderschutzfachkraft pro familia Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. eingeladen. In diesem Jahr widmet sich  das Projekt samo.fa vom Verband der Migrantenorganisationen Halle e.V. (VeMo) und Projekt MUT-Macherinnen von DaMigra e.V. dem Thema Gesundheit & Soziales aktuell in Deutschland – Qualifizierung und Fortbildung für Ehrenamtliche. Dieses Thema wurde ausgewählt, da es für die Ehrenamtlichen immer wichtiger wird, sich als Gesundheitslotse für die Begleitung in Gesundheitswesen  dauerhaft schonend einzusetzen.

 

Die Qualifizierung zum Gesundheitslotsen:

  • besteht aus 6 Tagen/ III Modulen Präsenz-Seminar,
  • bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit zum Austausch im Netzwerk,
  • wird mit einem Zertifikat abgeschlossen.

„Ehrenamtliche Arbeit hat mich immer von persönlichen Sorgen abgelenkt“ – Ahmad Sharaf aus Fulda

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Ahmad Sharaf ist 29 Jahre alt und lebt seit 2015 im Raum Fulda. Den Staatsanwalt aus Aleppo in Syrien hat sein ehrenamtliches Engagement für Geflüchtete in der Stadt Fulda von vielen traurigen Gedanken abgelenkt. Seit mehr als einem Jahr hat seine Frau das Recht, zu ihm nach Deutschland zu ziehen. Ahmad hat als politischer Verfolgter den Flüchtlingsstatus nach Genfer Konvention, gegen den ihm ursprünglich zugeordneten subsidiären Schutz hat er erfolgreich geklagt. „Ich würde in Syrien  sofort verhaftet“, sagt der Jurist. Beim Familiennachzug hilft ihm das trotzdem nicht: Die Bürokratie verhindert ihre Einreise, jeden Tag könnte die Erlaubnis kommen – und kommt doch seit 12 Monaten nicht. Ahmad wollte sich nie den traurigen Gedanken hingeben, lernte Deutsch, auch als er noch gar keinen Status und damit kein Recht auf einen Deutschkurs hatte. Und stürzte sich in die Arbeit mit anderen Geflüchteten. Heute arbeitet er ehrenamtlich und auf einer kleinen Stelle mit Geflüchteten und studiert in einem Masterstudiengang Human Rights, um diese Arbeit zum Hauptberuf zu machen:

„Ich bin Ende 2015 nach meiner Flucht in einem kleinen Dorf bei Fulda angekommen. Ehrlich, ich habe auf dem Schlauchboot im Mittelmeer meine letzte Stunde kommen sehen, es waren viel zu viele Menschen an Bord. Von Anfang an wollte ich in Deutschland ankommen, richtig ankommen. In Syrien würde ich sofort verhaftet werden: Unabhängige Juristen, das ist nicht erwünscht und das kann auch noch lange so bleiben. Meine Frau habe ich seitdem nicht mehr gesehen, also nur per Video. Dass das sich so lange hinzieht, hätte ich nicht gedacht. Aber ich hatte keine Wahl, ich musste von heute auf morgen Aleppo verlassen.

Die Sammelunterkunft war noch drei Kilometer von dem eigentlichen Dorf entfernt – und es hat viele Monate gedauert, bis ich überhaupt eine Anhörung wegen meines Asylantrages hatte. In der Zeit hatte ich ja leider nicht das Recht auf einen Deutschkurs: Ohne die Sprache würde das nichts mit mir in Deutschland, das war mir von Anfang an klar. Und die Sprache lernt man nicht in einer Sammelunterkunft, auch, wenn ich dort am Computer viele Vokabeln gelernt habe. Ich bin über den Berg ins Dorf gewandert und habe mich dort beim Fußballverein angemeldet. Da habe ich  Deutsch gelernt, auch, wenn ich erst verblüfft war, wie die Leute sprechen:

„Gosch“ oder „Klamotten“, das kennt kein Vokabelprogramm.

Aber die echten Leute, die sprechen ja überall anders, deshalb ist Kontakt ja so wichtig. Dass meine Frau nicht zu mir kommen kann – auch nachdem ich meinen Prozess gewonnen habe, das hat mich richtig fertig gemacht. Aber ich wollte das nicht zulassen. Die ehrenamtliche Arbeit hat mich immer von persönlichen Sorgen abgelenkt. In Fulda habe ich mich für das „Bündnis mittendrin!“ engagiert. Ich habe andere Geflüchteten bei sprachlichen Problemen geholfen und sie bei dem Asylverfahren unterstützt. Dass ich eine juristische Ausbildung habe und selber in einem komplizierten Verfahren in Deutschland steckte und stecke, ist da ein Vorteil. Aber vor allem müssen Geflüchtete aus dem seelischen Loch herausgeholt werden, in das viele fallen. Ich kenne das ja auch, es ist schrecklich, von der Familie getrennt zu sein oder von Erinnerungen verfolgt zu werden. Viele lassen sich gehen, treten nicht in Kontakt mit den Menschen in Deutschland, weil sie sich schlecht fühlen. Sie fühlen sich aber besser, wenn sie das tun. Ich habe mittlerweile eine kleine Arbeitsstelle beim interkulturellen Forum Fulda und studiere. Mein Studium aus Syrien wird hier nicht vollständig anerkannt – das Rechtssystem ist ja auch ganz anders. Ich will aber sowieso im sozialen Bereich mit Geflüchteten arbeiten. Es ist wichtig für ein gutes Zusammenleben in Deutschland, dass alle wirklich hier ankommen.“

„Diesen Kindern wird Teilhabe langfristig verbaut“

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Obwohl Diskriminierung von Schüler*innen mit Migrationsgeschichte sich nur in den wenigsten Fällen beweisen lässt, gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass sie stattfindet: Eine OECD-Studie zeigt zum Beispiel, dass Kinder aus sozial schlechter gestellten oder Einwandererfamilien schlechtere Chancen auf höhere Bildung als andere Kinder haben. Mehrere Untersuchungen deuten außerdem darauf hin, dass Schüler*innen mit Migrationshintergrund bessere Leistungen erbringen müssen als ihre Mitschüler*innen ohne Migrationshintergrund, um eine Empfehlung für das Gymnasium zu erhalten.

Mustafa Birhimeoglu vom Verein für Multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit IFAK e.V. kennt die Probleme, die daraus entstehen können. Als Koordinator für das samo.fa Projekt in Bochum betreut er unter anderem geflüchtete Familien und unterstützt sie beim Ankommen in Deutschland. Im Interview erklärt er, wie komplex die Herausforderungen für Zugewanderte sind, deren Kinder oftmals nach einer Flucht hier angekommen die Diskriminierung der Institution Schule erfahren.

Beobachtest Du institutionelle Diskriminierung an Schulen in Bochum?

Institutionelle Diskriminierung in Schulen ist kein Einzelfall, weder in Bochum noch in anderen Städten in Deutschland. Die Zeugnisse nach der vierten Klasse sind schon lange ein besonderer Einschnitt: Kinder werden für die weiterführenden Schulen sortiert. Es ist längst wissenschaftlich erwiesen, wer dabei die Verlierer sind: Kinder mit Migrationsgeschichte. Und obwohl das seit Jahren bekannt ist, diskriminiert das dreigliedrige Schulsystem weiter  – bei geflüchteten Kindern sogar auf ganz extreme Weise.

Wieso?

Sie landen zu häufig auf Sonderschulen. Sie kommen in Bochum an, werden nach Alter in Klassen aufgeteilt. Wer neu in die vierte Klasse kommt und entsprechend wenig Zeit für das Erlernen der Sprache hatte, bekommt keine gute Schulempfehlung. Mit dem Potenzial der Kinder hat das überhaupt nichts zu tun. Chancengleichheit ist das nicht ansatzweise, im Gegenteil: Diesen Kindern wird Teilhabe dadurch langfristig verbaut – und das hat mit Herkunft zu tun.

Eine bewusst rassistische Ausgrenzung?

Jedenfalls eine systematische, es ist die Struktur, die Hürden aufbaut, keine Einzelperson – obwohl es natürlich auch das gibt. Strukturelle Ausgrenzung gibt es im Schulsystem an noch mehr Stellen. Lehrer*innen sind weder in der Aus- noch in der Fortbildung für Rassismus und den Umgang mit mehrsprachigen und geflüchteten Kindern sensibilisiert. Dabei ist die Schülerschaft in Bochum und vielen anderen Städten doch längst sehr divers. Das passt gar nicht zusammen und fördert diese Diskriminierungsstrukturen. Dazu kommt, dass die Klassen sehr groß sind, viele Schulen keine bilinguale Sozialarbeiter*innen haben und wenn es welche gibt, haben sie so viel Büroarbeit, dass sie gar nicht individuell auf Schüler*innen eingehen können. Gerade für geflüchtete Kinder, die noch Stress, Traumata und vielleicht auch auseinandergerissenen Familien verarbeiten müssen, ist Verständnis und genaues Hinschauen aber wichtig. Leider empfinden viele geflüchtete Eltern, die ja auch das deutsche Schulsystem erst kennenlernen, Sonderschulen sogar als Erleichterung.

Warum erleichternd?

Spezielle Busse oder Taxis holen die Kinder ab und es gibt eine längere Nachmittagsbetreuung. Das empfinden viele Familien als Entlastung. Sie stehen schließlich vor genügend anderen Hürden, fühlen sich überfordert und  haben in Sonderschulen verlässliche Betreuung für ihre Kinder. Aber das kann ja nicht die Lösung sein. Die Kinder könnten auf anderen Schulen mehr erreichen, werden so aber zu Verlierern des Bildungssystems. Ein krasses Beispiel für institutionellen Rassismus. Was Geflüchtete angeht findet er auch noch in einem System statt, das sie noch nicht komplett durchschauen.

Wenn ein System diskriminiert, wie können Menschen oder Gruppen sich wehren?

Für Geflüchtete sind Migrantenorganisationen eine gute Anlaufstelle. Denn unsere Ehrenamtlichen im samo.fa-Projekt kennen sowohl ihre Situation als auch das deutsche Schulsystem. Deshalb können sie an dieser Stelle qualifizierter beraten als Lehrer*innen ohne interkulturelle Ausbildung und haben eigene Lösungsansätze.

Welche sind das?

Zum Beispiel arbeiten sie mit der ganzen Familie. Sie können Eltern davon abhalten, den vermeintlich leichten Weg der Sonderschule zu wählen, den Grundschulen empfehlen. Als Organisation hat man auch mehr Möglichkeiten, auf solche strukturellen Missstände hinzuweisen, weil eine gemeinsame Stimme gegen Rassismus und Diskriminierung mehr bewirkt. Allerdings ist es schwierig, Schulsysteme zu verändert: Sie sind Ländersache, entsprechend ändert sich erstmal sowieso nichts flächendeckend. Gesetze und Systeme zu verändern, ist harte Überzeugungsarbeit, denn mit alten Gegebenheiten zu arbeiten, ist erstmal bequemer. Als erstes müsste dieser Rassismus als Problem anerkannt werden, auch davon sind wir noch entfernt. Auch hier leisten Migrantenorganisationen einen Beitrag. Die Schulen sollten diese Erfahrungen für sich nutzen. Statt bei Problemen mit Jugendlichen direkt die Behörden oder die Polizei einzubeziehen, könnten Migrantenorganisationen als Mittler eine Schnittstelle zwischen Geflüchteten und Lehrkräften bilden.

Wie kann man das ermöglichen?

Die Kommunen müssen uns mehr einbeziehen und endlich lernen, dass Migrantenorganisationen nicht nur aus Tanzveranstaltungen und exotischem Essen bestehen. Ein ehrenamtlicher Übersetzer zum Beispiel kann helfen, wenn Schulen sich keinen Dolmetscher leisten können. Weiterbildungen im Umgang mit Diskriminierung können Migrantenorganisationen ebenso vermitteln mit allen nötigen Kompetenzen.

Rassismus in Stralsund kein Thema?!

By | Alle Beiträge, Gegen Alltagsrassismus, Stralsund | No Comments

Stralsund im Landkreis Vorpommern-Rügen: Von 60.000 Einwohner haben knappe 4.000 keinen deutschen Pass, die Stadt zählt 223 „Flüchtlinge“, 190 „Asylbewerber“ und 244 „abgelehnte Asylbewerber“.

Vergleichsweise wenige Bürger*innen mit Migrations- und Fluchtbiografie, denen dafür umso mehr Feindlichkeit entgegenkommt, sagt Jana Michael vom samo.fa-Projektpartner Tutmonde e.V.. „Wir sehen eine immer deutlichere gesellschaftliche Veränderung“, sagt die Vorständin des 2006 gegründeten Vereins mit Mitgliedern aus ganz Mecklenburg-Vorpommern. „Auch jenseits von Äußerungen rechtspopulistischer Parteien begegnen uns im Alltag heute öfter offener Rassismus und Antisemitismus.“

Eine gesellschaftliche Stimmung, der Stadt und Landkreis nicht angemessen begegnen, finden die samo.fa Aktiven der Migrantenorganisation. „Es gibt keine einzige Beschwerdestelle für rassistische und diskriminierende Vorfälle: Nicht in Stralsund, nicht im Landkreis, nicht auf Landesebene“, sagt Simon. „Dabei ist es dringend notwendig, weil Probleme so offiziell unsichtbar bleiben und gar nicht erst nach Lösungen gesucht wird.“ Tutmonde e.V. setzt sich seit Jahren für eine solche Antidiskriminierungsstelle im Landkreis ein – ohne Erfolg.

Unsichtbare Probleme für Behörden, alltägliche für Betroffene. „Frauen mit Kopftuch werden auf der Straße bespuckt und angepöbelt, Menschen mit sichtbarer familiärer Migrationsgeschichte in Restaurants und im Einzelhandel unfreundlich oder nicht bedient“, erzählt Jana Michael. „Seit 2015 hat sich vor allem der antimuslimische Rassismus verstärkt.“ Das sei auch in Bildungseinrichtungen der Stadt und des Kreises spürbar. Die Geflüchteten und Migrant*innen, die Tutmonde und die samo.fa-Angebote nutzen, berichten regelmäßig von Ausgrenzungserfahrungen. „In einer Kita berichteten Kinder Zuhause, sie würden bestraft, weil sie die deutsche Sprache nicht gut genug verstanden“, sagt Michael, die sich in diesem Fall an die Polizei gewandt hat. Allerdings auch ohne Ergebnis. „Aussagen von geflüchteten Kindergartenkindern gegen Aussagen vom Personal, das war nicht auflösbar“, sagt Michael. „Ohne eine Dokumentation solcher Vorkommnisse, die hier eben keine Einzelfälle sind, bleibt die Dimension von Rassismus vor Ort unsichtbar.“ In den politischen Gremien sei das Thema allenfalls eine Randnotiz oder nicht einmal das. „Migrantinnen und Migranten haben hier wenig Zugang zu Politik und Verwaltung, um das Thema einzubringen“, sagt Jana Michael. „Es ist ein unbequemes Thema, das systematisch totgeschwiegen werden soll.“

„Ich bin schwarz und habe ein Kopftuch: Wie kann ich da Medizin studiert haben?!“

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Von Rassismus-Betroffene aus Saarbrücken berichten in  diesem Beitrag über den Alltagsrassismus, den sie in ihrer Stadt erleben. Einige leben seit Jahren in Saarbrücken, einige sind 2015/2016 gekommen, andere in Saarbrücken aufgewachsen ­–  einer Stadt mit fast 30.000 Menschen mit Migrationsgeschichte. Gemeinsam haben sie dies: Sie werden als Nicht-Deutsche wahrgenommen und immer wieder ausgegrenzt – unabhängig von Geburtsort, Staatsbürgerschaft oder gesellschaftlichen Engagement.

„Es ist bei allen diesen Fällen für uns schwierig, Rassismus zu beweisen“, sagt Lillian Petry, samo.fa- Koordinatorin vom Saarbrücker Haus Afrika. „Es gibt oft keine Zeugen, viel spielt sich auch über Blicke oder Ausschluss von sozialen Aktivitäten oder Besprechungen bei der Arbeit ab.“ Und: „Es ist leider Alltag für viele Menschen, dass sie aufgrund ihrer vermeintlichen Herkunft ausgegrenzt werden.“ Betroffene seien zudem nicht immer bereit, etwas dagegen zu tun. Auch hier berichten sie anonym, unter anderem um ihren Arbeitsplatz nicht zu gefährden.

Auch auf Geflüchtete aus dem samo.fa-Projekt wirken diese Ausgrenzungen inzwischen als Hürde beim  wirklichen Ankommen in der Gesellschaft. Denn: „In Sprachkursen oder Beratungssituationen waren sie während der ersten Zeit nach ihrer Flucht sozusagen in einem Schutzraum und sowieso in einer Ausnahmesituation“, sagt Lillian Petry. In Saarbrücken gab es wie in vielen Städten in 2015 viel spontane Hilfsbereitschaft – „vor allem in Form von Sachspenden und Geschenken, die aber nicht immer zu den Bedürfnissen passten: Der Wert von deutschem Porzellan und anderen Einrichtungsgegenständen erschließt sich nicht jedem einfach so, das hat manche Spender beleidigt.“ Es habe auch 2015 schon Sätze gegeben wie „Dann geh doch zurück nach Syrien“, erzählt die Koordinatorin. Allerdings sei das nicht per se Rassismus. „Manchmal sind solche Fragen oder Bemerkungen eben keine Einstellungen, sondern Missverständnisse, die sich durch Nachfragen und Kontakt auflösen“. Wenn Kinder fragten, ob das Essen halal sei, fänden das einige Bürger*innen unhöflich. „Wer dann nachfragt und eine Antwort bekommt, verändert aber meistens die Perspektive und lernt Respekt.“

Für die Geflüchteten im vierten Jahr beginnt aber jetzt eine andere Phase, was das Erleben von Rassismus angeht: Sie bewegen sich weniger in Schutzräumen, sondern auf dem Arbeitsmarkt, im allgemeinen Bildungssystem, in ihrer Nachbarschaft – die Ausnahmesituation endet, der Alltag beginnt. Und in ihm gibt es Ausschlussmechanismen. „Rassismus ist eine Wand, vor die Menschen laufen und die sie in ihrer Entwicklung bremst.“

 

H.B., Ärztin:

„Rassismus erlebe ich, wenn ich meinen Arztkittel anhabe und Patienten mich trotzdem Krankenschwester nennen. Oder sogar die anderen Ärzte fragen, ob ich Blut abnehmen kann. Ich bin schwarz und habe ein Kopftuch: Wie könnte ich da Medizin studiert haben?!

 

R.: Lehrerin

„Ich bin von Beruf Lehrerin mit 14 Jahren Erfahrung. Mangels Anerkennung der in meinem Herkunftsland erworbenen Berufsausbildung und -erfahrung arbeite ich als Betreuerin im Ganztagsbereich der Schule. Meine anderen Kollegen mobben mich: Informationen kommen nicht bei mir an, Gespräche verstummen, wenn ich in den Raum komme. Ich gehöre nicht dazu. Das wird mir jeden Tag gezeigt. Ich kann nicht dagegen tun, weil ich Angst habe, meinen Job zu verlieren. Alle gehen früh nach Hause und ich bleibe jeden Tag länger, weil ich aus Druck und Angst heraus, mehr leisten muss, damit es nicht noch schlimmer wird.

 

Y.K., Schülerin

Rassismus erlebe ich, wenn ich spät bin, wie alle anderen auch, und die Lehrerin meint, für mich wäre es normal. Ich bin hier in Deutschland geboren, werde aber immer mit “afrikanisch” verbunden.

 

W., Ärztin

„Patienten fragen mich, ob ich eine richtige Ärztin bin, weil ich schwarz bin.“

 

R.O., Fußballspieler:

„Rassismus fühle ich im Alltag, wenn ich Sprüche höre auf dem Platz wie „Affe“, „Baumwollpflücker“ oder „Schwarze beim Fußball“, wenn ich einen Fehler gemacht habe.“

 

A.M., studierter Informatiker mit Aufenthaltstitel:

„In einer Maßnahme hat ein Teilnehmer gesagt, dass ich nach afrikanischen Gerichten rieche.“

 

L.K., Bürokauffrau und Kinderbetreuerin, verheiratet mit einem Deutschen/einer Deutschen:

„Rassismus ist für mich, wenn meine Schwiegermutter fragt, ob es in Afrika es auch Brot mit Butter und Marmelade gibt.“

 

P.B., Pastor und Lagerist:

„Ich bekomme bei der Arbeit immer die Aufgaben, die die anderen nicht machen wollen.“

 

V.K., Ehrenamtliche bei Haus Afrika:

„Im Schwimmbad gehen Leute weg, wenn wir mit unserer Kindergruppe mit vielen Flüchtlingskindern kommen.“

 

Olli, Altenpflegerin

„Meine schwarze Hautfarbe wird mit HIV-Infektion gleichgesetzt.“

Nicht überall willkommen: Rassismus erschwert Geflüchteten das Ankommen

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„Geh doch zurück nach Syrien“, „die Wohnung ist nicht mehr frei“, „empfohlene Schulform: Sonderschule“: In 2019 – dem vierten Projektjahr von samo.fa – werden Rassismus und Diskriminierung  für Geflüchtete zunehmend zum Hindernis im Alltag. Denn: Diejenigen, die seit vier Jahren in Deutschland leben, treten jetzt in den Arbeitsmarkt ein, suchen eigene Wohnungen, bauen ein gesellschaftliches Leben auf. Sie haben sich also intensiv um Integration bemüht – und erfahren dabei auch Ausgrenzung und Rassismus, zeigen die Erfahrungen der Projektpartner vor Ort.   Das Thema ist deshalb für die 32 Standorte im Projekt drängend, denn es verlangsamt das tatsächliche Ankommen in Deutschland für die Menschen, die jetzt im vierten Jahr im Land leben und teilhaben wollen.


Angekommen? Teilhaben jetzt ist das samo.fa-Motto für 2019.

Die erste Phase des Ankommens ist dabei für die meisten Geflüchteten abgeschlossen: Der Asylantrag, das Deutschlernen, die erste Orientierung nach Flucht, Verfolgung und Krieg – die unmittelbare Hilfsbedürftigkeit, auf die auch die Mehrheitsgesellschaft zunächst mit einer „Willkommenskultur“ reagiert hat: Mit Sachspenden, Schildern am Bahnhof, Unterstützung in Sammelunterkünften. „Damit schließen die Menschen, die jetzt seit vier Jahren hier wohnen, aber jetzt ab: Sie brauchen eine andere Art Unterstützung“, sagt Lillian Petry, lokale samo.fa-Koordinatorin in Saarbrücken. Statt um erste Hilfen geht es 2019  um Stärkung zur Teilhabe, um genaue Informationen zu Berufen und Ausbildung – und auch zum Umgang mit Rassismus und Diskriminierung. Auch bei diesem Thema arbeitet das samo.fa-Projekt mit besonderer Expertise und besonderer Haltung. Denn: Die Ehrenamtlichen und auch die Migrantenorganisationen, in die sie eingebunden sind und in die sie Geflüchtete einbinden, haben selbst Erfahrungen im Ankommen und mit Diskriminierungen und sich entsprechend zum Thema sensibilisiert und professionalisiert. Bei der Arbeit mit Geflüchteten wird eine solche Unterstützung gerade jetzt besonders wichtig: Sie treten jetzt in einen Alltag ein, in dem sie sich oft allein behaupten müssen. „Jetzt begegnen sie den Diskriminierungen und Ausschlüssen, die viele Migrantinnen und Migranten in Deutschland ihr Leben lang kennen“, sagt Lillian Petry vom samo.fa-Partner Haus Afrika in Saarbrücken.

Tatsächlich ging es 2016 bei der Arbeit vor Ort vor allem um Begleitung und Übersetzung bei Behörden und darum, die ersten Schritte in Deutschland zu bewältigen.  Heute geht es darum, Arbeit zu finden, die als Übergang gedachten Sammelunterkünfte hinter sich zu lassen, den Kindern Schulerfolg zu ermöglichen – und wirklich an der Gesellschaft vor Ort teilzuhaben. Aber: Gerade jetzt hemmt Rassismus.


Weitere Hürden und Arbeitsfelder im samo.fa-Projekt 2019 im monatlichen Themenschwerpunkt.

Viele suchten Fehler bei sich, wenn sie keine Wohnung und keine Arbeit finden oder im Alltag angefeindet werden. Sie zögen sich zurück, sagt Lillian Petry – ein Rückschritt beim Ankommen im neuen Alltag. „Es ist ja wichtig, mit den Kindern ins Schwimmbad zu gehen“, gibt Lillian Petry Beispiele. Und Wohnungen und Arbeit zu finden –  und zwar nicht am Rande der Gesellschaft.

In den Projekten vor Ort bestärken die Koordinator*innen Ehrenamtliche und Geflüchtete beim Umgang mit Rassismuserfahrungen wie körperlicher Gewalt, Beleidigungen, aber auch Ablehnungen in Behördenstrukturen wie zum Beispiel Schulen, Jobcenter oder auf der Arbeitsstelle (hier eine gängige Definition verschiedener Formen von Rassismus).

Sie haben  in Deutschland oft selbst gemacht und werden durch die besondere Struktur des samo.fa-Projekts mit dem Träger Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen fachkundig unterstützt: Sie stärken durch zugewandte Beratung, das Teilen der Erfahrungen und nicht zuletzt einer gemeinsamen Stimme gegenüber Politik und Zivilgesellschaft, die durch sie auf die Probleme aufmerksam gemacht werden: Für mehr Teilhabe und weniger Vorurteile.

Rassismuserfahrungen können vor Ort so aussehen wie im mecklenburg-vorpommerschen Stralsund: „Frauen mit Kopftuch werden bespuckt und in Restaurants nicht bedient, das ist hier ein Teil der  Normalität“, erzählen die lokalen Koordinatorinnen aus Stralsund, wo Sammelunterkünfte auch auf wenig angebundenen Inseln in der Ostsee sind. Das begrenzt den persönlichen Kontakt, der Vorurteile ändern könnte. Von solchem Alltagsrassismus hören auch die Koordinator*innen aus Saarbrücken von ihren Ehrenamtlichen: „Leute gehen im Schwimmbad weg, wenn wir mit unserer Kindergruppe aus vielen Flüchtlingskindern kommen.“

Neben  Alltagsrassismus begegnet Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte struktureller Rassismus: Im Interview erzählt Mustafa Birhimeoglu, wie wenig vorbereitet Lehrer*innen auf Schüler*innen mit Fluchterfahrung sind: Im vierten Jahr ist die Lösung sozialen Schwierigkeiten beim Ankommen im Schulalltag oder noch fehlender Rechtschreibkompetenz  in einem dreigliedrigen Schulsystem vielfach die Sonderschule. Die Selektion nach der Grundschule benachteiligt dabei  sowieso nachweislich strukturell Kinder mit Migrationsbiografie – auch einer vermeintlichen, die ihnen aufgrund von Nachnamen oder Hautfarbe zugeschrieben wird. Geflüchtete Kindern und Jugendlichen benachteiligt ihr noch nicht abgeschlossener Ankommensprozess noch zusätzlich.  Das viel diskutierte Schlagwort „Inklusion“ bleibt für sie damit das Gegenteil von Teilhabe – aufgrund ihrer Herkunft.

Viele samo.fa Projekte machen auch im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus im März auf die vielen Dimensionen des Themas und ihre Arbeit dazu aufmerksam – von Podiumsdiskussionen, über Empowermentveranstaltung bis zur Demonstration.

Zahlen & Fakten

6.434 Angriffe auf Migrant*innen im Jahr dokumentiert die aktuellste Statistik des Bundesinnenministeriums, das Bundeskriminalamt zählt 2.215 Straftaten gegen Geflüchtete: Die Übersicht des Mediendienst Integration hat diese und noch mehr Zahlen unter dem Schlagwort „Desintegration“ zusammengetragen.

Weitere Beiträge

Rassismus-Erfahrungen aus Stralsund.

Rassismus-Erfahrungen aus Saarbrücken.

Interview über Ausschlüsse im Bildungssystem in Bochum.

 

samo.fa 2019 auch in Münster aktiv

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2019 ist Münster in Nordrhein-Westfalen neuer Standort des samo.fa-Projekts. Dort ist Dr. Médard Kabanda seit Jahren als Vorstand und Mitgründer des Vereins Afrika Kooperative Münster e.V. aktiv. In diesem Jahr ist er der neue samo.fa-Koordinator.

Médard Kabanda, der als Sozialwissenschaftler tätig ist, wird nun zusammen mit dem Netzwerk der Migrantenorganisationen und Eine Welt-Initiative in Münster für die Arbeit mit Geflüchteten öffnen und stärken.

Viele, die hier in Münster angekommen sind, leben unter sich in den Unterkünften“, erklärt Kabanda, „es ist zudem sehr schwierig, Räumlichkeiten für Veranstaltungen zu finden, da die Mieten sehr hoch sind. Es gibt keine Begegnungsräume wie das Haus der Vielfalt in Dortmund, wo Geflüchtete ein und aus gehen und sich dabei sicher fühlen können.“ Entsprechende Räumlichkeiten anzumieten für Workshops, Empowerment und andere Veranstaltungen ist ein Ziel von samo.fa Münster. Geflüchtete sollen außerdem darauf vorbereitet werden, private Wohnungen zu finden und ihren neuen Alltag dort zu meistern.

Médard Kabanda will die Expertise und das gemeinsame Netzwerk der lokalen Akteure nutzen, um auch in Münster die Communities der Geflüchteten anzusprechen und ihnen eine faire Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen.

Médard Kabanda will die Expertise seines Vereins und anderer Migrantenorganisationen nutzen, um auch in Münster die Communities der Geflüchteten anzusprechen und ihnen eine faire Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen.

Dr. Médard Kabanda hat Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Münster studiert. Promoviert hat er zum Thema: „Nichtregierungsorganisationen als Herz der Zivilgesellschaft Zentralafrika“. Er ist ab 2019 mit seinem Verein Afrika Kooperative Münster e.V. für samo.fa in Münster tätig.

Hoyerswerda 2019 kein lokaler samo.fa Partner mehr

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Das samo.fa Projekt geht ins mittlerweile 4. Jahr. Nicht mehr als lokaler Partner vor Ort dabei ist dieses Jahr die Stadt Hoyerswerda mit dem Verein RAA – aber das ist eine Erfolgsgeschichte. Denn die Nachhaltigkeit ist ein Schwerpunkt für die 32 Projektpartner*innen, um auch über das geförderte Projekt hinaus Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte zu unterstützen. Der RAA Hoyerswerda e.V. hat dafür im letzten Jahr eine Grundlage geschaffen: Der Freistaat Sachsen fördert die Arbeit mit Geflüchteten des Vereins weiter. Erfolgreiche samo.fa Veranstaltungsreihen wie monatliche Treffen sollen fortgeführt werden. Ausgebaut werden sollen die Frühstückstreffen mit unterschiedlichen Gruppen, die zukünftige Arbeit mit Geflüchteten und Migrantenorganisationen baut also auf den erfolgreichen samo.fa-Strukturen der letzten Jahre auf. Der Austausch im Netzwerk von samo.fa mit dem RAA Hoyerswerda e.V. wird natürlich auch weitergehen.

samo.fa Projekt wird 2019 weiter gefördert – und dringend gebraucht

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„Die Integrationspolitik hat an vielen Stellen Mängel“

Dortmund, 18.1.2019. Das bundesweite Projekt samo.fa (Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit) des Bundesverband NeMO e.V. erhält für ein weiteres Jahr finanzielle Förderung des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Damit geht in bundesweit 32 Städten die Arbeit von Ehrenamtlichen aus Migrantenorganisationen mit Geflüchteten weiter. Das Projekt läuft seit 2016.

„Die Integrationspolitik hat an vielen Stellen Mängel“, sagt Ümit Koşan, Vorsitzender des Bundesverbandes Netzwerke von Migrantenorganisationen (BV NeMO). „Wie kann es sein, dass Menschen seit vier Jahren in Deutschland leben und die Sprache gelernt haben, dennoch von vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen sind?“ Tatsächlich habe sich in einigen Städten die Lage auf dem Wohnungsmarkt sogar noch verschlechtert. Geflüchtete hätten – wie viele Bürger*innen mit Migrationsgeschichte in Deutschland – dabei besonders große Schwierigkeiten, Wohnraum zu finden. Denn: Seit dem Sommer der Willkommenskultur 2015 hat sich die gesellschaftliche Stimmung ihnen gegenüber zunehmend verschärft.
Daher wird der Umgang mit Diskriminierung und Rassismus ein zentraler Bestandteil der Projektarbeit in 2019 sein. Weil es bei der Integration der neuen Mitbürger*innen weiterhin so große Hürden gibt, werden die Ehrenamtlichen aus den 32 Städten zudem noch stärker als „Frühwarnsystem“ arbeiten: Soziale Probleme der Geflüchteten wie zum Beispiel der erschwerte Zugang zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt und eine dadurch anhaltend prekäre finanzielle Situation werden vor Ort identifiziert und ihre Dringlichkeit öffentlich diskutiert.

Gleichzeitig geht die Arbeit mit den Geflüchteten weiter. Im vierten Förderjahr steht allerdings die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund – und nicht mehr das „an die Hand nehmen“ der ersten Zeit nach dem Flüchtlingssommer. Tatsächlich engagieren sich laut einer aktuellen Projektevaluation 60 Prozent der Geflüchteten aus den samo.fa Projekten mittlerweile selbst ehrenamtlich.
„Wir freuen uns auf ein erfolgreiches weiteres Projektjahr“, sagt Ümit Koşan. „Läuft der Integrationsprozess weiterhin so schleppend, droht eine weitere soziale Spaltung der Gesellschaft in Deutschland.“

Pressekontakt: Miriam Bunjes, Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. (NeMO), Haus der Vielfalt, Beuthstraße 21, 44147 Dortmund, Tel.: 0231 28678 164, Fax: 0231 28678 166, presse@bv-nemo.de

Haus Afrika e.V. wird als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt

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Der Verband Haus Afrika e.V. feierte in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen und hat sich in Saarbrücken unter anderem in der Jugendarbeit als wichtiger Ansprechpartner etabliert. Dies wird von nun an auch offiziell gewürdigt: Der Antrag zur Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe ist vom Jugendhilfeausschuss des Regionalverbandes Saarbrücken angenommen geworden.

Als Anerkennung zum eigener Träger ist eine Förderung der Arbeit nachhaltig gesichert. „Aber nicht nur über die finanzielle Unterstützung freuen wir uns”, erklärt Lamine Conté, Geschäftsführer von Haus Afrika und einer der lokalen Koordinator*innen des samo.fa-Projekts in Saarbrücken, „es ist vor allem eine Anerkennung unserer langjährigen Arbeit und ermöglicht uns auch eine politische Partizipation, zum Beispiel durch eine Aufnahme in den Jugendhilfeausschuss.” Der Verband vereint zurzeit 11 Migrantenorganisationen in der Stadt. Als Träger der Jugendhilfe will er sich für die Interessen der in der Jugendarbeit tätigen Migrantenorganisationen und der jungen Geflüchteten einsetzen.

Vor allem die Unterstützung durch das samo.fa-Projekt kann als Vorbild für einen Strukturaufbau zum selbstständigen Träger gesehen werden. „Durch das Projekt gab es für uns wichtige Mittel wie zum Beispiel die Stelle für die Projektkoordination. Sonst mussten wir für jede Maßnahme kämpfen und sind oft auf den Kosten sitzen geblieben”, erklärt Lamine Conté. Durch die zukünftige Unterstützung des Jugendamts kann der Verband seine Angebote bald längerfristig über das samo.fa-Projekt hinweg finanzieren und zum Beispiel Bereiche wie die Verwaltung professionalisieren.

Internationaler Tag des Ehrenamtes

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“Ehrenamtliche sind das Fundament einer offenen Gesellschaft”

Zum Tag des Ehrenamtes (5.12. 2018) zieht der Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen (BV NeMO) Bilanz aus drei Jahren Arbeit im bundesweiten Projekt samo.fa: „Ehrenamtliche sind das Fundament einer offenen Gesellschaft“, sagt BV-NeMO-Vorsitzender Dr. Ümit Koşan. „Ihre ehrenamtliche Arbeit unterstützt Geflüchtete maßgeblich dabei, im neuen Alltag der Bundesrepublik anzukommen und Teil der offenen diversen Stadtgesellschaft der Zukunft zu werden.“

Im Projekt samo.fa arbeiten rund 10.000 Ehrenamtliche aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingshilfe. Am Ende des dritten Projektjahres sind etwa 20 Prozent der Ehrenamtlichen Geflüchtete, die selber im Projekt Unterstützung erfahren haben. Tendenz: steigend. „Das zeigt, wie nachhaltig das Engagement unser Aktiven wirkt“, sagt Koşan. „Es motiviert und stärkt die Menschen in den Projekten so, dass sie selbst aktiv werden und sich ehrenamtlich in die Gesellschaft einbringen, in der sie gerade erst angekommen sind.“

„Wir danken für dieses großartige Engagement: Es kommt an und verbessert Stück für Stück das Leben vieler Menschen“, sagt Ümit Koşan.

Unsere Ehrenamtlichen aus Hannover stellen sich vor:

“Wenn man neu in Deutschland ist, braucht man Hilfe”

Najib Ahmadi ist als 16-Jähriger aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet. Auch dort war der Afghane Flüchtling, ist seit seiner  Kindheit mit der Familie  von einem Ort zum anderen gezogen – auf der Suche nach einem sicheren Leben. Heute engagiert sich der 20-Jährige Auszubildende in Hannover ehrenamtlich für andere Geflüchtete – weil er weiß, wie wichtig es ist, an einem Ort  wirklich anzukommen:

„Ich leite ein Fußballteam  für andere Geflüchtete. Ich spiele selbst sehr gerne Fußball mit den anderen. In unserem Team sind  viele wie ich Azubis und haben deshalb keine Zeit drei oder viermal  pro Woche in einem Verein zu spielen, das wird dort aber meistens verlangt.  Das MiSO Netzwerk aus Hannover hat uns dabei geholfen, eine Halle zu organisieren. Jetzt trainieren wir einmal in der Woche.

Wenn man neu in Deutschland ist, braucht man auch Hilfe beim Kontakt mit der Ausländerbehörde oder beim Arzt oder so etwas. Da helfe ich jetzt bei.  Als ich als Neuer hier ankam, wollte ich einfach einen Ort haben, wo  ich in Ruhe leben kann und zur Schule gehen. Seit ich ein kleines Kind bin, war ich immer unterwegs. Meine Mutter ist mit meiner Schwester, meinem Bruder und mir in den Iran geflüchtet, nach Deutschland kam ich aber allein.

Gerade wünsche ich mir am meisten, dass ich meinen Führerschein finanzieren kann. Den brauche ich in meinem Beruf. Ich bin jetzt im zweiten Lehrjahr KFZ  Mechatroniker und will danach auch den Meister machen.“

“Ich würde gerne ein ruhiges Leben haben”

Ehsam Hazara ist 19 Jahre alt und seit 2015 in Deutschland.  Er lebt in Hannover und macht dort eine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker. Er arbeitet ehrenamtlich als Übersetzer für andere Geflüchtete und will das damit zurückgegeben, was er selbst bekommen hat: Starthilfe beim Ankommen im Alltag in Hannover:

„Ich gehe mit Flüchtlingen, die noch nicht gut Deutsch können, zu Organisationen, die für sie zuständig sind. Auch zu Ärzten oder zum Einkaufen. Das haben andere auch für mich gemacht bei MISO, als ich neu war. Dafür will ich mich revanchieren. Als ich nach Deutschland kam, war es so wichtig, Deutsch zu lernen. Das Wichtigste. Jetzt habe ich viele Freunde hier, ehrlich, ich bin ein öffentlicher Mann. Ohne sie hätte ich keine Ausbildung gefunden, wirklich. Das möchte ich gerne weiterleiten an andere. Ich betreue außerdem eine Fußballmannschaft für Kinder.

Meine Zukunft? Ja, ich möchte ein ganz ruhiges Leben haben, nicht mehr. Meine Arbeit weitermachen. Und eine Wohnung finden, ich suche schon seit einem Jahr. Im Moment wohne ich in der WG vom Jugendamt, ich würde aber gerne alleine wohnen, weil ich ein bisschen Ruhe brauche. Ich muss mich konzentrieren, wenn ich meinen Meister machen will. Diese Theorie zu verstehen in einer anderen Sprache, das ist nicht so einfach.“

“Ich habe mich so fremd gefühlt”

Atefeh Daraby, 33 Jahre, ist vor vier Jahren aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Heute arbeitet sie als Zeichnerin in einem Ingenieursbüro. In ihrem ersten Jahr in Deutschland hat sie sich jedoch fremd und isoliert gefühlt – und von wichtigen Informationen über Berufs- und Lebenswege im neuen Land abgeschnitten. Deshalb möchte sie Geflüchtete in Hannover bei Behördengängen und der Wohnungssuche begleiten:

„Also ehrlich: Ich habe nie ausreichende Informationen vom Jobcenter oder den anderen Behörden bekommen. Ich bin jetzt schon vier Jahre in Deutschland und  erst vor 2 Monaten habe ich erfahren, dass es überhaupt Umschulungen gibt. Zu spät ist es für mich vielleicht noch nicht, aber mit dem Wissen hätte ich ja früher anfangen können, etwas zu machen. Viele Leute haben überhaupt keine Ahnung von den Möglichkeiten in Deutschland: Sie sollten besser informiert werden  – vor allem von den Behörden. Die sind doch dafür zuständig, den Menschen zu helfen. Wenn man nicht viel Kontakt mit Deutschen hat oder mit Einrichtungen, die wie das MiSO-Netzwerk Geflüchtete unterstützten, braucht man die Hilfe von Behörden.

Im meinem ersten Jahr in Deutschland habe ich kein Deutsch gelernt. Ich hatte Depressionen und habe mich so fremd gefühlt.

Bei MiSO habe ich Hilfe bei der Suche nach einer Praktikumsstelle bekommen. Jetzt arbeite ich Vollzeit in einem Ingenieursbüro als Zeichnerin und in meiner Freizeit verbessere ich meine Sprache und erlerne das Programm, mit dem ich arbeite.

Für meine Zukunft habe ich viel in meinem Kopf. Ich habe Architektur im Iran studiert und mein Zeugnis nach Bonn ins Kulturministerium geschickt.  Glücklicherweise wurde es anerkannt. Ich könnte sogar einen Masterplatz an einer Uni oder Hochschule bekommen.“

Samo.fa-Studie: Deutlich mehr Ehrenamtliche und Geflüchtete erreicht als erwartet

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Nach drei Jahren samo.fa gibt es jetzt auch die Ergebnisse der externen Evalution des Consulting-Unternehmens Ramboll im Auftrag der Integrationsbeauftragten zu unserem Projekt. Sie zeigen, wie viel die Koordinator*innen und die Projektleitung in den 32 Projektstädten aufgebaut haben. Die zentralen Studienergebnisse im Überblick:

Es konnten deutlich mehr Ehrenamtliche und Geflüchtete erreicht werden als zu Projektbeginn angenommen: Wir haben insgesamt 65 Prozent mehr Ehrenamtliche hinzugewonnen als geplant. Und auch bei den Geflüchteten haben wir unsere eigenen Erwartungen übertroffen: In den Projekten wurde mit 55 Prozent mehr Geflüchteten gearbeitet als zu Beginn erwartet.

Besonders die hohe Zahl der Ehrenamtlichen ist dabei ein Alleinstellungsmerkmal des BV NeMO-Projekts. Denn: Nach dem Sommer der Willkommens-Bewegung beobachteten viele Akteur*innen einen Rückgang des ehrenamtlichen Engagements. Bei samo.fa hingegen engagierten sich konstant auch Menschen, die vorher noch nicht ehrenamtlich tätig waren (40 Projekt). Viele der Geflüchteten aus den Projekten (60 Prozent) engagieren sich laut Studie mittlerweile selbst ehrenamtlich.

Zudem zeigt die Untersuchung, dass der Schwerpunkt Netzwerkarbeit und Strukturaufbau im Projekt nach drei Jahren Wirkung zeigt. Auch er unterscheidet den Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. von den anderen Geförderten, die schon auf bestehende Netzwerke zurückgreifen konnten. Die Studienautoren kommen zu dem Ergebnis, dass “insbesondere Migrantenorganisationen als relevanter Partner in der Koordinierung von Ehrenamtlichen und Ansprache von Geflüchteten gestärkt wurden.”

Desweiteren bescheinigt die Studie den lokalen Koordinator*innen ein hohes Level an Professionalisierung durch Qualifizierungsmaßnahmen im Projekt, das im Laufe der drei Jahre immer weiter gestiegen ist.

Samo.fa wurde nicht nur innerhalb der Zielgruppe immer bekannter, sondern erreichte auch andere relevante Akteure in der Flüchtlingsarbeit, so die Evaluation. “Es ist davon auszugehen, dass die Projekte von dieser gestiegenen Bekanntheit auch über die Förderung hinaus profitieren und so die Verankerung in den Hilfsstrukturen vor Ort weiter vorantreiben können”, schreiben die Ramboll-Autoren.

Bundesnetzwerktreffen 2018 in Berlin: Wie wir gemeinsam noch besser werden können

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Beim letzten Bundesnetzwerktreffen des Jahres am 28. und 29. November in Berlin blickten Projektleitung und die lokalen Koordinator*innen auf drei Jahre Projektarbeit von samo.fa zurück. „Alle haben ihre Präsenz verbessert und vor Ort Wirkung erzielt“, sagte Dr. Wilfried Kruse aus dem Projektleitungsteam. Er sparte jedoch nicht an Kritik. Denn:  Nicht alle der ambitionierten Ziele aus dem Jahr 2018 haben vor Ort funktioniert – auch, weil alle Städte und lokale Partner unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen: neben jahrzehntelangen Playern mit Managementexpertise im Haus gibt es auch Koordinator*innen ohne eigenes Büro .

Eine weiterer  Grund: Das Sichern der Projektarbeit vor Ort – finanziell, personell, inhaltlich –ist eine besonders komplexe Aufgabe: „Wir müssen gemeinsam besser werden“, sagte Kruse. Besonders problematisch sei  dabei der Stand der Vernetzung mit Wohlfahrtsverbänden, die vielerorts als etablierter Partner der Kommunen seit Jahren Regelfinanzierungsangebote in Bereichen hält, in denen auch die samo.fa-Angebote langfristig gesichert wären. Aber auch die finanzielle Nachhaltigkeit der samo.fa-Struktur nach der Bundesförderung ist noch immer schwach: Längst nicht überall ist es gelungen, erfolgreiche länger- oder mittelfristige Förderungen für die Angebote der Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit zu bekommen. Einige Partner haben das allerdings schon geschafft – so kann der samo.fa-Partner BIM in Reutlingen gefördert ein Haus der Kulturen aufbauen, Haus der Kulturen Lübeck hat eine zweijährige Koordinierungsstelle gesichert, der samo.fa-Träger Mepa in Leipzig zwei Stellen für Begegnungscafés. Und das sind nur einige Beispiele für mehrere (Mehr demnächst hier).

In drei Arbeitsgruppen diskutierten die Koordinator*innen anschließend über  verschiedene Wege , das Wissen und die Arbeit von samo.fa  noch besser in die Städte zu verankern. Ideen sind unter anderem der Aufbau einer Datenbank mit internen und externen Experten für verschiedene Fördermöglichkeiten, systematische Potenzialanalysen vor Ort und Weiterbildung im Projektmanagement. Positive Erfahrungen haben viele mit überlokalen Netzwerken gemacht: „Es hilft enorm, wenn kommunale Vertreter hören, dass andere Städte auch mit dabei sind“, betonten vor allem die Koordinator*innen aus NRW, wo in 2018 ein Landesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen entstanden ist. Sie regten an, häufiger Kolleg*innen aus Nachbarstädten mit zu wichtigen Terminen mitzunehmen, um „Stärke und Größe zu zeigen.“

Alle Unterlagen zur Bundesnetzwerksitzung mit mehr Ergebnissen und Details stehen demnächst zum Download bereit.

Ausstellung „Onkel Hasan und die Generation der Enkel” in Hoyerswerda

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Nach Berlin-Pankow und Dresden macht die Wanderausstellung „Hasan und die Enkel“ nun im Stadtmuseum Schloss Hoyerswerda halt. Die multimediale Ausstellung behandelt die Geschichte der Arbeitsmigration in Deutschland seit den 1960er -Jahren. Hasan war ein Arbeitsmigrant der  „ersten Generation” in Dortmund. Die Enkel sind die Leute, die hier geboren und aufgewachsen sind. Ihre Geschichten, aber auch die Vielfalt der Migration und Fluchtgeschichten sind Themen der Ausstellung.

Vertragsarbeit in der DDR ist mittlerweile zu einem Schwerpunkt der Ausstellung geworden, so auch in Hoyerswerda. An 20 Stationen und vielen Info-Säulen, Musik und Videos werden die unterschiedlichen Geschichten dargestellt. An jeder Station der Wanderausstellung kommen neue Bestandteile dazu.

Noch bis zum 6. Dezember ist die Ausstellung in Hoyerswerda zu sehen. Sie wird organisiert in Kooperation des samo.fa Projekts mit dem lokalen Partner RAA Hoyerswerda Ostsachsen e.V., der Koordinierungsstelle Bildung beim Oberbürgermeister von Hoyerswerda und dem Museum Schloss Hoyerswerda.

Mehr Informationen gibt es unter www.onkel-hasan.de.

Den Flyer gibt es hier zum Download.

Foto: onkel-hasan.de

 

 

Lange Wege und viel Engagement: Bundeskonferenz in München

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Wie können sich Verwaltungen für Migrantenorganisationen öffnen? Wie kann das Engagement von migrantischen Aktiven dauerhaft in den Städten verankert werden – ohne, dass sie ihre Unabhängigkeit verlieren? Und was können alle Akteur*innen gemeinsam tun, um die Hürden auf dem Arbeitsmarkt, im Gesundheits- und Bildungssystem zu überwinden? Die samo.fa Bundeskonferenz 2018 hat zu vielen komplexen Fragen spannende Antworten diskutiert – mit Koordinator*innen, Ehrenamtlichen, Politiker*innen und kritischen Freund*innen aus Gesellschaft und Forschung

 

„Ich helfe jetzt anderen, sich hier im Krankenhaus zurechtzufinden.“ „Seit zwei Jahre berate ich Geflüchtete dabei, wie sie sich an der Uni einschreiben können.“ Zwei Beispiele von vielen, von denen Geflüchtete auf der Bundeskonferenz in München 2018 berichteten. Überall in den 32 samo.fa-Städten engagieren sich in 2018 diejenigen ehrenamtlich in der Migrantenorganisation, in der sie vor einigen Jahren im samo.fa Netzwerk Begleitung auf ihrem Weg in den neuen Alltag fanden – und in dem sie jetzt andere durch ihre Erfahrungen in der jeweiligen Stadtgesellschaft stärken: Ehrenamtliches Engagement, das die Rolle von Migrantenorganisationen beim Ankommen vor Ort überdeutlich macht: Sie können nachhaltig beim Ankommen stützen – und das auch in Zukunft tun, weil durch sie Orte und immer neue Gelegenheiten für Engagement entstehen.

„Ohne Migranten schaffen wir es nicht“, sagt auch Tobias Stapf von Minor Projektkontor Bildung und Forschung, einem interdisziplinärem und interkulturellem Beratungs- und Forschungsunternehmen aus Berlin – eingeladen als kritischer Freund auf dem Plenum „Migrantenorganisationen als Bezugspunkte vor Ort.“ Es ist das Ankommen neuer Migrant*innen – aber auch ein gutes Miteinander in der Stadtgesellschaft, deren Schwierigkeiten sich unter anderem aktuell in Chemnitz, aber auch in Sätzen wie „Migration ist die Mutter aller Probleme“ zeigen. „Wir reden nicht mehr von Integration, sondern über Teilhabe“, gab Wilfried Kruse vom samo.fa-Leitungsteam als selbstbewusste Ansage aus: Gestalten, statt mitgestalten, anerkannter Akteur der Stadtpolitik sein, statt Beiwerk. Und: Für eine Arbeit und eine Rolle anerkannt werden, die Migrantenorganisationen vor Ort bereits ausfüllen.

Was unter Experten anerkannt sein mag, ist im Arbeitsalltag der samo.fa-Aktiven aus Migrantenorganisationen aber noch nicht keine durchgehend selbstverständliche Haltung, die ihnen begegnet. Dauerhafte Strukturen in der Stadt schaffen, nicht von einer Projektförderung zur nächsten planen müssen, um erfolgreiche Arbeit aufrechtzuerhalten war deshalb großes Thema der Konferenz. In Workshops zum Zugang zum Arbeitsmarkt, Gesundheitssystem, zum Wohnen und Leben im Quartier, zur Jugend- und Familienpolitik und zur Arbeit mit geflüchteten Frauen diskutierten die samo.fa-Aktiven der verschiedenen Städte ihre lokalen Ansätze miteinander und den Gästen.

Auch in den World-Cafés des zweiten Konferenztages stand die Erfahrungen der Partner im Zentrum: Wie geht es weiter vor Ort? Wie kann Engagement für Menschen mit Fluchtgeschichte kontinuierlich verankert werden? Die Rolle der Kommunen, ihrer politischen Gremien und Verwaltungen, ist dabei zentral: Denn die Strukturen und Angebote, die samo.fa vor Ort aufgebaut hat, wirken auf das Zusammenleben in der Stadt  – in den Schnittstellen der Verwaltung, die entscheiden kann, sie dauerhaft zu etablieren. Wie viel Unabhängigkeit bleibt dabei für die migrantischen Träger? Was können Migrantenorganisationen selber tun, um ihre Wirksamkeit sichtbar zu machen – und damit in etablierten Institutionen zu überzeugen?

Die Ergebnisse der Workshops und Worldcafés stehen in Kürze hier zum Download bereit.

Pressemitteilung: Münchner Samo.fa-Bundeskonferenz 2018 thematisiert die Herausforderungen Geflüchteter bei der Integration

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Pressemitteilung

Was brauchen Geflüchtete in ihrem neuen Alltag?

Münchner Samo.fa-Bundeskonferenz 2018 thematisiert die Herausforderungen Geflüchteter bei der Integration

Was brauchen Geflüchtete, um erfolgreich im neuen Alltag in der Bundesrepublik anzukommen?  Dieser Frage widmet sich die samo.fa-Bundeskonferenz  am 14. und 15. September 2018 zum Rahmenthema „Menschen mit Fluchtgeschichte. Auf dem langen Weg in den Alltag. Migrantenorganisationen an ihrer Seite“. Ort der Veranstaltung ist die Hanns-Seidel-Stiftung in der Lazarettstraße 33, 80636 München. Die Konferenz wird veranstaltet vom Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen mit seinem bundesweiten Projekt samo.fa  (Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit) und seinem Münchner Partner MORGEN e.V. Netzwerk Münchner Migrantenorganisationen. Das Besondere an samo.fa ist, dass das Projekt  vollständig von Migrantenorganisationen getragen wird. In 32 Städten beteiligen sich mehr als 500 migrantische Vereine und Initiativen und mehr als 9.000 Ehrenamtliche.

Nach der Begrüßung durch die Organisatoren ab 13:30 Uhr und einem einführenden Impulsvortrag des Soziologen Prof. Dr. Ludger Pries von der Ruhr-Universität Bochum bietet die Bundeskonferenz diverse Workshops zur übergreifenden Frage, was Geflüchtete zur erfolgreichen Bewältigung ihres Lebensalltags benötigen – und an welchen Stellen sie dabei auf Hürden stoßen: Wohnsituation und Kindererziehung, Ausbildungsmöglichkeiten, Spracherwerb, Gesundheit und die Situation der Frauen stehen im Blickpunkt. Unerlässlich für die erfolgreiche Integration ist das vielfältige Engagement der Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit, deren Aktive sich durch ihre eigene Migrationsgeschichte als „Lotsen“  für Geflüchtete verstehen, die viele soziale Risiken abfedern.

Parallel zum fachlichen Austausch verfolgt die Konferenz das Ziel, die zahlreichen samo.fa- Aktivitäten in 32 Städten mit rund 9.000 Ehrenamtlichen und mehr als 500 beteiligten migrantischen Organisationen nachhaltig zu etablieren. Denn: Der Weg in den neuen Alltag ist noch lange nicht abgeschlossen und die Erfahrungen der lokalen Projekte zeigen, dass es noch viele Integrationshürden in Deutschland gibt. „Wir treffen uns, um unser Wissen in der Flüchtlingsarbeit miteinander zu teilen und im Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Gesellschaft und Forschung auszutauschen“, sagt Dr. Ümit Koşan, Vorstandsvorsitzende des BV NeMO e.V. und im Leitungsteam von samo.fa. „Ob Integration gelingt, hängt entscheiden davon ab, ob es den Menschen mit Fluchtgeschichte gelingt, den Aufbau eines neuen Alltags zu bewältigen.“

Dass sich dieser Aufwand lohnt, zeigt der bisherige Erfolg: Bundesweit besuchten im Jahr 2017 mehr als 100.000 Menschen Samo.fa-Veranstaltungen. Dieses bemerkenswerte Engagement soll künftig noch breitere Unterstützung aus Politik und Gesellschaft finden. Die rassistischen Angriffe in Chemnitz zeigten, wie wichtig es ist, dass das Engagement von Migrant*innen als Teil der gesellschaftlichen Realität sichtbarer wird. „Für ein gutes Zusammenleben vor Ort ist der Dialog mit allen Akteuren der Stadtgesellschaft zentral“, sagt Koşan. „Die Herausforderungen der Integration lassen sich nur gemeinsam bewältigen.“

Das gesamte Programm der Bundeskonferenz gibt es hier als Download.

Samo.fa ist ein bundesweites Netzwerk mit Koordinierungsstellen in 32 Städten, das von der Beauftragten der Bundesregie-rung für Migration, Flüchtlinge und Integration gefördert wird. Es wurde 2016 durch den Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen (NeMO) ins Leben gerufen. Es verbindet Menschen mit Migrationsgeschichte und koordiniert ihr Engagement bei der Unterstützung von Geflüchteten. Ziel ist es, diesen eine gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen des lokalen und kommunalen Lebens zu ermöglichen. Das Kürzel „Samo.fa“ steht daher für die Stärkung von Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit.

MORGEN e.V. Netzwerk Münchner Migrantenorganisationen ist ein 2013 gegründeter, freiwilliger Zusammenschluss Münchner Migrantenorganisationen. Das Netzwerk fördert gleichberechtigte Teilhabe und aktives Engagement lokaler Migrantenorganisationen. Der Verein vernetzt seine Mitglieder untereinander und bringt sie mit Vertretern aus der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Die mehr als 70 Mitgliedsvereine leisten täglich Integrationsarbeit für Migranten und Geflüchtete in mehr als 30 Sprachen. Seit Herbst 2016 ist MORGEN e.V. in der Regelförderung der Landeshauptstadt München. Weitere Informationen: www.morgen-muenchen.de.

Pressekontakt: Miriam Bunjes, Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. (NeMO), Haus der Vielfalt, Beuthstraße 21, 44147 Dortmund, Tel.: 0231 28678 164, Fax: 0231 28678 166, presse@bv-nemo.de

 

Pressemitteilung: Geflüchtete: Noch nicht wirklich im neuen Alltag angekommen 5 – Schwieriger Zugang für Geflüchtete zum Gesundheitssystem

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Dortmund, 23. August 2018. Der Zugang zum Gesundheitssystem hat für Geflüchtete viele Hürden – auch, weil der Umgang mit Körper und Krankheit kulturell verschieden ist. Durch bürokratische Hindernisse, sozial-psychologische und sprachliche Barrieren fällt es Geflüchteten in Deutschland oft schwer, auch einfache medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Durch kulturelle Unterschiede im Umgang mit Krankheit sind besonders Frauen von diesen Problemen betroffen.

Einige Städte, in denen das samo.fa Projekt tätig ist, ermöglichen mit der Hilfe so genannter Gesundheitsmittler*innen  einen erleichterten Zugang zum Gesundheitssystem für Geflüchtete: dies ist eine Sonderform von Sprachmittler*innen, die selbst aus migrantischen Communities kommen und so Geflüchteten das deutsche Gesundheitssystem besser nahe bringen können. Samo.fa steht für Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisation in der Flüchtlingsarbeit. Das Projekt wird seit 2016 vom Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. organisiert. Im Projekt vernetzen sich vor Ort Aktive aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit miteinander und mit anderen lokalen Akteuren. Deutschlandweit beteiligen sich mehr als 500 migrantische Vereine und Initiativen in 32 Städten am Projekt, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gefördert wird.

Gesundheitsmittler*innen sind zum Beispiel im Rahmen des samo.fa Projekts in Saarbrücken aktiv. Die Koordinatorin vor Ort, Lillian Petry, erklärt die Wichtigkeit der Betreuung durch sie: „Geflüchtete in Deutschland haben, so lange ihr Status nicht geklärt ist, an vielen Orten  keine Gesundheitskarte, mit der sie einfach zum Arzt gehen können. Ohne geklärten Bleibestatus benötigen sie eine amtliche Genehmigung für einen Arztbesuch.“ Und für eine professionelle Behandlung benötigen sie zudem Übersetzer*innen, die sie begleiten.

Kulturelle Unterschiede sind eine weitere Barriere für Geflüchtete. „Sexualität ist in einigen Communities ein Tabuthema“, erklärt Lillian Petry. „Die Themen Aufklärung und Verhütung, Geschlechtskrankheiten oder der erste Gang zum Frauenarzt sind für viele Geflüchtete neu und unangenehm. Deshalb müssen sie besonders kultursensibel begleitet werden.“  Menschen mit eigener Migrationserfahrung können die Situation der Betroffenen nachempfinden und schwierige Themen dementsprechend besser vermitteln. Migrantenorganisationen wie das Haus Afrika in Saarbrücken sind durch ihre Arbeit ein wichtiger Ansprechpartner in der Flüchtlingsarbeit geworden und arbeiten mit anderen Vereinen wie der deutschen AIDS-Hilfe zusammen, um Geflüchtete über Gesundheitsthemen aufzuklären und bei der Behandlung zu unterstützen. In Workshops schulen sie Aktive, die sich engagieren,  zum Thema Gesundheitsvermittlung und nehmen eine Vermittler- und Brückenrolle zu Ärzten und Sozialämtern ein. Die eigenen Erfahrungen des Ankommens in einen neuen Alltag können sie auf diese Weise den Geflüchteten weitergeben.

Ziel des laufenden dritten Projektjahres von samo.fa ist es in allen beteiligten Städten vor allem, die Unterstützung nahe beim Alltagsleben der Menschen mit Fluchtgeschichte zu stabilisieren und eine langfristige Verankerung und die Anerkennung der Rolle der Migrantenorganisationen in der lokalen Flüchtlingsarbeit zu erreichen. Dafür laufen seit Mai im ganzen Land lokale Konferenzen, an denen Akteure der Stadtgesellschaft über nachhaltige Kooperationsmöglichkeiten diskutieren.

Auf der bundesweiten samo.fa-Konferenz am  14./15. September in München  mit allen Projektpartner*innen und Vertreter*innen aus Stadt-, Landes- und Bundespolitik und Zivilgesellschaft wird Bilanz gezogen: Wie kann die erfolgreiche Arbeit der Migrantenorganisationen vor Ort weitergeführt werden?

Im Anhang und hier http://www.samofa.de/zusammenschau-der-staedtedossiers-2017-fuer-das-2-jahr-des-projekts-samo-fa/ gibt es Projektergebnisse.

Ansprechpartner Saarbrücken: Haus Afrika e.V. http://www.samofa.de/leipzig/; Lillian Petry unter 0175 223 406 6.

Eine Übersicht über alle Projektstandorte und weitere Pressemitteilungen befinden sich hier: www.samo.fa.de

Mehr Informationen über den Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. unter: www.bv-nemo.de

Die Pressemitteilung als pdf downloaden

Pressekontakt: Miriam Bunjes 0231-286 78 164,  presse@bv-nemo.de

Pressemitteilung: Geflüchtete: Noch nicht wirklich im neuen Alltag angekommen 3 – (Keine) Krise des Ehrenamtes

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Geflüchtete: Noch nicht wirklich im neuen Alltag angekommen – 3

Migrantenorganisationen: Keine Krise des Ehrenamtes in der Flüchtlingsarbeit

Dortmund, 9. August 2018. Drei Jahre nach dem „Flüchtlingssommer“ 2015 erleben viele soziale Organisationen eine Krise des Ehrenamtes in der Flüchtlingsarbeit: Viele Bürger*innen, die vor drei Jahren spontan gespendet, Menschen in Asylunterkünften zum Beispiel bei Behördengängen und Wohnungssuche unterstützten, haben ihr Engagement verringert oder ganz beendet. Das ist bei spontanem bürgerschaftlichen Engagement nicht selten: Dauert der Anlass für das Engagement über eine längere Zeit an, erlahmen oft Motiv und vor allem auch Kraft. „Außerdem werden die Anforderungen an Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit mit der Zeit komplizierter und es muss immer häufiger auch mit Enttäuschung und Verbitterung umgegangen werden“, sagt Dr. Wilfried Kruse aus dem Leitungsteam des im dritten Jahr laufenden Projekts samo.fa (Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit) des Bundesverbandes Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. (BV NeMO). „Spontane Dankbarkeit wie am Anfang kommt nicht mehr ohne Weiteres zurück.“ Und: Je mehr Helfer*innen sich zurückziehen, desto mehr Belastung und zum Teil Überlastung erleben die verbleibenden Freiwilligen.

Belastungen erleben auch die rund 9.000 Ehrenamtlichen aus Migrantenorganisationen, die im Rahmen von samo.fa bundesweit in 32 Städten aktiv sind. Aber: Anders als bei der spontanen Willkommenskultur bleibt ihre Unterstützung für Geflüchtete stabil und ihre Zahl geht nicht zurück, sondern steigt in einigen Städten sogar. Ein Grund dafür ist die Besonderheit des Projekts: Samo.fa wird von Migrantenorganisationen getragen und umgesetzt. „Im Unterschied zu den meisten Freundes- und Unterstützerkreisen, die sich per se nur zur Unterstützung von Geflüchteten gebildet haben, sind Migrantenorganisationen stabile Gemeinschaften, deren Fokus schon immer die Aufnahme von neuen Mitgliedern war, die neue Ideen einbringen“, sagt Beatrix Butto, samo.fa-Netzwerkbegleiterin für die süddeutschen Städte im Projekt und bei der Partnerorganisation Forum der Kulturen in Stuttgart beschäftigt. Denn viele der Migrantenorganisationen  gebe es schließlich schon seit den Anwerbeabkommen für Gastarbeiter in den 1950er Jahren. Ehrenamtliche aus Migrantenorganisationen sind in ihrem Engagement für Menschen mit Fluchtgeschichte auch deshalb stabiler, weil sie eben durch die Migrantenorganisationen einen gemeinschaftlichen, organisatorisch abgesicherten Rahmen zur Verfügung haben. Das zeigen die Erfahrungen aus allen 32 Städten des seit 2016 laufenden Projektes. Samo.fa vernetzt vor Ort Aktive aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit miteinander und mit anderen lokalen Akteuren. Deutschlandweit beteiligen sich mehr als 500 migrantische Vereine und Initiativen in 32 Städten am Projekt, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gefördert wird.

„Ehrenamtliche mit eigener Migrations- oder Fluchtgeschichte können auch mit Rückschlägen auf dem langen Weg in den neuen Alltag in Deutschland besser umgehen“, sagt Beatrix Butto. „Sie wissen aus eigener Erfahrungen, dass es lange dauert, um alle Hürden des Ankommens zu meistern.“ Ihre eigenen Migrationserfahrungen und interkulturellen Kompetenzen führen zudem dazu, dass diese Ehrenamtlichen die Neuangekommenen beim langen Weg in den Alltag besonders einfühlsam und qualifiziert begleiten können. Das ist die Kernidee des gesamten samo.fa-Projekts, die auch beim stabilen ehrenamtlichen Engagement Erfolge zeigt.

„Es geht in der Flüchtlingshilfe in den meisten Fällen ja nicht mehr um die Beschaffung von fehlender Kleidung oder Möbeln, sondern um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“, sagt Butto. Wo und wie können sie ihre Fähigkeiten und Interesse einbringen? Für Butto steht fest: Bei Migrantenorganisationen, wo sie neue Engagementfelder und sinnvolle Aufgaben finden. „Das wirkt nicht nur der Gefahr von Desintegration  entgegen, sondern zeigt, dass Deutschland ein sehr offenes und vielfältiges Land ist, in der die Existenz von Menschen mit unterschiedlichen Migrationsgeschichten Normalität ist“, sagt die Netzwerkbegleiterin.

Auch für die aktiven Migrantenorganisationen selbst hat dies Vorteile, sagt Beatrix Butto: „Sie gewinnen durch Flüchtlingsarbeit Mitglieder und entwickeln sich damit weiter. Und auch die neuen Bürgerinnen und Bürger mit Fluchtgeschichte werden aktiver Teil dieser Gemeinschaft und bringen ihre Interesse und Kompetenzen mit ein.“

Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Migrationsforschung und interkulturellen Studien der Universität Osnabrück und des Bonner Friedens- und Konfliktforschungsinstituts BICC  haben ein Drittel aller Flüchtlingshelfer in Deutschland eine eigene Migrationsbiographie.

Wie kann die erfolgreiche Arbeit der Migrantenorganisationen vor Ort weitergeführt und das Engagement erhalten bleiben? Am 14./15. September zieht samo.fa auf der bundesweiten samo.fa Konferenz mit Projektpartnern und Vertreter*innen aus Stadt-, Landes- und Bundespolitik und Zivilgesellschaft Bilanz.

Hier gibt es Projektergebnisse.

Die Pressemitteilung als PDF downloaden. 

Mehr Informationen über den Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. unter: www.bv-nemo.de

Pressemitteilung: Geflüchtete: Noch nicht wirklich im neuen Alltag angekommen 2 – Fehlender Wohnraum

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Geflüchtete: Noch nicht wirklich im neuen Alltag angekommen – 2
Fehlende Wohnungen sind ein großes Integrationshindernis

Dortmund, 2. August 2018. Überall in Deutschland fehlt bezahlbarer Wohnraum – vor allem in den Großstädten. Für Geflüchtete bedeutet das, dass sie sehr lange in Übergangseinrichtungen leben. Viele ziehen bereits seit drei Jahren von einer Notunterkunft in die nächste, oft in immer neue Stadtteile. „Eine eigene Wohnung ist aber eine Grundvoraussetzung, um anzukommen und sich Zuhause zu fühlen“, sagt Julia Wellmann, Koordinatorin des Kölner samo.fa-Projektes. Samo.fa steht für Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit und vernetzt in 32 Städten in Deutschland ehrenamtliche Flüchtlingshelfer*innen aus Migrantenorganisationen miteinander und mit anderen Akteuren der Stadtgesellschaft. Bundesweit sind mehr als 500 Migrantenorganisationen an samo.fa beteiligt. Wohnraum für Geflüchtete ist bundesweit ein Problem, zeigen ihre Erfahrungen. Besonders in Städten mit einem angespannten Mietmarkt wie Köln ist es extrem schwierig, als Geflüchteter eine passende Wohnung zu finden: In der Millionenstadt fehlen generell rund 6.000 Wohnungen. Zu Wohnungsbesichtigungen kommen daher hunderte Interessenten, bringen wie für ein Vorstellungsgespräch Mappen mit Referenzen mit.

„Wer warum dann keine Wohnung bekommt, ist überhaupt nicht nachvollziehbar, denn der Mietmarkt ist größtenteils privat“, sagt Wellmann. „Die Vermieter können nach ihren eigenen Vorstellungen entscheiden, wer die Wohnung kriegt: Geflüchtete sind es oft nicht.“ Ohne Wohnung fällt Integration aber schwer, beobachten die samo.fa-Partner vor Ort bundesweit. In Gemeinschaftseinrichtungen fehlt es an Privatsphäre, aber die ist sehr wichtig für das Heimisch-Fühlen. „Der Wohnungsmangel in Deutschland ist eine der größten Hürden bei der Integration“, sagt Dr. Wilfried Kruse vom samo.fa-Leitungsteam auf Bundesebene. Ein Problem, für das allerdings keine schnelle Lösung in Sicht ist. Das sagen auch die lokalen Koordinatorinnen in Köln. Zwar versuchen auch Ehrenamtliche aus Migrantenorganisationen manchmal Wohnungen über private Kontakte zu vermitteln. „Es gibt aber schlicht zu wenige: Dieses Problem können Flüchtlingshelfer nicht lösen“, sagt Yvonne Niggemann, die zusammen mit Julia Wellmann im Solibund e.V. das samo.fa-Netzwerk koordiniert.

Und auch dann, wenn die Wohnungssuche erfolgreich war, bleiben oftmals Probleme, sagen die Kölnerinnen. Denn mit dem Einzug in eine Wohnung könne einhergehen, dass das bisherige Hilfenetz verloren gehe, Isolierung und Vereinsamung könne drohen, das zeigen auch die Erfahrungen aus anderen Städten. Nicht selten befinden sich die Wohnungen, die Geflüchtete letztendlich finden, in Stadtteilen, in denen sich soziale Probleme ballen. „Es ist nicht einfach, die Menschen in den Wohnungen zu erreichen“, sagt Julia Wellmann. In Köln fördert das samo.fa-Projekt deshalb Begegnungsräume in der Nachbarschaft, in denen sich alle Bewohner*innen eines Viertels treffen können – zu Aktivitäten wie gemeinsames Gärtnern oder zum Kaffee trinken. „So lernen sich die Nachbarn untereinander kennen und sind im Alltag füreinander da.“ Migrantenorganisationen sind dabei die Mittler, weil ihre Aktiven aus eigener Erfahrung mit dem Ankommen in Deutschland, ihrer Mehrsprachigkeit und interkulturellem Wissen, eine Brücke in die Nachbarschaft und damit die Stadtgesellschaft sind. Migrantenorganisation bieten selbst oftmals auch einen Ort der Begegnung, wie z.B. das „Haus der Vielfalt“ in Dortmund oder das „Haus der Kulturen“ in Braunschweig.

Ein Ziel des laufenden dritten Projektjahres von samo.fa. ist es vor allem, die Unterstützung nahe beim Alltagsleben der Menschen mit Fluchtgeschichte zu stabilisieren, im Feld von Wohnen und Quartier, wie auch in anderen Lebensbereichen. Und es geht um eine langfristige Verankerung der Rolle der Migrantenorganisationen in der lokalen Flüchtlingsarbeit. Dafür laufen seit Mai im ganzen Land lokale Konferenzen, an denen Akteure der Stadtgesellschaft über nachhaltige Kooperationsmöglichkeiten diskutieren.

Auf der bundesweiten samo.fa Konferenz mit Projektpartnern und Vertreter*innen aus Stadt-, Landes- und Bundespolitik und Zivilgesellschaft am 14./15. September in München wird Bilanz
gezogen: Wie kann die erfolgreiche Arbeit der Migrantenorganisationen vor Ort weitergeführt werden?

Ansprechpartner Köln: Solibund e.V.

Yvonne Niggemeier unter 0163 21 80 958 und Julia Wellmann unter 0176 647 776 28

Hier gibt es Projektergebnisse.

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Mehr Informationen über den Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. unter:
www.bv-nemo.de

Pressekontakt: 0231 286 78 754 oder 030 56820303, presse@bv-nemo.de

Pressemitteilung: Geflüchtete: Noch nicht wirklich im neuen Alltag angekommen 1

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Geflüchtete: Noch nicht wirklich im neuen Alltag angekommen – 1

Bundesweites Netzwerk macht auf Integrationshürden aufmerksam

Dortmund, 26. Juli 2018. Drei Jahre nach dem „Flüchtlingssommer“ 2015 zeigt sich: Der Weg der Geflüchteten, die hierbleiben, in ihren neuen Alltag ist lang und schwierig. „Dies gerät angesichts der aufgeheizten öffentlichen Diskussion leicht aus dem Blick – mit Risiken für die Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt“, sagt Dr. Wilfried Kruse aus dem Leitungsteam des im dritten Jahr laufenden Projekts samo.fa (Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit) des Bundesverbandes Netzwerke von Migrantenorganisationen (BV NeMO e.V.) Der Bedarf dieser Menschen mit Fluchtgeschichte an zugewandter Beratung und Begleitung ist sogar gestiegen, zeigen die Erfahrungen aus den bundesweit 32 Städten, in denen samo.fa das Engagement Ehrenamtlicher aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit unterstützt. „Gleichzeitig steigt auch das Risiko zunehmender Frustration“, sagt der Dortmunder Sozialforscher Kruse. „Denn der Prozess des Ankommens ist noch lange nicht abgeschlossen.“

Eine der größten Barrieren für das wirkliche Ankommen Geflüchteter in der deutschen Gesellschaft sieht auch das bundesweite samo.fa -Netzwerk im angespannten Wohnungsmarkt. „Hier gibt es keine Aussicht auf schnelle Lösungen“, sagt Dr. Wilfried Kruse. Auch auf dem Arbeitsmarkt sind die wenigsten schon angekommen, jedenfalls, wenn es um stabile legale Beschäftigung mit ausreichender Bezahlung geht. Schwierigkeiten bereiten zudem weiterhin die Zugänge zum Gesundheits- und Bildungssystem, zeigt die Projektauswertung. Und: Überall berichten in der Flüchtlingsarbeit Aktive von Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen in einem insgesamt schwieriger werdendem gesellschaftlichen Klima. Auch leben viele Geflüchtete – trotz bereits längerem Aufenthalt in Deutschland – mit unsicherem Aufenthaltsstatus und der Ungewissheit, wann und ob ihre Familienangehörigen nachkommen werden. „Existenzielle Unsicherheiten bestimmen das Leben vieler Geflüchteter“, sagt Kruse. „Es bestehen erhebliche Risiken, auf dem Weg in den Alltag zu scheitern und in einer prekären Lebenslage zu bleiben.“

Migrantenorganisationen und ihre aktiven Ehrenamtlichen übernehmen in den samo.fa-Projekten vor Ort eine Lotsenfunktion beim Ankommen in der Stadtgesellschaft und beim Abfedern von Risiken – in enger Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und mit den Kommunen. Das Besondere: Samo.fa wird von Migrantenorganisationen getragen und umgesetzt. Deutschlandweit beteiligen sich mehr als 500 migrantische Vereine und Initiativen in 32 Städten am Projekt, das seit 2016 vom Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. durchgeführt und von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gefördert wird. Seitdem haben sich vor Ort Aktive aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit miteinander und mit anderen Akteuren aus ihrer Kommune vernetzt und Migrantenorganisationen zu Verbünden zusammengeschlossen. Ihre Veranstaltungen und Angebote nutzten allein in 2017 mehr als 100.000 Menschen. Durch ihre eigenen Migrationserfahrungen und interkulturellen Kompetenzen konnten und können diese Ehrenamtlichen die Neuangekommenen beim langen Weg in den Alltag besonders einfühlsam und qualifiziert begleiten – so die Kernidee von samo.fa. Das Grundprinzip: Die Migrantenorganisationen arbeiten herkunftsübergreifend miteinander, vernetzen ihre unterschiedlichen Fähigkeiten und Angebote für das gemeinsame Anliegen: Dort, wo sie selbst leben und wohin nun neue Geflüchtete gekommen sind, wollen sie dazu beitragen, die Lebensverhältnisse der Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte zu verbessern und sie „auf Augenhöhe“ mitgestalten. „Würde das Engagement von Aktiven aus Migrantenorganisationen in der nächsten Zeit stark zurückgehen, hätte dies negative Auswirkungen für Integration und Teilhabe der Geflüchteten auf ihrem langen Weg in einen normalen neuen Alltag“, sagt auch Dr. Ümit Koşan, Vorsitzender des BV NeMOs und Teil des dreiköpfigen samo.fa-Leitungsteams. „Ziel des laufenden dritten Projektjahres ist es vor allem, die Unterstützung nahe beim Alltagsleben der Menschen mit Fluchtgeschichte stabil zu machen und eine langfristige Verankerung und die Anerkennung der Rolle der Migrantenorganisationen in der lokalen Flüchtlings-arbeit zu erreichen. Dafür laufen seit Mai im ganzen Land lokale Konferenzen, an denen Akteure der Stadtgesellschaft über nachhaltige Kooperationsmöglichkeiten diskutieren.

Auf der bundesweiten samo.fa Konferenz mit Projektpartnern und Vertreter*innen aus Stadt-, Landes- und Bundespolitik und Zivilgesellschaft am 14./15. September in München wird Bilanz gezogen: Wie kann die erfolgreiche Arbeit der Migrantenorganisationen vor Ort weitergeführt werden?

Hier gibt es Projektergebnisse.

Die Pressemitteilung als PDF downloaden.

 

Mehr Informationen über den Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. unter: www.bv-nemo.de
Pressekontakt: 0231-286 78 754, presse@bv-nemo.de

“Gemeinsam im Alltag” in Heilbronn

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Heilbronner Migrantenorganisationen engagieren sich für und mit Geflüchteten. Dieses Engagement unterstützt seit 2016 das bundesweite Projekt samo.fa (Stärkung von Aktiven aus Migrantenorganisationen). Der Ende 2017 gegründete Dachverband von Heilbronner Migrantenorganisationen – das Netzwerk der Kulturen Heilbronn e.V. – verstärkt und unterstützt weiterhin Vereine in ihrem Handeln. Um die Zusammenarbeit zu erhöhen, kam der Impuls seitens samo.fas, eine lokale Konferenz unter dem Motto „Gemeinsam im Alltag” zu veranstalten, wie gerufen.

Mit den beiden Fragen im Hintergrund: „Wie sieht das Engagement von Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit 2019 aus?“ zum einen und „welche Kooperations- und Unterstützungsmöglichkeiten bestehen seitens der kommunalen Akteure?“ zum anderen, gab es ein buntes Potpourri von vier Impulsvorträgen und Plenums-Diskussionen, die eines gezeigt haben: Heilbronns Migrantenorganisationen werden sehr wohl von den politischen Akteuren wahrgenommen und sollten ihre Anstrengung aufrecht erhalten, sich noch besser zu vernetzen.

Dabei geht es zumindest in Heilbronn darum, mit der Arbeitsgemeinschaft Flüchtlingsarbeit näher zu rücken, um einzelne Projekte mit den Vereinen herauszuarbeiten und umzusetzen und das geschaffene Netzwerk der Stabsstelle Partizipation und Integration noch stärker zu nutzen. Alle Teilnehmer der Konferenz haben sich für die Teilnahme an der Bundesgartenschau ausgesprochen und hoffen für die Zukunft, dass das bisherige hohe Engagement auch zukünftig redaktionellen Anklang in den lokalen und überregionalen Medien findet.

Alles in allem war es eine intensive Konferenz, deren Früchte schon absehbar sind.

(v. links n. rechts): Abraham Halle (eritreischer Verein), Shamim Sattar (dt. -Indischer Verein Bharatiya), Sibylle Schmidt (dt. -afrikanischer Verein) Dr. Bora Tuncer (Turkish Round Table Club), Sam Abdoulaye (dt. -afrikanischer Verein), Roswitha Keicher (Stabsstelle Partiziption & Integration), Martin Melke (Suryoye Kirchhausen), Sonia Baptista-Fleckenstein (Beija-Flor-Brasil), Ruth Kafitz (Netzwerk der Kulturen), Tülay Güner (adis e. V.), Kathrin Lehel (Caritas – ARGE Flüchtlingsarbeit), Beatrix Butto (samo.fa) Anja Lobmeier (AWO – ARGE Flüchtlingsarbeit), Panos Pantaliokas (Griechische Gemeinde), Fikri Melke (Suryoye Kirchhausen), Zeki Oztas (Suryoye Kirchhausen)

Flüchtlingsarbeit am Scheideweg. Bundesnetzwerktreffen am 27. Juni 2018 in Dortmund

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Zentrales Thema beim Sondertreffen des samo.fa-Netzwerkes am 27. Juni 2018 im Haus der Vielfalt der Vielfalt in Dortmund war die nachhaltige Verankerung der Arbeit mit Geflüchteten vor Ort: Wie können die Angebote auch nach 2018 weitergehen? Auf welchen strukturellen Ebenen lassen sich Kooperationen aushandeln und wie können andere Akteure angesprochen und von Kooperationen überzeugt werden – in einem sich veränderndem gesellschaftlichen und politischen Klima? „Auch kleine Finanzierungen von Kommunen und anderen Trägern sind dabei wichtig“, betonte Dr. Wilfried Kruse vom Projektleitungsteam. „Sie bedeuten neben dem Fortbestand eines Puzzlestückes im Angebot, dass Migrantenorganisationen als Player wahrgenommen werden und ihre Stimme in der Stadt ein Gewicht hat.“

Best Practice Beispiele von Kooperationen der lokalen Projekte der verschiedenen Städte werden auf der bundesweiten Konferenz am 14./15. September in München vorgestellt. Deren Abläufe waren auch ein weiteres wichtiges Thema des Arbeitstreffens. Eine Checkliste zur nachhaltigen Verankerung vor Ort und eine Analyse der künftigen Herausforderungen in der Arbeit mit und für Menschen mit Fluchtgeschichte stehen ab sofort im internen Bereich zur Verfügung. Auch Beispiele für getroffene schriftliche Vereinbarungen und erfolgreiche Projektanträge werden hier ab sofort regelmäßig aktuell eingestellt – um die Erfahrungen der anderen Netzwerkpartner erfolgreich füreinander nutzen zu können.

Übersicht zum Weltflüchtlingstag 2018

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Am 20. Juni findet der Weltflüchtlingstag statt. Zahlreiche Partner des samo.fa-Projekts nehmen diesen Tag zum Anlass, auf die Lage der Geflüchteten in Deutschland hinzuweisen und den Menschen das Thema “Flucht” näher zu bringen. Aber es soll auch auf die Stärke und Entschlossenheit der Menschen aufmerksam gemacht werden, die ihre Heimat verlassen mussten und jetzt in einem neuen Land ankommen.

Zum Programm gehört die lokale Konferenz der Reihe “Gemeinsam im Alltag” in Hoyerswerda, bei der Ehrenamtlich Aktive und Geflüchtete mit Akteuren der Stadt ins Gespräch kommen.

In München veranstaltet der lokale samo.fa Partner MORGEN e.V. zudem eine Party unter dem Motto “Prost- Heimat”.

Interessant ist auch die Radiosendung des Partners Brücke der Kulturen Hildesheim e.V., die zusammen mit dem Arbeitskreis Ehrenamtskoordinierung der Flüchtlingsarbeit (u.a. anderem bestehend aus Vertreter*innen der Stadt Hildesheim, des Landkreises Hildesheim, Caritas, des Diakonischen Werks und den Johannitern) aufgenommen wurde. Thema sind dringende Anliegen von Geflüchteten und Ehrenamtlichen in Hildesheim.

Die Sendung wird um 13:00 Uhr auf dem lokalen Radiosender Radio Tonkuhle 105,3 ausgestrahlt und ist einer von vielen unterschiedlichen Programmpunkten zum Thementag des Projektes Refugee Radio Hildesheim (die Sendung kann auch im Livestream verfolgt werden).

In Witten beteiligt samo.fa sich an einer Großausstellung am Berliner Platz. Dort stellen verschiedene Künstler ihre Werke zum Thema “Flucht” aus. Zahlreiche Geschäfte dienen an diesem Nachmittag daher als Galerie, statt schoppen kann eindringliche Kunst betrachtet werden.

Zudem findet ein Gesprächskreis in Freiburg statt sowie ein Netzwerktreffen für geflüchtete Frauen im Haus der Vielfalt in Dortmund.

Hasan und die Enkel im neuen Dresdener Weltclub

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Seit dem 5. Mai läuft im Dresdner Weltclub die Wanderausstellung „Hasan und die Enkel“ – erweitert um Themen und Dokumente der Dresdener Migration wie die der Vertragsarbeiter in der DDR. Mit der Ausstellung wurde zugleich der Weltclub eröffnet: Das neue Gebäude des samo.fa-Partners Afropa e.V., das ab sofort ein Ort der Begegnung und der Flüchtlingsarbeit im Stadtteil ist. Gleichzeitig ist der Weltclub der Beginn eines neuen lokalen Verbundes von Migrantenorganisationen aus Dresden. „Wir fordern den Plural von Heimat“, diese Forderung hatten bei der Konzeption Jugendliche aus Dortmund in die Ausstellung eingebracht. Das griff bei der Vernissage auch Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch auf: „Mit Heimat ist es genau wie mit Identitäten: davon gibt es viele“, sagte Klepsch, die hofft, dass die Ausstellung und der Weltclub alle Dresdener Bürger verbinden wird. Fragen zu Heimat, Identität und Zusammenleben wirft die vom Dortmunder Arbeitssoziologen und wissenschaftlichen samo.fa-Leiter Dr. Wilfried Kruse in 2015 initiierte mehrstufige Ausstellung an vielen Stellen auf – und lässt verschiedene Generationen die Antworten geben.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 1. Juli 2018 im Weltclub in Dresden-Neustadt, Königsbrücker Str. 13. Jeden Samstag findet eine Begleitveranstaltung zu Themen der Dresdener Migration statt.

Öffnungszeiten: Montag und Donnerstag von 10:00 bis 16:00 Uhr, Mittwoch und Freitag von 10:00 bis 21:00 Uhr, Samstag von 12:00 bis 16:00 Uhr und Sonntag von 14:00 bis 17:00 Uhr. An jedem Samstag: 19:00 bis 21:00 Uhr Veranstaltung und ab ca. 21:00 Uhr interkulturelle Musik-und Tanznacht.

Ein Pressespiegel zur Veranstaltung gibt es hier zum Download. 

Bundesnetzwerktreffen Dresden : Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit

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Unterstützung, die nah bei den Menschen ist, aber keine Bevormundung. Das brauchen Geflüchtete in 2018 – und werden es auch noch einige Jahre lang brauchen. Denn: „Das Risiko des Scheiterns auf dem Weg in die Normalität ist groß“, betonte Dr. Wilfried Kruse auf dem 2. Bundesnetzwerktreffen in Dresden (3.5.-4.5) – bei dem die Nachhaltigkeit des Projekts und vor allem die des Engagements in der Flüchtlingsarbeit im Zentrum stand. Wie können Migrantenorganisationen ihre Strukturen und ihre Arbeit so stabil in der Stadtgesellschaft verankern, dass Angebote bleiben und Migrantenorganisationen Politik vor Ort auf Augenhöhe mitgestalten? „Das kollektive Gedächtnis von Flucht und Migration ist ein Alleinstellungsmerkmal von Migrantenorganisationen“, sagte Kruse. „Es kann jetzt eine Phase beginnen, in denen Migrantenorganisationen die entscheidende Rolle bei der Integration in der Stadtgesellschaft spielen.“ Die detaillierte Auswertung der Städtedossiers steht hier.

Der Weg dahin hat für die Koordinator*innen aus den 32 Städten schon begonnen: Mit kommunalen Gesprächen, deren Ziel es ist, in Bielefeld eine Dienstleistungsstelle aufzubauen. Von der aus wollen Migrantenorganisationen in Bielefeld ihre Arbeit mit Geflüchteten künftig vernetzen und koordinieren. Oder mit der strukturellen Förderung der Landeshauptstadt Dresden, aus der beim samo.fa-Partner und Gastgeber Afropa e.V. mit dem Weltclub ein Ort für Beratung, Kultur und Vierteltreffpunkt eröffnet wurde – und gleichzeitig ein Verbund mehrerer Dresdener Migrantenvereine entstanden ist. Wie und womit Partner vor Ort die verschiedenen Zielgruppen Oberbürgermeister und kommunale Integrationsbeauftragte oder Akteure auf Landesebene ansprechen können, war intensiv diskutiertes Thema der drei Arbeitsgruppen. Die detaillierten Ergebnisse der Arbeitsgruppen stehen bald zum Download im internen Bereich.

 

Wissenkompakt bestimmte den zweiten Tag des Treffens. In zwei Blöcken diskutierten die Koordinator*innen nach kurzen Inputs mit Expert*innen über Themen und Fragen, mit denen sie in ihrer täglichen Arbeit zu tun haben: Asylgesetzgebung und Asylpolitik mit Dr. Sascha Krannich vom Forschungskolleg Siegen, den Umgang mit Rechtspopulismus und Rassismus mit Politikwissenschaftler Dr. Christian Demuth und die Frage, ob Islamische Gemeinden Partner oder Konkurrenten in der Flüchtlingsarbeit sind. Komplexe Fragen, für die es keine Standardantworten geben kann. Zum Beispiel beim Umgang mit Rechtspopulisten, der in vielen Städten großes Thema ist. „Wird der Zusammenhalt aller demokratischen Akteure für Toleranz und Vielfalt betont, nutzen Rechtspopulisten das, um sich als revolutionäre Alternative und Systemopfer zu inszenieren“, sagte Christian Demuth, der in Dresden den Verein Bürger.Courage gegründet hat. Er rät, bei der Argumentation gegen Rechtspopulismus auch andere Perspektiven als die linksliberale und weltoffene zu wählen. Statt auf den Wert Toleranz an sich zu verweisen, sollte in Diskussionen auf die schädliche Auswirkung von Rechtspopulismus beim Zusammenleben in der Nachbarschaft hingewiesen werden oder auf einen gemeinsamen Nenner wie: „alle sollen sich an die Regeln halten“.

Im zweiten Block ging es um Vielfalt im urbanen Alltag, Arbeitsmarktintegration und diskriminierungsfreien Umgang mit Wertekonflikten. Über die Konzepte, Strukturen und Rahmenbedingungen in der Landesflüchtlingspolitik berichteten Andreas Germershausen (Integrationsbeauftragter des Berliner Senats) und Sebastian Vogel (Leiter des Geschäftsbereiches der sächsischen Staatsministerin für Gleichstellung und Integration).

Im letzten Plenum ging es um Erinnerungsorte und gemeinsame Erzählungen und die Frage, wozu Ausstellungen zur Einwanderungen so wichtig sind – Ausstellungen wie „Hasan und die Enkel“, die mit der Eröffnung des Weltclubs in Dresden startete.

samo.fa WissenKompakt: neue Veranstaltungs- und Fortbildungsreihe

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Asylpolitik und Arbeitsmarktintegration, aber auch der Umgang mit Rechtspopulismus und Vielfalt im Alltag stehen im Fokus der neuen Veranstaltungsreihe „samo.fa-Wissenkompakt“. Am 4. Mai kommen hierfür die lokalen samo.fa Partner und Vorstände aus mittlerweile 32 Partnerstädten mit Expert*innen aus dem migrationspolitischen Kontext in Dresden zusammen.

In zwei Blöcken findet in parallelen Arbeitsgruppen ein intensiver Austausch statt, der immer durch einen Inputbeitrag eines Experten eingeleitet wird. Gerahmt und thematisch ergänzt werden die Arbeitsgruppen-Blöcke durch Plenarsitzungen, an denen alle Gäste teilnehmen können. Am Ende des Tages steht ein gemeinsamer Besuch der Ausstellung „Hasan und die Enkel oder: Zusammenleben in Dresden“ auf der Tagesordnung.

Download des kompletten Programms hier.

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Zur Veranstaltung werden kommen:  

Kemal Bozay, Prof. Dr., Fachhochschule Dortmund und Universität Köln, (Mit-) Autor von Studien und Büchern zu „Migration und Bildung“ und zu Diskriminierung und Rassismus, u.a.  gemeinsam mit anderen der Sammelband Die haben gedacht, wir waren das. MigrantInnen über Rassismus und rechte Gewalt (2016)

Wolf-Dietrich Bukow, Prof. Dr., Universität Siegen, Professor am Forschungskolleg Siegen „Zukunft menschlich gestalten“, Forschungsschwerpunkte u.a. Diversität und städtische Räume, zahlreiche Veröffentlichungen, u.a.: (Zusammen mit Melanie Behrens, Karin Cudak, Christoph Strünck) Inclusive City – Überlegungen zum Verhältnis von Mobilität und Diversität zur Stadtgesellschaft. Wiesbaden 2015

Christian Demuth, Dr.  Politikwissenschaftler, Vorsitzender des Herbert-Wehner-Bildungswerks Dresden und Vorsitzender des Vereins Bürger.Courage Dresden

Daniela Di Pinto und Sebastian Miksch sind Studierende der TU Dresden und haben an der von Swen Steinberg initiierten Wanderausstellung „Kommen Gehen Bleiben: Migrationsgeschichte(n) aus Sachsen“ mitgearbeitet.

Andreas Germershausen, Integrationsbeauftragter des Berliner Senats

Matthias Knuth, Prof. Dr. Universität Duisburg-Essen, bis 2011 Forschungsdirektor am dortigen IAT Institut Arbeit und Qualifikation; Forschungs- und Beratungsschwerpunkte sind Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen als WISO-Diskurs 21/2016Juni 2011 Leiter der Forschungsabteilung „Arbeitsmarkt-Integration – Mobilität“ im Institut Arbeit und Qualifikation

Sascha Krannich, Dr., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungskolleg Siegen, Schwerpunkt Migrationsforschung, Veröffentlichung u.a. 2013: Migrations- und Integrationspolitik im europäischen Vergleich. Einführung in das Buch [Migration and Integration Policies in an European Comparison], in: Migrations- und Integrationspolitik im europäischen Vergleich. Jahrbuch Migration 2012/2013, edited by Uwe Hunger, Roswitha Pioch, and Stefan Rother, Münster: LIT Verlag, 9-16 (with Uwe Hunger, Roswitha Pioch, Stefan Rother and Philipp Karl).

Natalia Loinaz, aktiv bei Inssan e.V. Berlin; Inssan setzt sich für die gleichberechtigte Teilhabe der muslimischen Communities ein. Die Informationswissenschaftlerin Natalia Loinaz ist Projektleiterin des Projektes Wegweiser: Mentor_innen für Flüchtlinge und organisiert das Netzwerktreffen muslimischer Akteure in der Sozialen Arbeit. Sie ist Trainerin für Diversity, Antidiskriminierung und Organisationsentwicklung.

Hermann Nehls, langjähriger DGB-Mitarbeiter im Bereich Berufliche Bildung und Weiterbildung, Sozialattaché an der Deutschen Botschaft in Washington, jetzt als Referent im Bereich Migrations- und Antirassismuspolitik beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds

als integralen Teil der Gesellschaft in Deutschland.ch seit Jahren für die gleichberechtigte Teilhabe

Rainer Ohliger, Historiker und Sozialwissenschaftler. Hauptforschungs- und Interessengebiete sind historische und internationale Migration, interethnische Beziehungen sowie Geschichte und Gedächtnis in der Einwanderungsgesellschaft, Vorstand von „Netzwerk Migration in Europa e.V.“, zahlreiche Veröffentlichungen

Düzgün Polat, interkultureller Trainer / Interkulturelle Öffnung / Diversity Management
Tür an Tür Integrationsprojekte gGmbH Augsburg

Swen Steinberg, Dr., lehrt und forscht im Fachbereich Geschichte der TU Dresden, von 2014 bis 2016 war er mit einem DFG-Forschungsstipendium an der University of California in Los Angeles, Mitarbeit im Netzwerk Flüchtlingsforschung, aktuell präsentiert er zusammen mit acht Studierenden in Dresden eine Wanderausstallung „Kommen Gehen Bleiben: Migrationsgeschichte(n) aus Sachsen“

Migrantenorganisationen aus Friedrichshafen für Frauen – Das INTERKULTURELLE FRAUENPROGRAMM 2018 beginnt

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HÄFLER Migrantenorganisationen für FRAUEN – Das INTERKULTURELLE FRAUENPROGRAMM 2018 beginnt

Friedrichshafen – Vier „Häfler“ Migrantenorganisationen veranstalten in Kooperation mit dem Projekt samo.fa des CJD Friedrichshafen von April bis Juli 2018 zehn interkulturelle Veranstaltungen für Frauen. Für den Herbst 2018 ist bereits eine Fortsetzung geplant.
In Friedrichshafen leben fast 30 000 Frauen. Diese Frauen sprechen verschiedene Sprachen und stammen aus verschiedenen Kulturen. Es sind Frauen, die verschiedene Leben führen, vielleicht verschiedene Vorlieben besitzen, sicher auch unterschiedliche Erfahrungen gesammelt haben und vielleicht auch verschiedene Ziele verfolgen. In zwei Punkten sind sich diese Frauen jedoch alle gleich. Sie sind Frauen, die in Friedrichshafen leben. Dabei spielt es in erster Linie keine Rolle, ob diese Frauen in Friedrichshafen geboren oder vielleicht erst vor Kurzem aus privaten oder beruflichen Gründen nach Friedrichshafen gekommen sind.
Gerade wenn Frauen erst kürzlich nach Friedrichshafen gekommen sind und sprachliche oder kulturelle Hintergründe den Zugang zur Öffentlichkeit erschweren, können Migrantenorganisationen als Netzwerk und Bindeglied integrative Arbeit leisten. Mit den kostenlosen Frauenprojekten möchten der Bildungshafen e.V., DITIB e.V., InDiBo e.V. und der interkulturelle Frauenarbeitskreis GEA e.V. ihren Beitrag dazu leisten. Das Projekt „Unter Frauen“ soll gezielt Frauen eine Plattform für gegenseitiges Kennenlernen und Austausch geben, unabhängig von Herkunft, Konfession und Sprache. Das Frauenprogramm ist ein Mix aus Workshops, Vorträgen und netten Gesprächen „Unter Frauen“. Ein Projekt, das auch von der Frauenbeauftragten der Stadt Friedrichshafen unterstützt wird.
Im Rahmen des Programms findet am Donnerstag, dem 26. April 2018 ab 19 Uhr im Theater „Atrium“, in der Caserne Fallenbrunnen, eine Lesung mit der Bestsellerautorin und Journalistin Alexandra Cavelius statt. Sie liest aus ihrem Buch „Ich bleibe eine Tochter des Lichtes“. Eine erschütternde Geschichte von Shirin, einer jungen Jesidin, welche von Terroristen des „IS“ verschleppt, als „Braut“ verkauft und als Sexsklavin gehalten wurde, bis ihr die Flucht gelang. Dies ist die einzige der zehn Veranstaltungen, welche auch für das männliche Publikum geöffnet ist.
Anmeldungen für einzelne Programmtermine nehmen die teilnehmenden Migrantenorganisationen direkt entgegen.

Das gesamte Programm gibt es hier als Download.

Die Pressemitteilung gibt es hier als Download.

Kontinuität und Stabilität in der lokalen Flüchtlingsarbeit – Migrantenorganisationen als zentrale Begleiter in den neuen schwierigen Alltag

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Zur Entwicklung der lokalen Flüchtlingsarbeit und der Rolle von Migrantenorganisationen im Rahmen von samo.fa – ein Rückblick

Dr. Wilfried Kruse, Dr. Ümit Koşan, Ismail Köylüoglu (samo.fa-Projektleitung), Stand 26.3.2018

In 2017 hat sich nicht nur die Lage der Geflüchteten verändert, sondern auch die Rolle von Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit vor Ort. Die Auswertung des Projektjahres 2017 fasst die Herausforderungen in den 30 samo.fa-Städten zusammen, gibt einen Überblick über die im Projekt aufgebauten Strukturen und Kooperationen und ordnet sie in den migrationspolitischen lokalen und überregionalen Kontext von Stadtgesellschaften ein, die im dritten Jahr – nach dem Flüchtlingssommer 2015 – neue Bedürfnisse haben.

Grundlage der Analyse sind die schriftlichen Dokumentationen – die so genannten Städtedossiers – der lokalen Partner und vor Ort-Besuche. Die Ergebnisse geben ein umfassendes Bild über die Arbeit mit Geflüchteten in Deutschland und die Rolle von Migrantenorganisationen. samo.fa ist nicht gleichmäßig über alle Bundesländer verteilt. Zudem ist davon auszugehen, dass die politische Mitbestimmung von Migrantenorganisationen in samo.fa-Städten ausgeprägter ist, weil auf dieses Ziel hingearbeitet wurde.

1. Die Situation Geflüchteter und die Herausforderungen im dritten Jahr des samo.fa-Projekts¹

Die Lage der Geflüchteten² ist Ende 2017 ganz deutlich durch die bereits lange andauernde Aufenthaltszeit geprägt. Für viele von ihnen ist der Eintritt in einen Alltag und seine Normalisierung noch durch diverse Umstände behindert und erschwert.Hierzu zählen insbesondere ein ungesicherter Aufenthaltsstatus bzw. eine drohende Abschiebung und die Unsicherheiten, was den Familiennachzug betrifft. In dem Maße, wie samo.fa in den Communities als eine Stelle bekannt geworden ist, der man Vertrauen schenken und von der man Unterstützung erwarten kann – was vielfach über „Mund-zu-Mund“-Kommunikation verläuft und von den jeweiligen sprachlichen Verständigungsmöglichkeiten abhängig ist – , werden die mit diesen Unsicherheiten verbundenen Belastungen immer deutlicher zum Ausdruck gebracht. Der Bedarf an stabiler, zugewandter Beratung und Begleitung steigt, aber auch das Risiko zunehmender Frustration.

Die Situation auf dem Wohnungsmarkt

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum bzw. der Wohnungsmarkt bedeuten nahezu durchgehend die aktuell größte Barriere in Hinblick auf die Normalisierung des Alltags, oftmals ohne Aussicht auf rasche Lösungen. Insbesondere in den Großstädten ist die Lage dramatisch und führt oftmals dazu, dass der Aufenthalt in den Übergangseinrichtungen verlängert wird oder ein Umzug in andere Gruppenunterkünfte erfolgt. Der Übergang in Wohnungen ist zur einen Seite hin ein wichtiger Schritt zur eigenständigen Lebensführung, birgt aber mindestens zwei Risiken: Zum einen findet sich bezahlbarer Wohnraum oftmals nur in prekären Wohnlagen, zum anderen droht mit dem Übergang in Wohnungen auch Vereinzelung und soziale Isolierung. Als Folge wächst das Erfordernis an stadteilbezogener Arbeit. Genau damit werden Migrantenorganisationen als Ort von gemeinschaftlicher Zugehörigkeit und heimisch Werden immer wichtiger. Aus allen Städten berichten Projektverantwortliche, dass das Bedürfnis nach sicheren Begegnungsräumen stark ansteigt.

Grundsätzlich geht es dabei nicht nur darum, über sichere Begegnungsräume verfügen zu können, sondern auch verlässliche Zeitstrukturen zu etablieren – also Treffpunkte und Beratungsangebote im wöchentlichen Turnus immer zu denselben Zeiten etc. Verlässliche Raum- und Zeitstrukturen bieten in einem Leben, das von den Herausforderungen eines neuen Alltags und vielen, oftmals sehr existentiellen Unsicherheiten geprägt ist, eine Art „Orientierungsrahmen“. Dieser muss aufrechterhalten werden, was erhebliche logistische Disziplin und Ressourcen erfordert.

Geflüchtete Frauen sind an vielen samo.fa-Orten zu einer wichtigen Zielgruppe geworden, mit denen – z.T. gemeinsam mit dem MUT-Projekt der Migrantinnenorganisation DaMigra – gearbeitet wird. Frauen sind – so die durchgehende Beobachtung – in besonders starker Weise in ihrem Radius auf die Wohnräume beschränkt. Um ihnen Gelegenheit zu geben, sich in der neuen Umgebung sicherer zu fühlen und auch außerhalb des Wohnbereichs aktiv am Leben teilzuhaben, sind sichere Begegnungsorte und eine verständnisvolle aber auch professionelle Begleitung erforderlich, was dies zu einem wichtigen Feld von weiblichen Aktiven aus Migrantenorganisationen macht. Nur eine solche Einbettung macht es möglich, auch über Gewalterfahrungen und weibliches Selbstverständnis zu sprechen. Die besondere Verletzlichkeit der Frauen, aber auch ihre solidarische Stärke sind durchgehend Thema in 2017.

Zugang zum Gesundheitssystem

In diesem Zusammenhang wird der Zugang zum Gesundheitssystem, der insgesamt mit vielen bürokratischen Hindernissen und sozial-psychologischen Barrieren belastet ist, besonders kritisch. Kulturelle Unterschiede im Umgang mit Krankheit und sprachliche Barrieren erschweren besonders für neuzugewanderte Frauen die selbstverständliche Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten. Auch diese Problematik wird standortübergreifend thematisiert: Einige samo.fa-Projekte haben darauf mit dem Konzept Gesundheitsmittler*in geantwortet: Eine Sonderform von Sprachmittler*innen, die aus den migrantischen Communities kommen und deren Einsatz im Alltag auf längere Zeit nicht entbehrlich sein wird. Traumabewältigung, die man auch als einen längerdauernden Prozess mit der Möglichkeit von Rückschlägen verstehen muss, gehört auch zu diesem Feld und befindet sich zugleich an einer sehr wichtigen und schwierigen Schnittstelle zwischen verständiger Alltagssolidarität und professioneller Hilfe.

Die besonderen Herausforderungen von Kindern und Jugendlichen

Von Beginn hatten die samo.fa-Partner vor Ort Kinder und Jugendliche, insbesondere auch Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, im Blick – mit einer Fülle von Aktivitäten, über Freizeit, Sport, bis zu sprachaktivierenden Kursen. Nahezu durchgehend wird nun die Beobachtung gemacht, dass es jenseits des – auch nicht immer gewährleisteten – Zugangs zu KiTas und normalem Schulunterricht bei vielen Kindern und jungen Leuten erhebliche Schwierigkeiten und Scheiter-Risiken gibt. Das Bildungssystem ist offenkundig nicht gut darauf vorbereitet und eingestellt, mit sehr heterogenen Kinder- und Schüler*innen-Gruppen fördernd umzugehen. Die Unterstützung, die vielfach vor Ort aufgebaut und betrieben wird, läuft im Grunde auf „Nachhilfe“ hinaus. Die ist keineswegs trivial weil, auch die Eltern in positiver Weise einbezogen werden müssen, um erfolgreich zu sein. In samo.fa mitarbeitende Migrantenorganisationen sind in diesem Feld an verschiedenen Orten aktiv und erproben auch neue Partnerschaften, z.B. mit Hochschulen, um „Mentor*innen“ zu gewinnen. Für die Älteren unter den jungen Leuten, von denen oft gesagt wird, dass sie „auf der Straße abhängen“, gilt im Übrigen auch, dass sie eigene und wenigstens in Teilen selbstverwaltete Räume benötigen.

Arbeitsmarkt

Diejenigen der 2015 Angekommen, deren Aufenthaltsstatus es zulässt, sind inzwischen dem Regelungsbereich des SGB II zugeordnet. Dennoch stehen sie dem Arbeitsmarkt zunächst zu einem erheblichen Teil noch nicht zur Verfügung, weil sie Deutsch- und Integrationskurse besuchen. Es ist zu erwarten, dass ihnen danach vor allem Beschäftigungen offenstehen, die vielfach prekäre Merkmale haben. Damit setzt sich die Instabilität ihrer Lebenslage fort. Durchgehend wird beobachtet, dass das Ausbleiben eigener Arbeitseinkünfte – nicht nur zu materiellen Schwierigkeiten und Glaubwürdigkeitsproblemen gegenüber den im Herkunftsland zurückgebliebenen Familien –, sondern auch zu einer erheblichen Beschädigung des Selbstwertgefühls führen kann – je länger, je dramatischer. Demgegenüber ist Arbeitsmarktzugang als Arbeitsfeld, das ohnehin nur kooperativ zusammen mit anderen Akteuren zu sehen ist, für die meisten samo.fa-Partner noch Neuland, das aber an Bedeutung in den nächsten Jahren erheblich gewinnen wird. Verknüpft mit dieser Frage ist die Anerkennung der vor der Flucht bereits erworbenen beruflichen Kompetenzen, ein leidiges Thema, dessen mangelhafte und zeit- und kraftraubende Regelung eine tatsächliche Barriere für positive Integration darstellt.

Berufsausbildung als Arbeitsmarktzugang wird öffentlich stark beworben, zumal viele Ausbildungsplätze nur schwer zu besetzen sind oder auch unbesetzt bleiben. Diesem öffentlich erzeugten Bild guter Ausbildungschancen auch für Jugendliche mit Fluchtgeschichte steht allerdings in der Realität eine erhebliche Zurückhaltung von Betrieben gegenüber. Auch hier können allerdings – wie samo.fa-Aktivitäten an verschiedenen Orten zeigen – Öffnungen erzielt werden, wenn sichergestellt wird, dass die jungen Leute auf ihrem Weg der beruflichen Ausbildung gut begleitet werden, insbesondere dann, wenn es Schwierigkeiten und Einbrüche bei den hohen, aber zumeist doch zerbrechlichen Motivationen gibt. Auch hier können als „Paten“ Menschen aus Migrantenorganisationen sehr hilfreich sein, weil sie – jungen Leuten wie Betrieben – überzeugend zeigen können, dass es sich lohnen kann durchzuhalten. Aber auch dies sind Begleitungen, die sich über die nächsten Jahre erstrecken.

Schließlich wird überall – aber besonders aus den ostdeutschen Städten – über Diskriminierungserfahrungen und Rassismus berichtet. In dem insgesamt schwieriger gewordenen gesellschaftlichen „Klima“ sind die Einzelnen oftmals hilflos. Ohnmachtsgefühle aber erschweren Integration. Auch hier sind es Migrantenorganisationen, die Rückhalt geben können.

¹ Zahlen zum Bestand der Geflüchteten vor Ort und zu ihrer Struktur und zur weiteren Zuwanderung finden sich in den Berichten und werden an anderer Stelle zusammengefasst. Hier geht es um eine qualitative Problemskizze.

² Zu einer Bestandsaufnahme haben auch die Ergebnisse der Arbeitsgruppen beim Bundesnetzwerktreffen in Halle im Herbst 2017 beitragen. Darauf wird an anderer Stelle eingegangen.

 

2. Kommunale Flüchtlingspolitik und Migrantenorganisationen

Zu beobachten ist, dass viele Städte nach 2016 ihre Flüchtlingsarbeit neu aufgestellt haben oder Ende 2017 dabei sind, dies zu tun. Durchgängige Ziele sind dabei eine höhere Effizienz des Verwaltungshandelns, auch durch Bündelung und verstärkte Querschnittskoordinierung und eine höhere Transparenz, was Mittel und Wirkungen betrifft. Teilweise ging es wohl auch darum, gegenüber einem Feld von Akteuren, das „naturwüchsig“ expandierte, faktische politische Entscheidungshoheit zu gewinnen und Aktivitäten in die als bewährt angesehene Arbeitsteilung zwischen Kommune und Wohlfahrtsverbänden zurückzuführen. Im Hintergrund ging und geht es auch darum, die städtischen Haushalte sukzessive von den Zusatzkosten, die die Flüchtlingsarbeit hervorruft, wieder zu entlasten.

Wie immer im Einzelnen die Entwicklung der kommunalen Flüchtlingsarbeit in der zurückliegenden Zeit zu bewerten ist: Die Notwendigkeit, die Zuweisung von Geflüchteten zu bewältigen, hat Kommunalverwaltung deutlich verändert und Kommunalpolitik zu neuen Herausforderungen geführt – mit welchen nachhaltigen Folgen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt unklar.

Auch die Landespolitik musste reagieren. Dies taten die verschiedenen Landesregierungen im Detail zwar auf unterschiedliche Weise, jedoch mit der Gemeinsamkeit, dass Förderprogramme aufgelegt wurden, aus denen Kommunen sich für die Flüchtlingsarbeit auch personell verstärken konnten. In der Regel finden also Ende 2017 die Akteure vor Ort – z.B. im Kontext von samo.fa – ihr kommunales Gegenüber zentraler, „sortierter“ und personell gestärkt aufgestellt. Ob dies eher als ein vorübergehendes „Projekt“ funktioniert, oder strukturell nachwirkt, ist aktuell nicht zu erkennen.

Was die Beteiligung von Migrantenorganisationen an der Gestaltung der lokalen Flüchtlingsarbeit betrifft, so ist sie durch die Bank deutlich stärker als 2015. Die Rede ist hier nicht von ihrem tätigen Engagement für die Geflüchteten. Hierin haben manche Migrantenorganisationen eine lange Tradition und andere sind seit 2015 darin aktiv, insbesondere dann auch durch Initiativen wie samo.fa und andere. Gemeint ist hier die Rolle von Migrantenorganisationen bei der Konzipierung, Planung und Koordinierung der lokalen Flüchtlingsarbeit, bei der Gestaltung der kommunalen Flüchtlingspolitik und im öffentlichen lokalen Diskurs über sie.

In allen Städten gibt es – je nach Landesrecht unterschiedliche – Gremien, die städtische Politik aus der Perspektive der Bürger*innen mit Migrationsgeschichte beraten sollen. Sie heißen z.B. Integrationsräte, Migrationsbeiräte oder auch noch Ausländerbeiräte. Diese waren seit 2015 mehr oder weniger intensiv mit der Flüchtlingsfrage befasst. Von ihnen gingen aber – soweit erkennbar – sehr selten gestaltende Impulse aus.

Impulse kamen aber von Migrantenorganisationen, die ganz explizit in der Flüchtlingsarbeit engagiert waren und sind, und insbesondere auch aus dem samo.fa-Kontext, weil Präsenz und Stimme auf der lokalen Ebene dort förderliche Rahmenbedingungen für die Teilhabe der Geflüchteten angesehen und angestrebt wurde.

Im Ergebnis ist Ende 2017 – also nach vergleichsweise kurzer Zeit – festzustellen: In vielen Städten mit samo.fa-Präsenz werden die Koordinator*innen bzw. die migrantischen Trägerorganisationen von samo.fa von der städtischen Seite kontaktiert, in Beratungen einbezogen, zum Teil für Planungsprozesse mit Mandaten versehen und vor allem im Rahmen lokaler Dialoge als Gesprächspartner ernstgenommen.

Oder anders ausgedrückt: Verbünde oder Zusammenschlüsse von Migrantenorganisationen, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, werden als Partner in der kommunalen Politik stärker anerkannt. Dies geschieht in unterschiedlichen Formen und nach wie vor wenig institutionalisiert, zuweilen auch nur punktuell; teilweise gibt es sogar Tendenzen zu einer Art „Rückbau“ der Zusammenarbeit (siehe oben). Mit der verstärkten Anerkennung der Migrantenorganisationen als Partner verbunden ist, dass ihre Stimme – als authentische Stimme aus dem Kreis der Menschen mit Migrationsgeschichte heraus – stärker im Interesse der Geflüchteten zur Geltung gebracht werden kann. Dass dies gelingt, ist auch an der wesentlich breiter gewordenen positiven Medienresonanz vor Ort erkennbar.

Drei wichtige „Hebel“, die – von samo.fa ausgehend – hier gewirkt haben, sind hervorzuheben: (1) die möglich gemachte Kontinuität des Engagements in der Flüchtlingsarbeit, (2) das zunehmende stabile Engagement einer größeren Zahl von Migrantenorganisationen und (3) die Initiierung öffentlicher Wahrnehmung und öffentlicher Diskurse durch Aktionstage, und Dialogkonferenzen und professionelle Öffentlichkeitsarbeit. Es ist also die Kombination aus Impulsen nach innen, in die Szene der Migrantenorganisationen hinaus, und nach außen, in die städtische Öffentlichkeit und zur kommunalen Politik, die das Bild deutlich zugunsten einer stärkeren Wahrnehmung der Lage und der Bedürfnisse und Interessen der Geflüchteten „vor Ort“ verändert haben.

In einer Reihe von Städteberichten wird auf eine neue Schieflage hingewiesen, die in ihren möglichen Folgen zu Besorgnis Anlass gibt: der erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber den Geflüchteten steht gegenüber, dass Menschen mit Migrationsgeschichte, die schon lange hier leben oder junge Leute aus Familien mit Migrationsgeschichte, die hier geboren und aufgewachsen sind, weiterhin erhebliche Benachteiligungen erfahren. Es sind erneut die Migrantenorganisationen in ihrem breiten Spektrum, die sich auch für diese Menschen anwaltlich stark machen. Im Idealfall fänden beide Anliegen und Perspektiven in gemeinsamen Verbünden von Migrantenorganisationen vor Ort arbeitsteilig & kooperativ Platz.

3. Überlastungskrise des spontanen ehrenamtlichen Engagements

In vielen Städten gibt es die Beobachtung, dass sich das 2015 entstehende breite bürgerschaftliche Engagement gegen Ende 2017 immer stärker in einer Art „Krise“ zeigt. Dies hat verschiedene Gründe:

Zum einen ist spontanes bürgerschaftliches Engagement meist anlassbezogen und punktuell. Dauert sein Grund über eine längere Zeit fort, dann erlahmen oftmals Motiv und vor allem auch Kraft. Außerdem werden die Anforderungen mit der Zeit – wie oben skizziert – auch komplizierter und immer häufiger muss auch mit Enttäuschung und Verbitterung umgegangen werden. Mit spontaner Dankbarkeit, wie am Anfang, kann nicht mehr ohne Weiteres gerechnet werden.

Die Anzahl derjenigen, die weitermachen, geht zurück und damit – ein weiterer Grund – nimmt die Belastung der Verbleibenden zu und geht teilweise in Überlastung über. Das Gefühl, als „Lückenbüßer“ für eigentlich erforderliche staatliche Leistungen zu wirken, nimmt zu.

Zwar gibt es nahezu überall Ehrenamtskoordinator*innen, Arbeitskreise und andere Gruppenformen für diejenigen, die sich engagieren, dennoch fehlt ihnen oftmals ein gemeinschaftlicher, organisatorisch abgesicherter Rahmen, der sie stabilisieren könnte. Dies ist bei jenen Aktiven, die in die Arbeitszusammenhänge von samo.fa und/oder in „ihren“ Migrantenorganisationen eingebunden sind, anders. Auch hier wird beobachtet: Der Kreis der Aktiven wächst nicht mehr, aber ihr Engagement wird kontinuierlicher und geregelter.

4. Entwicklung bei den Migrantenorganisationen

Für diesen Typ von naher und verständiger Flüchtlingsarbeit, um die es hier geht, sind miteinander lokal kooperierende Migrantenorganisationen das Rückgrat. Ihre Zusammenarbeit folgt dabei wichtigen Prinzipien: Nämlich aus eigener Erfahrung als Menschen mit Migrations- und/oder Fluchtgeschichte solidarisch zu handeln, herkunftsübergreifend miteinander tätig zu werden und das gemeinsame Anliegen zu haben, dort, wo man jetzt lebt und wohin die Geflüchteten nun gekommen sind, die Lebensverhältnisse der Menschen mit Migrationsgeschichte zu verbessern.

Das sind wichtige Unterscheidungsmerkmale auch gegenüber manchen anderen migrantisch geprägten Organisationen, die z.B. vor allem religiös ausgerichtet oder vor allem auf ihr Herkunftsland bezogen sind, oder die als eine Art „Lobby“ fast ausschließlich nur die besonderen Interessen einer bestimmten Gruppe vertreten.

Es ist aus den Städtedossiers, aber auch bei Besuchen vor Ort und auf gemeinsamen bundesweiten Treffen spürbar, dass mit diesem Ansatz, wenn er vor Ort gelebt wird, eine Art neuer „spirit“ in die teilweise schon stagnierenden lokalen Szenen der Migrantenorganisationen Einzug hält. Dieser Dynamik einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit öffnen sich vor allem auch kleinere Migrantenorganisationen, die bisher – gemessen an den großen und etablierten – eher „abseits“ gestanden haben, so dass nun die tatsächliche Vielfalt von Herkünften, kulturellen Besonderheiten und Migrationsgeschichten vor Ort besser zum Tragen kommt – ein wichtiger „Schub“ für mehr Teilhabe und einer höheren Identifikation mit dem neuen Zuhause.

In einer Reihe von Städten waren schon 2015 die lokalen Partner Verbünde von Migrantenorganisationen³ – auch aufgrund der Tatsache, dass deren Zusammenschluss, der Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. (BV NeMO), Träger von samo.fa ist. Ein erheblicher Startvorteil für das ambitionierte Vorhaben. Allerdings waren auch diese Verbünde 2015 ganz unterschiedlich aufgestellt. Auch für sie war die Umsetzung des Konzepts einer Kombination von konkreter Flüchtlingsarbeit, Förderung und Unterstützung von Aktiven und der Öffnung von Migrantenorganisationen für die Flüchtlingsarbeit eine Herausforderung. Aber eine wichtige positive Voraussetzung war bei ihnen schon durch eine eingespielte Form der Zusammenarbeit gegeben.

Dabei musste eine wichtige Bedingung stets berücksichtigt werden: nicht alle schon in den Verbünden mitarbeitenden Organisationen waren zu einem Engagement in der Flüchtlingsarbeit bereit und/oder in der Lage. Und – noch wichtiger: Alle Organisationen hatten, vor allem auf der Basis ehrenamtlichen Engagements – ihre jeweilige Palette von Aktivitäten ausgebildet, die sie für Flüchtlingsarbeit vielleicht ein wenig zurückstellen, aber nicht aufgeben wollten und wollen. Für Migrantenorganisationen ist Flüchtlingsarbeit – wenn überhaupt – immer nur eine unter mehreren für sie, ihr Profil und ihr Selbstverständnis wichtige Aktivität. Weil Flüchtlingsarbeit in diesem doppelten Sinn immer nur ein Ausschnitt der Aktivitäten von Migrantenorganisationen ist, entstanden an verschiedenen Orten Netzwerke oder Arbeitsgemeinschaften derjenigen Migrantenorganisationen, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind.

In manchen dieser in der Regel im samo.fa-Kontext entstandenen Netzwerke wurden 2017 Initiativen zur Bildung von lokalen Verbünden von Migrantenorganisationen⁴ ergriffen. An anderen Orten gibt es hierzu Diskussionen und Vorklärungen. Mit anderen Worten: Die Idee lokaler Verbünde von Migrantenorganisationen scheint attraktiv zu sein, weil sie verspricht, lokale zu einer deutlicher wahrnehmbaren Stimme zu gelangen. Eine fast logische Konsequenz ist ein engerer bundesweiter Zusammenschluss, dessen „Vorformen“, was das gemeinsame Engagement in der Flüchtlingsarbeit betrifft, die bundesweiten Netzwerktreffen und die Bundesdialogkonferenzen von samo.fa darstellen.

Allmählich gerät aber auch die wichtige Landesebene in den Blick. Aus vielen Städten wird berichtet, dass Geflüchtete selbst auf dem Weg sind, Vereine zu gründen. Diese Selbstorganisation von Geflüchteten findet im samo.fa-Kontext Unterstützung.

Schließlich zeigen die Städtedossiers auch: Viele beteiligte Organisationen sind traditionell auch in der durch Drittmittel geförderten Projektarbeit aktiv, andere haben dies erst – z.B. durch die Übernahme der Koordination von samo.fa – übernommen, bei weiteren besteht die Absicht, einen projektgeförderten Dienstleistungsbereich aufzubauen.

Damit tritt neben das zivilgesellschaftliche, ehrenamtliche Engagement verstärkt auch eine Aktivität professioneller Dienstleistung. Dadurch entstehen zusätzlich zum, bei samo.fa vordergründigen bürgerschaftlichen Engagement, vielfache Schnittstellen, aber auch Grauzonen. Für die Begleitung der Geflüchteten auf ihrem schwierigen Weg zu einem normalisierten Alltag bleiben die Aktiven – also jene, die sich neben ihrem eigenen Alltag ehrenamtlich engagieren – besonders wichtig. Es muss deshalb Vorkehr getroffen werden, dass sie nicht im Ergebnis des verstärkten Einsatzes von „Professionellen“ aus Projekten an den Rand gedrängt werden.

³ Lokale Verbünde als samo.fa-Träger, die 2015 schon Mitglied im BV NeMO waren: moveGlobal Berlin, Haus der Kulturen Braunschweig, vmdo Dortmund, VeMO Halle, MISO Hannover, Brücke der Kulturen Hildesheim, Haus der Kulturen Lübeck, MORGEN e.V. München, Raum der Kulturen Neuss, BIM Reutlingen und Forum der Kulturen Stuttgart.

⁴ Es gilt für Bielefeld, Düsseldorf, Heilbronn, Mönchengladbach.

5. Kontinuität und Stabilität durch samo.fa

Gegen Ende 2017 zeigt sich, dass samo.fa in den meisten Fällen erheblich dazu beigetragen hat, dass miteinander kooperierende Migrantenorganisationen ein Potenzial für Kontinuität und Stabilität in der lokalen Flüchtlingsarbeit geworden sind. Das gilt nicht für alle 30 Städte und es gilt auch nicht in gleicher Weise, dafür waren zum einen die Startbedingungen zu unterschiedlich, zum anderen ist es auch nicht an allen Orten „gleich gut gelaufen“. Über die unterschiedlichen Startbedingungen informiert der erste Zwischenbericht, der 2016 vorgelegt wurde. Es war absehbar, dass die von den Koordinator*innen übernommenen Aufgaben komplex und hinreichend schwierig sein würden. Um sie zu unterstützen, wurden Regionale Netzwerkbegleitungen etabliert, die nahe bei den Koordinator*innen agierten und in 2018 weiter agieren.

Dennoch kam es vor Ort teilweise zu größeren Schwierigkeiten. Die Gründe dafür sind unterschiedlich und zum Teil direkte Folge des „Kaltstarts“ 2016. Auch komplizierte Machtstrukturen der lokalen Ausgangslagen spielen eine Rolle, ebenso personelle Fehlentscheidungen und/oder personellen Wechsel. Einen vergleichsweise leichteren Start hatten diejenigen Koordinator*innen, deren Trägerorganisationen bereits gut im lokalen Geschehen verankert waren und/oder es gewohnt waren, in Verbundstrukturen zu arbeiten. Dies galt insbesondere für jene, die sich explizit schon zu Verbünden von Migrantenorganisationen zusammengeschlossen hatten, Mitglied des Bundesverbands NeMO sind oder sich auf dem Weg zu solchen engeren Zusammenschlüssen befanden oder befinden. Besondere Herausforderungen waren überall dort gegeben, wo es eine unterentwickelte oder sogar keine „Szene“ von Migrantenorganisationen gab und/oder wo die Trägerorganisation sich erst auf die lokale Handlungsebene einstellen musste, z.B. weil sie als Diaspora-Organisation bislang eher entwicklungspolitisch ausgerichtet war.

In einer kleinen Anzahl von Fällen hatte die Stadt selbst oder eine nicht-migrantische Organisation gewissermaßen „stadthalterisch“ die Trägerrolle übernommen. Dies musste im Laufe der Zeit in Richtung auf migrantische Trägerschaft umgebaut werden. Ende 2017 hat sich die Mehrheit der beteiligten lokalen Partner in einem organisatorischen Sinne stabilisiert. Für einen Ende des Jahres ausgeschiedenen lokalen Partner und aufgrund einer gewissen Umverteilung der Mittel werden nun drei neue lokale Partner in das samo.fa- „Konsortium“ eintreten: aus Göttingen, Krefeld und Stralsund.

Sicherlich war die Tatsache, dass über die Projektförderung Koordinator*innen finanziert und auch in gewissem Umfange Finanzmittel für operative Tätigkeiten vor Ort zur Verfügung gestellt werden konnten, eine wichtige Basis, von der aus Wirksamkeit entwickelt werden konnte – gewissermaßen als „Injektion“ in einen traditionell finanzarmen Sektor. Aber es ist nicht nur das: In vielen Städtedossiers wird ausdrücklich hervorgehoben, dass das Gesamtarrangement von samo.fa – also neben der Finanzierung auch die nahe Begleitung und die bundesweit erarbeitenden gemeinsamen Rahmenorientierungen, der Erfahrungsaustausch, die Medienarbeit und insgesamt das respektvolle und solidarische „interne Klima“ – sehr hilfreich gewesen sei und weiter dringend benötigt wird.

Was für Aktivitäten frei verfügbare Finanzmittel betrifft, so wären solche Ansätze wie das vom BAMF an bundesweit 14 Standorten geförderte House of Resources hilfreich: Das Besondere am House of Resources ist nämlich, dass es keine pauschale Fördersumme wie bei einem Projekt gibt, sondern anlassbezogen und bedarfsgerecht konkrete Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Im Zentrum von samo.fa steht – und das macht das Besondere aus – ein Dreiklang auf der lokalen Ebene: Erstens Maßnahmen, die sich konkret und praktisch auf die Verbesserung der Lage der Geflüchteten und ihre Teilhabe beziehen. Zweitens werden diese mit einer systematischen Unterstützung der Aktiven in Migrantenorganisationen für eine erfolgreiche Tätigkeit in diesen Maßnahmen kombiniert. Und drittens eine weitere und stabile Öffnung von Migrantenorganisationen für die Flüchtlingsarbeit und ihre gleichberechtigte Teilnahme im Rahmen der Koordinierung der kommunalen Flüchtlingsarbeit.

Diese drei „Klänge“ bedingen und verstärken einander. Die Städtedossiers zeigen, dass es in vielen Fällen sowohl in den einzelnen der drei Felder als auch in ihrem Zusammenspiel erhebliche Fortschritte gegeben hat. Zu beobachten ist an vielen Orten – aber nicht überall – eine stetige, wenn auch langsame Erweiterung des Kreises der Migrantenorganisationen, die sich für Flüchtlingsarbeit punktuell oder auch im größeren Umfange öffnen und bei samo.fa mitwirken. Moscheegemeinden wurden dabei bisher kaum erreicht.

Wenn Neue hinzukommen, versteht es sich, dass sie beraten werden müssen und dass ihnen auch Qualifizierung zuteilwerden muss. Beratungs- und Qualifizierungsbedarfe bestehen aber auch bei jenen fort, die von Anfang an dabei sind. Dies hat zum einen mit den veränderten Lebensumständen der Geflüchteten zu tun, auf die richtig eingegangen werden muss. Zum anderen entsteht aber auch aufgrund der oft zu beobachtenden Entwicklung eines „Projektebereichs“ und den damit zusammenhängenden Bedingungen von Projektförderung Bedarf an Wissensvermittlung. Auch das schwieriger gewordene gesellschaftlichen Umfeld stellt neue Anforderungen an Migrantenorganisationen z.B. die einer argumentativen Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus.

Die Aktiven, also jene Menschen, die sich direkt und ehrenamtlich in der Arbeit mit den Geflüchteten engagieren, sind gewissermaßen das „Herzstück“ des samo.fa-Ansatzes – vor allem in Hinblick auf die Begleitung auf dem langen Weg zu einer Normalisierung des Alltags.

Projekte können die Arbeit unterstützen und auch professionelle Dienstleistungen anbieten, aber nicht diese mitmenschliche Brücke ersetzen. Deshalb steht der Umgang mit den Aktiven ganz oben auf der Agenda: samo.fa ist also zu einem erheblichen Teil auch Sich-Kümmern, ist die Pflege guter und vertrauensvoller Beziehungen, ist Respekt und Anerkennung.

samo.fa-Clubs oder Arbeitskreise der Aktiven und ähnliche Gremien und Organisationsformen sind deshalb wichtige Knotenpunkte für stabile Verbindungen und kontinuierliches Engagement – ebenso wie eine gemeinsame Feier am Jahresende, in der auch Dank und Anerkennung zum Ausdruck gebracht werden. Auch diese interne Kultur hat sich gut entwickelt, zeigen die Städtdossiers.

Würde das Engagement von Aktiven aus Migrantenorganisationen in der nächsten Zeit dramatisch zurückgehen, hätte dies negative Auswirkungen für Integration und Teilhabe der Geflüchteten auf ihrem langen Weg in einen normalen neuen Alltag. Denn es würden die „Lotsen“ für diesen Alltag fehlen, die notwendige Stadtteilorientierung könnte sich nicht auf die erforderliche Anzahl von Aktiven stützen und insbesondere das dringende Bedürfnis nach „sicheren Begegnungsräumen“ könnte nach Umfang und Qualität nicht befriedigt werden.

Die samo.fa-Koordination ist ein wichtiges Bindeglied zwischen den Migrantenorganisationen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, den Aktiven und den anderen lokalen Akteuren in der Flüchtlingsarbeit sowie der Stadtverwaltung und der kommunalen Politik. Fast schon kann man sagen, dass genau dieses Bindeglied gar auf längere Sicht unverzichtbar ist. Nicht nur müssen die Bündnisse erweitert werden, um über die unmittelbaren materiellen Lebensinteressen hinaus Lebensqualität zu ermöglichen, sondern es geht auch darum, das städtische Gemeinwesen und seine lebendige Kraft des fairen und friedlichen Zusammenlebens in Vielfalt als gemeinsames Anliegen zu betreiben.

6. Resümee

Der Weg zur Normalität im Alltag ist lang und beschwerlich. Der Bedarf einer unterstützenden und zuweilen auch beschützenden, nahen Begleitung nimmt in naher Zukunft nicht ab, sondern eher zu. Und: Sie muss verlässlich sein. Eine solche Begleitung hat vor allem drei zentrale Aufgaben: (1) die Geflüchteten darin zu unterstützen, an den Einrichtungen, Leistungen und dem gemeinschaftlichen lokalen Leben gleichberechtigt teilzuhaben (Teilhabe), (2) sie darin zu bestärken, Schwierigkeiten zu bewältigen, nicht den Mut zu verlieren und das eigene neue Leben bewusst „in die Hand“ zu nehmen (Selbstwert) und (3) sie darin zu unterstützen, ihre Anliegen selbstbewusst und zu vertreten und sich einzumischen (Stimme). Dies sind von Beginn an zentrale Aufgaben im samo.fa-Arbeitszusammenhang gewesen – und sie sind noch lange nicht erledigt.

Viele Städte haben ihre Flüchtlingsarbeit neu aufgestellt oder sind dabei, dies zu tun. Das hat verschiedene Motive: Rationalisierung, auch in Erwartung nachlassenden Handlungsdrucks, spielt hierbei eine erhebliche Rolle. Dabei kann es sehr wohl sein, dass zu früh an „Entwarnung“ gedacht wird. Zwar sind die Zugänge an neuen Geflüchteten stark zurückgegangen, aber die sozialen Probleme, die mit dem langen und schwierigen Weg der Neubürger*innen zur Normalität des Alltagslebens verbunden sind, bleiben als Aufgabe der nächsten Jahre. Die Migrantenorganisationen, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, werden stärker als bisher von den Städten als wichtige Partner wahrgenommen. Samo.fa hat hierzu in verschiedener Weise erheblich beigetragen, nicht zuletzt durch die Initiierung öffentlicher Diskurse nicht nur über Geflüchtete, sondern mit ihnen. Damit wurden die Geflüchteten mit eigener Stimme vernehmbar. Es haben sich unterschiedliche Weisen der Beteiligung der Migrantenorganisationen aus dem samo.fa-Kontext bei der Gestaltung der lokalen Flüchtlingsarbeit herausgebildet; viele von ihnen sind allerdings noch punktuell, wenig institutionalisiert und damit für die kommende Zeit des langen Wegs in die Normalität noch nicht belastbar genug.

Das im „langen Sommer des Willkommens“ entstandene breite spontane bürgerschaftliche Engagement kommt mit der erforderlichen Dauer und Kontinuität der Begleitung und den schwieriger werdenden Anforderungen an seine Grenzen. Dort, wo die Aktiven im samo.fa-Kontext tätig sind, gibt ihnen ihre Rückbindung an Migrantenorganisationen einen Rahmen für ihr weiteres Engagement.

Lokal kooperierende Migrantenorganisationen sind das Rückgrat dieses Typs von Flüchtlingsarbeit. Sie folgen wichtigen gemeinsamen Prinzipien, zu denen aus der eigenen Erfahrung stammende Solidarität mit Geflüchteten ebenso gehört wie eine herkunftsübergreifende und respektvolle Zusammenarbeit und die Orientierung auf eine Verbesserung der Lebensverhältnisse „hier und jetzt“. Flüchtlingsarbeit ist – wenn überhaupt – in der Regel nur ein Ausschnitt aus den breiteren Aktivitäten von Migrantenorganisationen. Netzwerke, die vor Ort gegründet wurden, und jene Migrantenorganisationen umfassen, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, wirken oftmals als Anregung und Vorform lokaler Verbünde von Migrantenorganisationen.

Dieser „neue Typ von Migrantenorganisationen“ hat offenkundig erhebliche Attraktivität: Er findet in den Diskursen stärkere Aufmerksamkeit und führt zu einer Reihe lokaler Initiativen. In denselben Zusammenhang einer neuen Dynamik in den lokalen „Szenen“ der migrantischen Organisationen gehört, dass an verschiedenen Orten – von samo.fa unterstützt – Geflüchtete sich selbst organisieren und Vereine gründen.

Viele der beteiligten Migrantenorganisationen und Verbünde haben bei sich auch drittmittelgeförderte Projekte angesiedelt, in denen professionell Ausgebildete hauptamtlich tätig sind. Für die Begleitung der Geflüchteten auf ihrem schwierigen Weg zu einem normalisierten Alltag bleiben die Aktiven – also jene, die sich neben ihrem eigenen Alltag ehrenamtlich engagieren – besonders wichtig. Es muss deshalb Vorkehr getroffen werden, dass sie nicht im Ergebnis des verstärkten Einsatzes von „Professionellen“ aus Projekten an den Rand gedrängt werden.

Die von Beginn an Grund legende Orientierung auf einen „Dreiklang“ von konkreter Arbeit mit Geflüchteten, Unterstützung der Aktiven aus Migrantenorganisationen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren und der (weiteren) Öffnung von Migrantenorganisationen für Flüchtlingsarbeit war zielführend. Nach dem „Kaltstart“ 2016 und vor dem Hintergrund der sehr unterschiedlichen Ausgangslagen in den 30 Städten „lief keineswegs alles rund“.

Aber: Gegen Ende 2017 zeigt sich, dass samo.fa in den meisten Fällen erheblich dazu beigetragen hat, dass miteinander kooperierende Migrantenorganisationen ein Potenzial für Kontinuität und Stabilität in der lokalen Flüchtlingsarbeit geworden sind. Gerade auch für den langen und schwierigen Weg in die Normalität, den die Geflüchteten gehen, bleiben die Aktiven das „Herzstück“ des samo.fa-Ansatzes, das aber ohne die produktive Bindung an miteinander lokal kooperierende Migrantenorganisationen nicht wirksam genug ist.

7. Ausblick auf 2018

Überlegungen zur Schwerpunktsetzung der Arbeit im 3. Jahr von samo.fa

Vorgestellt auf dem Bundesnetzwerktreffen am 5./6. Februar 2017 in Leipzig

Der „lange Sommer des Willkommens“ liegt weit zurück. Und dies in mehrerer Hinsicht: Die Geflüchteten selbst, die geblieben sind, sind schon zwei Jahre und länger in Deutschland. Sie müssen ihren neuen Alltag bewältigen. Dabei gibt es Gemeinsamkeiten, aber auch wichtige Unterschiede, was diesen Alltag ausmacht und prägt: Die Unterschiede hängen davon ab, wie weit der Entscheidungsprozess über den Status gediehen ist und welcher Aufenthaltsstatus schließlich zuerkannt wird, von der lokalen Wohnsituation, den Verhältnissen auf den lokalen bzw. regionalen Arbeitsmärkten, aber auch von der lokalen Flüchtlingsarbeit und der kommunalen Politik, der wiederum in verschiedener Weise von übergreifender staatlicher Politik Rahmenbedingungen gesetzt werden.

Der Weg zur Normalisierung der Lebenslage ist lang

Für diejenigen, die eine Anerkennung erhalten⁶, geht es um Integration in der Weise, dass eine selbständige Lebensführung erreicht wird – in der Regel auf der Basis von Erwerbstätigkeit – und dass – wenn dies gewünscht wird – die Kernfamilien unter akzeptablen Wohnverhältnissen zusammenleben können und es für die Kinder und Jugendlichen einen gleichberechtigen Zugang zu Bildung gibt.

Die vorliegenden ersten Studien, z.B. zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten, und viele andere empirische Fakten zeigen: Der Weg zur Normalisierung des Lebens ist für Geflüchtete – Ausnahmen bestätigen immer die Regel – kompliziert und langwierig. Expert*innen gehen davon aus, dass hierfür mehrere Jahre (man spricht von 5 bis 7 Jahren) erforderlich sind.

Und tatsächlich stehen der Integration Hindernisse im Weg, die sie erheblich verzögern. Diese beginnen bei der überaus langen Bearbeitungszeit im Anerkennungsverfahren, was zunächst für die Betroffenen andauernde Unsicherheit und eine faktische Einschränkung ihres Aktionsradius bedeuten (oder: bedeutet haben, also eine erste grundlegende Erfahrung bildet). Diejenigen aus dem Jahr 2015, deren Aufenthaltsstatus es zulässt, münden nun den Regelungsbereich des SGB II ein, stehen aber dem Arbeitsmarkt zunächst zu einem erheblichen Teil noch nicht zur Verfügung, weil sie Deutsch- und Integrationskurse besuchen. Es ist zu erwarten, dass ihnen danach vor allem Beschäftigungen offenstehen – die sie auch bereit sein werden anzunehmen –, die aber vielfach prekäre Merkmale haben. Damit setzt sich die Instabilität ihrer Lebenslage fort.

Vor allen in den Ballungsgebieten ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt äußerst angespannt, so dass sich teilweise die Aufenthaltsdauer in Gemeinschaftsunterkünften verlängert oder dass in (preiswertere) Wohnungen eingemündet wird, die sich oftmals in sozial belasteten Quartieren befinden. Der Hoffnung, dass die Kinder und Jugendlichen hier eine bessere Zukunft haben, stehen vielfältige Engpässe beim Zugang zu Bildung, Ausbildung und Studium entgegen. Schließlich ist der Familiennachzug erschwert. Von Normalisierung des Lebens kann also bislang keine Rede sein.

Verzögerungen und Gefährdungen

In mancher Literatur wird suggeriert, als sei ein Zeitraum von sieben bis zehn Jahren für eine Integration von Eingewanderten „normal“. Manchmal liest sich das wie eine Art menschliches Naturgesetz. Nun mögen solche Zeiträume erforderlich sein, um die eigene Lebenssituation zu optimieren und auch, um mental in der neuen Heimat ganz anzukommen. Was aber die materiellen Voraussetzungen für Normalisierung betrifft – von denen oben die Rede war – , so handelt es sich um Verzögerungen, die aus Mängeln der Ankunftsgesellschaft, aus überforderten Bürokratien und aus gesetzlichen Restriktionen resultieren.

Verzögerungen und Gefährdungen in diesem komplizierten und komplexen Integrationsprozess treten auch dann ein, wenn die erforderlichen Unterstützungssysteme, wie Beratung, barrierefreie Zugänge zu Ämtern, Sprachmittlung, Willkommenskultur…, lokal unzulänglich entwickelt sind oder brüchig werden, weil z.B. die Kommunen keinen akuten Handlungsbedarf mehr sehen. Es gibt vermehrt Hinweise darauf, dass in kommunaler Politik die Flüchtlingsfrage auf der Agenda „nach unten“ rutscht. Gerade bei dem für samo.fa charakteristischen Ansatz bei lokalen Handlungsstrategien wäre dies sehr beunruhigend und muss beobachtet werden.

Als ein „Indikator“ für eine Art „schleichenden Ausstieg“ aus der Flüchtlingsarbeit von Kommunen wäre auch zu werten, wenn die Migrantenorganisationen, die bisher in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, als Partner am Rande verbleiben oder sogar in ihrer Rolle beschränkt werden, anstatt statt stärker als bisher wertgeschätzt zu werden.

Viele der vorliegenden neueren Studien, Gutachten und Memoranden – jedenfalls solche, die für eine wirksame und würdevolle Integration von Geflüchteten stehen – sehen nun angesichts des langen und komplizierten Wegs der Integration das Erfordernis einer nahen und gut zugänglichen kontinuierlichen Begleitung und Unterstützung.

Ein tragendes Argument für den samo.fa-Ansatz der gleichzeitigen Stärkung von Aktiven in der Flüchtlingsarbeit und von Migrantenorganisationen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren war und ist: Gerade bei der Bewältigung des Alltags sind die Migrantenorganisationen und jene Aktiven, die sie als „background“ haben, unverzichtbar. Nun werden die Erfahrungen, die die Menschen mit Migrationsgeschichte selbst oder vermittelt mit Ankommen, Sich-Einrichten und Heimischwerden gemacht haben, besonders wichtig. Sie produktiv weiterzugeben, setzt allerdings einen reflektierten Umgang mit ihnen voraus.

Besonderer Beitrag der Migrantenorganisationen

Migrantenorganisationen, wo kollektiv Migrationserfahrungen „aufbewahrt“ werden, sind wichtig. Gleichzeitig sind sie ein Ort, der den Aktiven Bezug und Stärke gibt und der sich für die Geflüchteten selbst öffnet. In und resultierend aus diesen drei „Funktionen“ sind Migrantenorganisationen im Grunde unverzichtbar. Und dies gilt umso mehr dann, wenn aus dem Kontext der Migrantenorganisationen auch Expertise für die Bewältigung des Alltags in den verschiedenen wichtigen Handlungsfeldern des neuen Alltags zu gewinnen ist. Im zweiten Jahr von samo.fa ging es dabei um die Bereiche Bildung & Ausbildung, Arbeitsmarkt, Wohnen und Gesundheit.

Stets ist bei der Unterstützung von Geflüchteten in ihrem neuen Alltag wichtig zu klären, welchen Beitrag die Aktiven mit Migrationsgeschichte und die Migrantenorganisationen dabei leisten (können). Sie sind keine Lückenbüßer für ausbleibende oder ungenügende Leistungen, die die hierfür vorhandenen zuständigen und verantwortlichen „Systeme“ erbringen müssten. Dort, wo Menschen mit Migrationsgeschichte als Professionelle tätig sind (was aus verschiedenen Gründen sehr wünschenswert ist), müssen sie auch entsprechend anerkannt und vergütet werden.

Was bringen also jene ein, die nicht im strikten Sinne von Ausbildung und fachlichem Profil Professionelle sind? Deren Expertise⁸ dient der Orientierung, der Unterstützung dabei, zu seinem/ihrem Recht zu kommen, der sensiblen Wahrnehmung von Notlagen und Krisen, der Ermutigung, dem Angebot von Vertrauen, Verlässlichkeit, der Stärkung von Durchhaltevermögen und dem Erleben gemeinsamer Lebensfreude. Die Aktiven und die Migrantenorganisationen können also in diesem Sinne nur wirksam werden, wenn sie Teil eines lokalen Unterstützungsnetzwerks sind, also in einem Kontext von Arbeitsteilung und Kooperation. Diese Erkenntnis war ebenfalls für das 2. Jahr von samo.fa leitend. Die lokalen Dialogkonferenzen der 30 samo.fa-Partner haben vielfach in bemerkenswerter Weise diese Kooperationsfortschritte demonstriert.

Stabile Begleitung langfristig erforderlich

Diese Art der Begleitung und Unterstützung, die nahe bei denen angesiedelt ist, die von Geflüchteten zu neuen Mitbürger*innen geworden sind, ohne sie zu bevormunden, wird also noch für einen erheblich langen Zeitraum benötigt, der weit den bisherigen zeitlichen Förderhorizont von samo.fa überschreitet. Außerdem, auch in den Folgejahren nach 2015/2016 hat es weiterhin Zuwanderung geben, und diese wird sich auch fortsetzen. Es ist also angeraten, basale lokale Unterstützungsstrukturen auf Dauer zu stellen, die auch (Stichwort: Arbeitsteilung und Kooperation) im bürgerschaftlichen Engagement verankert sind. Spontane Initiativen der Hilfe und Unterstützung fehlt die erforderliche Stabilität, und zwar sowohl im personellen wie auch im institutionellen Sinne. Migrantenorganisationen sind demgegenüber schon ihrem Sinne nach stärker auf Dauerhaftigkeit angelegt; manche von ihnen bestehen schon viele Jahre oder sogar Jahrzehnte, mit allen „Auf und Abs“, dem bürgerschaftliche Organisationen unterliegen.

Migrantenorganisationen haben also ein erhebliches Stabilitätspotenzial: sie werden also für die weitere Unterstützung von Geflüchteten und neuen Mitbürger*innen mit Fluchtgeschichte nicht nur gebraucht und haben darin nicht nur Erfahrungen gesammelt und Expertise aufgebaut, sie haben auch das Potenzial, mit langem Atem in diesem Feld tätig und wirksam zu sein. Es gibt in der Regel Aktive, die sich kontinuierlich um den Fortbestand sorgen, es gibt Kerngruppen, denen die Organisation ein Teil ihres Lebens ist, es sind in der Regel rechtliche Formen, wie ein Verein, gefunden worden, die eine gewisse Stabilität mit sich bringen, und es gibt Räumlichkeiten für Treffen und Vereinsaktivitäten, wenngleich dies oftmals auch ein „Engpass“ ist. Ihr Engagement im Feld der Flüchtlingsarbeit bleibt dennoch fragil, weil dieses Engagement einen Aktivitätsgrad und eine aktive Öffnung „nach außen“ erforderlich macht, das auf längere Dauer aufrecht zu erhalten eine große Herausforderung darstellt.

Die Förderentscheidung für samo.fa, über die Stellen der lokalen Koordinator*innen ein professionelles „Rückgrat“ zu sichern und die Bereitstellung „lokaler Fonds“ zu ermöglichen, war deshalb weitsichtig; an diesem Modell eines „professionellen Rückgrats“ plus „lokaler Fonds“ bzw. einer Variation dessen müsste sich auch eine weitere Förderung orientieren, wenn Wert darauf gelegt wird, Migrantenorganisationen in der lokalen Unterstützung von Menschen mit Fluchtgeschichte präsent und aktiv zu halten (und damit auch Vorkehr zu treffen, dass die Erfahrungen und die aufgebaute Expertise nicht verloren gehen).

Verbünde neuer und schon länger bestehender Migrantenorganisationen

Zu beobachten ist, dass sich Menschen mit Fluchtgeschichte selbst daran machen, Vereine zu gründen, um sich zu unterstützen und um in der lokalen Öffentlichkeit und gegenüber der lokalen Politik eine eigene „Stimme“ zu erhalten. Diese Neugründungen von Migrantenorganisationen sind für die lokale Flüchtlingsarbeit von Bedeutung, weil sie in authentischer Weise die Lebensbedingungen und Bedürfnisse von Menschen mit Fluchtgeschichte, die erst vor kurzem angekommen sind, spiegeln. Dies macht aber auch zugleich ihre Verletzlichkeit aus: ihnen fehlt die gediegene Erfahrung im Umgang mit den hiesigen Realitäten, die aber bei den schon länger bestehenden Migrantenorganisationen gegeben ist.

Der von samo.fa vor allem im zurückliegenden zweiten Jahr stark gemachte Vorschlag, vor Ort Arbeitsgemeinschaften oder Verbünde jener Migrantenorganisationen, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, zu gründen, hat deshalb vor allen Dingen auch unter dem Aspekt von Stabilität Sinn und hierfür auch die neu gegründeten Vereine einzuladen. Solche Verbünde ermöglichen wechselseitige Unterstützung und die Entwicklung von „interner“ Arbeitsteilung und Kooperation, die zum einen entlastend wirken kann, und zum anderen auch ermöglicht, gegenüber den lokalen Partnern in der Flüchtlingsarbeit und gegenüber der lokalen Politik und Verwaltung mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen.

Die Formulierung „Migrantenorganisationen, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind“ ist bewusst gewählt. Denn nicht alle Migrantenorganisationen sind dort aktiv, wobei ihre Nichtbeteiligung verschiedene Gründe und Motive hat⁹. Und es gibt auch Migrantenorganisationen, die sich in der einen oder anderen Weise erheblich in der Flüchtlingsarbeit engagiert haben, und nun vielleicht ermüdet sind oder auch (wieder) stärker zu Aktivitäten zurückkehren wollen, die auch zu ihrem Profil und Selbstverständnis gehören. Lokale Verbünde für die Arbeit mit Menschen mit Fluchtgeschichte könnte auch für diese Migrantenorganisationen eine „Ort“ sein, an dem sie sich in moderater Form weiter beteiligen würden.

samo.fa im dritten Jahr

Migrantenorganisationen vor Ort – auch in gerade, wenn sie sich zu Verbünden zusammen schließen- als ein stabiler und stabilisierender Faktor in der Flüchtlingsarbeit zu halten, ist auch angesichts des gesellschaftlichen Klimas, was Asyl betrifft, von großer Bedeutung: zunehmende Restriktionen in der Flüchtlingspolitik spielen mit der Zunahme ausländerfeindlicher, rassistischer, antiziganistischer und antisemitischer öffentlicher Auftritte zusammen zu einem Klima, das mit einer „Willkommenskultur“ immer weniger Ähnlichkeit hat, wenngleich de facto große Mehrheiten eine offenere Haltung haben ( die Strahlkraft des „langen Sommers des Willkommens“ also noch nicht ganz verblasst ist).

Das dritte Jahr von samo.fa sieht drei zentrale Aufgaben vor: Konsolidierung, Nachhaltigkeit und Transfer. Vor dem Hintergrund der hier vorgestellten Überlegungen geht es darum, diese drei Aufgabenfelder dadurch zu verknüpfen, dass die Voraussetzungen, Bedingungen und praktischen Vorkehrungen für eine dauerhafte Stabilität des Engagements von Migrantenorganisationen in der lokalen Flüchtlingsarbeit ins Zentrum gerückt wird.

⁵  Zusammenfassung und Weiterführung einer Diskussion auf dem 1. Treffen des Leitungsteams von samo.fa am 8. Januar 2018 in Dortmund

⁶ Für diejenigen, denen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verweigert wird und die unter Abschiebungsdrohung stehen, muss sichergestellt sein, dass sie die Zeit ihres Aufenthalts in Deutschland in Würde verbringen und ihn auch für sich im Sinne der Erweiterung ihrer schulischen und beruflichen Kompetenzen etc. nutzen können. Auch hierfür müssen Lösungen gefunden werden, die auf der lokalen Ebene – dort, wo diese Menschen sind – konkretisiert werden müssen.

⁷ Viele Migrantenorganisationen, die im Kontext von samo.fa aktiv sind, bieten auch – meist über diverse Projekte – professionelle Dienstleistungen an. Dies ist ein weiteres Feld, auf dem Migrantenorganisationen aktiv sind. Dadurch entstehen zu dem, was bei samo.fa im Vordergrund steht, nämlich bürgerschaftliches Engagement, vielfache Schnittstellen, aber auch Grauzonen.

⁸ Auch hierfür ist nötig, was oftmals „Professionalisierung“ genannt wird, aber nicht mit fachlich-beruflicher Professionalität verwechselt werden darf. Es geht eher um eine Verbesserung der Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit, um Orientierungs- und Anschlusswissen usw., usw. Zu diesem Zweck gab und gibt es im samo.fa-Kontext und darüber hinaus vielfältige Weiterbildungs- und Trainingsangebote.

⁹ Allerdings ist es in vielen Orten, an denen samo.fa aktiv ist, gelungen, die Anzahl der Migrantenorganisationen, die sich in der einen oder anderen Weise an der Flüchtlingsarbeit beteiligen, deutlich zu erhöhen.

 

 

Komm an – Der Talk im Haus der Vielfalt (Dortmund)

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Unsere Partner*innen kommen vor der Kamera ins Gespräch: Dank einer Kooperation mit dem Institut für Journalistik der TU Dortmund, der FH Dortmund und dem Bundesverband NeMO wird im Haus der Vielfalt an drei Tagen eine  Sendereihe produziert.  Die fertigen Sendungen werden nach den Osterferien bei dem Lernsender nrwision ausgestrahlt.

Inhaltlich werden unsere lokalen Partner über die konkrete Arbeit vor Ort erzählen: Vom Umgang mit geflüchteten Frauen bis hin zur Flüchtlingsarbeit in den Medien deckt die Reihe das Thema vielfältig ab.

Die 12 Folgen sind das Ergebnis eines Seminars an der FH Dortmund (im Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften), bei dem die Studierenden vorbereitet werden, um vor Ort bei den jeweiligen Partner*innen (die Studiogäste der Sendung) Leitfadeninterviews zu führen. Die Studierenden bekommen so Gelegenheit Einblicke in die Arbeit von Migrantenorganisationen zu bekommen, die sich in der Arbeit mit Geflüchteten engagieren. Durch die Kooperation mit dem Institut für Journalistik der TU Dortmund erarbeiten Studierende in einem Seminar zusätzlich die Sendungen, die bei nrwision ausgestrahlt werden.

Das Haus der Vielfalt wird zum Fernsehstudio

Flüchtlingsarbeit im ländlichen Raum
Elaine Yousef aus Waltrop und Merwan Resho sprechen über die besonderen Herausforderungen der Flüchtlingsarbeit im ländlichen Raum.

Die Folge gibt es in der Mediathek.

Kulturelle Bildungsaktivitäten mit Kindern und Jugendlichen mit Kin-Top Förderungszentrum e.V.
Für das Ankommen von Kindern ist es wichtig, dass die Kinder sich willkommen fühlen. Kinder und Jugendliche sind dann angekommen, wenn sie sich in die Gesellschaft einbringen können. Das will Kin-Top e.V. Düsseldorf mit ganz verschiedenen Angeboten erreichen. Wie sie das machen, erzählen Joana Gerdt und Sören Volkenborn jetzt vor der Kamera.

Die Folge gibt es in der Mediathek.

Flüchtlingsarbeit in den Medien (Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. / AfricanTide e.V.)
Bei der letzten Sendung sprechen Miriam Bunjes vom Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen und Dr. Rosalyn Dressman von AfricanTide über die Flüchtlingsarbeit in den Medien: Wird heute negativer berichtet? Wichtig ist es, mit den Leuten zu reden uns nicht über sie.

Die Folge gibt es in der Mediathek.

Die neue Stadtgesellschaft (Raum der Kulturen Neuss e.V.)
Muna Sukni om Raum der Kulturen Neuss e.V. und Habib Güneşli vom VMDO e.V. waren im Interview zum Thema: Wie verändern sich Städte und welches Lebensgefühl bringen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte mit in eine neue Stadt?

Erwartungen an die Politik (Bundesverband Netzwerke von Mirgantenorganisationen e.V.)
Dr. Ümit Koşan vom Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen spricht im Interview mit NRWision über die  Erwartungen an die Politik und Lobby-Arbeit.

Die Folge gibt es in der Mediathek.

Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete, (WIIK e.V., Witten) 
Vivette Tchuissang Tchiwe und Clovis Njontié aus Witten sprechen in der ersten Aufzeichnung über den Arbeitsmarkt.

Die Folge gibt es in der Mediathek.

Vielfalt: Begegnungsstätte & Entfaltungsraum (Haus der Vielfalt, Dortmund)
Saziye Altundal-Köse und Jeyakumaran Kumarasamy vom VMDO e.V. sind das letzte Duo, das beim ersten Drehtag mit NRWision interviewt wurde. Sie sprachen über Vielfalt und Begegnungen – wie etwa am Drehort, im Haus der Vielfalt.

Die Folge gibt es in der Mediathek.

Wohnungsmarkt für Geflüchtete, (Solibund e.V., Köln) 
Kemal Sovuksu und Anna Kass vom Solibund e.V. Köln sprachen beim Dreh über den Zugang zum Wohnungsmarkt.

Die Folge gibt es in der Mediathek.

Geflüchtete Frauen (Interkultureller Elternverein e.V., Bielefeld)
Cynthia Krell und Hana Hamalatif aus Bielefeld sprachen im Talk mit NRWision über den Alltag geflüchteter Frauen!

Die Folge gibt es in der Mediathek. 

Gesundheit fördern durch Ernährungs- und Sportangebote für Geflüchtete (VKII e.V., Dortmund)
Thierry Monté und Armel Djine aus Dortmund sprechen über den Erfolg des Programms Smart Fit vom VKII Ruhrbezirk e.V.. Sport ist eine Möglichkeit, sprachliche und kulturelle Barrieren zu überwinden. Bei Smart Fit treffen sich Menschen aus 15 Nationen für ein vielfältiges Sportprogramm.

Die Folge gibt es in der Mediathek.

Ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingsarbeit (Mozaik e.V., Bielefeld und IRFAN e.V., Mönchengladbach)
Martina Gehler (IRFAN e.V.) und Cemalettin Özer (Mozaik e.V.) sind die letzten Gäste beim Dreh heute. Sie diskutierten zum Thema: Welche besondere Rolle spielt der eigene Migrantionshintergrund im Ehrenamt? Was sind Herausforderungen und Chancen? 10 Stunden im Monat braucht man mindestens, wenn man sich ehrenamtlich engagiert. Wenn man das den Ehrenamtlichen vermittelt, hat man gute Chancen, Menschen zu motivieren.

Die Folge gibt es in der Mediathek.

Bildung für Geflüchtete (IFAK e.V., Bochum)
Berfîn Balik und Sebastian Hammer aus Bochum sprechen über Bildung für Geflüchtete: Neben der schulischen Bildung und Förderung ist es wichtig, den Geflüchteten eine Sicherheit zu bieten. Denn um wirklich in Deutschland anzukommen, fehlt oft ein wesentlicher Bestandteil: der Halt der eigenen Familie.

Die Folge gibt es in der Mediathek.

Was Orte über die Geschichte der Menschen erzählen

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Finissage der Ausstellung „Onkel Hasan und die Generation der Enkel“ im Museum Pankow

Es ist der letzte Abend in Pankow, bevor die Ausstellung „Hasan und die Generation der Enkel“ weiter durch Deutschland zieht. Entsprechend herrscht reges Treiben in den Fluren des Museums Pankow. Durch den bestuhlten Saal hinweg versuchen die letzten Gäste einen Platz zu finden, ehe das Programm beginnt.

Was in Pankow auch außerhalb der Wände des Museums spürbar ist: Einwanderung, wie in Deutschland insgesamt, ist Teil der gemeinsamen Geschichte, der Gegenwart aber auch einer gemeinsamen Zukunft. Katarina Niewidzial, Integrationsbeauftragte der Stadt Pankow, unterstrich – begeistert von der Ausstellung – Pankow sei eigentlich ein „typischer Ost-Bezirk“. Durch die Migration sei auch der Norden Berlins zum Zuhause von Menschen geworden, die vor allem aus Italien und Vietnam kommen. „Wir fragen uns, ob die Orte die Geschichte der Menschen erzählen?“ Die Frage gibt ungewollt einen roten Faden vor, der immer wieder ergänzt und erweitert wird.

„Hasan in Pankow“ – so der leicht abgewandelte Titel für das Museum Pankow – war seit dem 14. Dezember 2017 dort zu sehen. Ergänzt wurde die Ausstellung um insgesamt acht Veranstaltungen mit Einblicken in die „Migrationgeschichte(n) im Berliner Nordosten“. Diese Geschichten standen auch am letzten Abend noch einmal im Zentrum.

Kemal Karabulut sprach über Flucht aus politisch unerträglichen Verhältnissen und Jeyasangar Gopalapillai berichtete über das Exil der Tamilen. Auch die in Erinnerung von Hamze Bytyci, Leiter von RoMatrial, gibt berührende Einblicke. Gerade Sinti und Roma sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa Opfer jahrhundertelanger Diskriminierung und Ausgrenzung. „Ich bin geboren in einem Land, dass es heute so gar nicht mehr gibt“, erklärt Hamze. Zunächst im damaligen Jugoslawien geboren, wurde er Serbe, um nach der Unabhängigkeit 2008 plötzlich als Kosovare zu gelten. Diese Problematik habe ihn nach seiner Fluchterfahrung auch in Deutschland stark geprägt und ihm verdeutlicht, wie wichtig es sei, weiterhin sichtbar zu sein. Deshalb hat er RoMatrial, eine Bürgerrechtsorganisation für Sinti und Roma, gegründet. Das Ziel, die Narrative selber zu bestimmen und Identität nachhaltig zu stärken.

Bestärkende Geschichten, wie die von Hamze Bytyci, fanden einen Nachklang in der Vielfalt der musikalischen Darbietungen. In der Musik zeigte sich auf andere Weise die Mannigfaltigkeit der Migrationsgeschichten, die an diesem Abend exemplarisch für ganz viele Geschichten in Pankow, Berlin und Deutschland standen und stehen. Von Saz über Gitarre bis Kora boten sie die musikalische Untermalung für das, was auch ein Großteil der Besucher an diesem Abend verbindet: Migration, oder die Erinnerung daran.

Es versteht sich, dass am Ende einer solchen Sonderausstellung die Frage aufgerufen ist, wie es weitergeht: Wie kann Migration als Teil der gemeinsamen städtischen Geschichte in die Erinnerungsorte Einzug nehmen und dort ständig präsent sein? Und: Wie wird Einwanderung als ein prägender Teil der Stadtgesellschaft wahrgenommen bzw. besser als bisher wahrnehmbar gemacht? Hierüber sprachen – moderiert von Dr. Wilfried KruseProf. Dr. Felicitas Hillmann vom Leibnitz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner, Gülsah Stapel, Stadt- und Regionalplanerin an der Technischen Universität Berlin mit Bernt Roder, dem Leiter des Museums Pankow und mit dem Bezirksbürgermeister von Pankow, Sören Benn.

„Die Stadt ist in erster Linie ein Archiv der Gesellschaft“, unterstrich Stapel und machte deutlich, dass es wichtig sei, die Vielfalt an Erzählungen der Menschen zu hören. Vielfalt sei eine Stärke, so auch Bezirksbürgermeister Sören Benn. Und genau dieser Eindruck lasse sich für das Museum Pankow übersetzen. Das unterstrich schließlich auch der Museumsleiter Bernt Roder. Die Ausstellung habe ihn dazu bewegt, sich zu fragen, wie migrantische Perspektiven Eingang in die Museumsarbeit finden könnten.

Ganz am Ende dann der „Abschied“ aus Pankow und die Übergabe an Luiz Mazuze und Andreas Hempel von dem Verein Afropa e.V. aus Dresden. Im Jahr 2003 haben einige in Dresden lebende Afrikaner*innen und Deutsche die Initiative ergriffen, Afropa e.V. zur Förderung der afrikanisch-europäischen Verständigung zu gründen. Mittlerweile gibt es über 50 Mitglieder aus zehn Nationen. In der Dresdner Neustadt, wo auch Afropa zu Hause ist, wird „Hasan und die Enkel“ ab Anfang Mai 2018 zu sehen sein.

Afropa e.V. ist gleichzeitig einer von 32 Partnern des bundesweiten Projekts samo.fa. Ziel des Projektes des Bundesverbandes Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. ist es, dass die Menschen, die vor längerer Zeit selbst aus den unterschiedlichsten Gründen in Deutschland eine neue Heimat fanden, heute denjenigen eine Brücke in den Alltag bauen, die erst vor kurzem ankamen. Migrant*innen kennen die Bedürfnisse und Herausforderungen des Ankommens im neuen Alltag. Gleichzeitig bieten Migrantenorganisationen Räume, die Erinnerung an die eigene Herkunft zu bewahren. Und genau diese Möglichkeit, ein Raum zum Nachdenken über die eigene Geschichte zu schaffen, bietet die Ausstellung „Onkel Hasan“. Auch und gerade weil sie aus der Perspektive und unter aktiver Beteiligung von Migrantenorganisationen entstanden ist. Dabei setzt die Ausstellung zwei Blickrichtungen miteinander in Bezug: die Arbeitsmigranten der 1. Generation mit der Enkelgeneration, die in Deutschland aufgewachsen ist. Alle – Hasan, seine Frau und seine Kinder, die Verwandten und die Enkelgeneration –  sind die Gesichter der Ausstellung. Die Ausstellung gibt damit Migration, Einwanderung und ihren Geschichten und Erinnerungen ein Gesicht. Und das zeigt auch der letzte Abend in Pankow:  Neben den vielen Geschichten, Erinnerungen und Exponaten wird hier aufs Neue auch die Bedeutung der Vernetzung von Menschen unterschiedlicher Hintergründe spürbar. Damit wäre Onkel Hasan sicherlich auch sehr zufrieden gewesen wäre.

Weiter Informationen unter: www.onkel-hasan.de

Gemeinsam gegen Rassismus – Internationale Wochen gegen Rassismus (12.3-25.3)

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Internationale Wochen gegen Rassismus (12.3-25.3)

Zu viele Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte erleben in Deutschland Rassismus. Allein im Jahr 2017 gab es über 2.200 tätliche Angriffe auf Geflüchtete und etwa 1500 antisemitisch motivierte Straftaten. Die Internationalen Wochen gegen Rassismus wollen rassistischer Diskriminierung, Vorurteilen, Stereotypen und Gewalt entgegenwirken und ein Zeichen für Solidarität und Miteinander setzen.

Rund um den 21. März, dem Internationalen UN-Gedenktag gegen Rassismus, finden unter dem Motto „100% Menschenwürde. Zusammen gegen Rassismus“ bundesweit Veranstaltungen statt. Aus dem Projekt samo.fa des Bundesverbandes NeMO beteiligen sich die Partner aus München, Lübeck, Freiburg und Halle (Saale) mit ganz unterschiedlichen Veranstaltungen.

 

Forum der Kulturen Stuttgart e.V.
12.März-23.März
Vom 12. bis zum 23. März 2018 finden in Stuttgart unter dem Titel HEIMAT zum dritten Mal in Folge die Internationalen Wochen gegen Rassismus statt. Diese sind Teil bundesweiter Aktionswochen, die rund um den 21. März, den Internationalen UN-Gedenktag gegen Rassismus, veranstaltet werden. Das vielseitige Programm umfasst Workshops für Kinder und Jugendliche, Fortbildungen für Multiplikator*innen und Mitarbeiter*innen von Unternehmen, Verwaltungen und Initiativen sowie Abendveranstaltungen für die breite Öffentlichkeit.
https://www.forum-der-kulturen.de/heimat_internationale_wochen_gegen_rassismus/

IKB e.V. Haus der Kulturen Lübeck
15. März-19.März
Antirassistische Kulturtage in Lübeck haben auch dieses Jahr das Ziel, den Gedanken der Völkerverständigung und des Friedens mit den Mitteln der Literatur, der Kultur und der Kunst der Argumente in öffentlichen Veranstaltungen zur Sprache zu bringen. Noch nie gab es so viel Solidarität und Gegenwehr, um dem Hass und der Diskriminierung entgegenzuwirken. Gleichzeitig schüren Populisten Ängste und Terror gegen Minderheiten, verüben Hassgetriebene Anschläge auf Einrichtungen und Flüchtlingsunterkünfte. Auch im Jahr 2018 ist menschenfeindliche Stimmungsmache keine Randerscheinung.
http://www.hausderkulturen.eu/fileadmin/content/media/Antirassistische_Kulturtage.pdf

Morgen e.V., München
21. März
Am 21. März ruft MORGEN e.V. mit vielen weiteren Akteur*innen zu einer bunten und lauten Aktion auf, um Solidarität gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung einzufordern. Rassismus ist ein gesellschaftliches Problem, das alle angeht. Fast täglich gibt es Aktionen und Kundgebungen von rechtsextremen und populistischen Gruppierungen, Angriffe auf Asylunterkünfte, Gewalttaten und rassistische Angriffe gegen Jüdinnen und Juden, gegen Sinti und Roma, gegen Muslim*innen, gegen Schwarze Menschen und gegen People of Color, gegen Geflüchtete und Migrant*innen. Gleichzeitig gibt es Solidarität, das Engagement derjenigen, die nicht bereit sind, Alltagsrassismus und rassistische Gewalt hinzunehmen. Lauterkeit (d.h. Anständigkeit) wird verbunden mit Lautstärke: „Wir wollen Lauter sein gegen Rassismus. Jeder ist
Die Aktion „LAUTER sein gegen Rassismus!“ wird am 21. März 2016 bayernweit durchgeführt. Kommt zahlreich und bringt (Musik-)Instrumente zum LAUTER sein mit!
http://www.morgen-muenchen.de/termine/

IFAK e.V., Bochum
21. März

Newroz ist der Name des Neujahrs- und Frühlingsfestes, das am 20. oder 21. März vor allem im indoiranischen Kulturraum gefeiert wird. Seit dem 10. Mai 2010 ist Newroz auf Beschluss der 64. Generalversammlung der Vereinten Nationen als internationaler Newroz-Tag anerkannt. Die Generalversammlung stellte in ihrer Erklärung fest, dass „Newroz ein Frühlingsfest ist, das von mehr als 300 Mio. Menschen seit mehr als 3000 Jahren in Kurdistan, auf der Balkanhalbinsel, in der Schwarzmeerregion, im Kaukasus, in Zentralasien und im Nahen Osten gefeiert wird“. Am 30. September 2009 hatte die UNESCO den Newroz-Tag in die Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen und gleichzeitig ist am 21. März 2018 der Internationale Tag gegen Rassismus. Die Veranstaltung richtet sich an alle Menschen, die gegen jeglicher Rassismus sind und natürlich Lust haben mit uns Newroz feiern. Erste Linie richtet sich für Geflüchteten, die als neues Jahr feiern und Nachbarschaften, die was Neues erleben möchten, jede darf traditional kleidet zu Feierlichkeit kommen. (Weitere Informationen zu Ort und Zeit im Veranstaltungskalender dieser Seite)

FAIRburg e.V., Freiburg
22. März
Die Szenische Lesung von „Ein Morgen vor Lampedusa” beruht auf Zeugenaussagen von Fischern und Geflüchteten, die eine Bootskatastrophe vor Lampedusa erlebt haben. Der Text veranschaulicht die unerträglichen Zustände auf dem Mittelmeer, die ohne humane Lösung bis heute andauern. In einer Podiumsdiskussion mit ResQship e.V. und dem Begründer der Lampedusa-Lesung Antonio Umberto Riccò soll die komplexe und andauernde Situation und ihre Hintergründe in der Öffentlichkeit im Bewusstsein gehalten und auch Möglichkeiten aufgezeigt werden, ganz konkret Unterstützung in Freiburg leisten zu können.
http://www.fairburg.de/

VeMo e.V.,  Halle (Saale)
24. März
”Ich habe ja nichts gegen Flüchtlinge, aber … ” – kennen Sie diesen Satz? Ob im Büro, bei der Familienfeier oder in der Straßenbahn, oft ist es nur die Einleitung zu rassistischen Äußerungen, die scheinbar mehr und mehr Platz finden. Im Workshop “Wie reagieren auf rassistische Sprüche?!” wollen wir über die Möglichkeiten und Grenzen des Eingreifens sprechen, die eigene Haltung bewusst machen und wirksame Gegenstrategien diskutieren.
www.vemo-halle.de
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Weitere Hintergrundinformationen zum Thema Alltagsrassismus zeigt auch in Ausschnitten der Film:  Geflüchtete. Neuer Alltag

Menschen mit Fluchtgeschichte „vor Ort“: Migrantenorganisationen haben Stabilitätspotenzial

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Überlegungen zur Schwerpunkt der Arbeiten im 3. Jahr von samo.fa[1]

Vorgestellt auf dem Bundesnetzwerktreffen am 5./6.Februar 2017 in Leipzig

 

Der „lange Sommer des Willkommens“ liegt nun schon weit zurück. Und dies in mehrerer Hinsicht. Die Geflüchteten selbst, die geblieben sind, sind nun schon zwei Jahre und mehr in Deutschland. Sie müssen ihren neuen Alltag bewältigen. Was diesen Alltag ausmacht und prägt: hierbei gibt es Gemeinsamkeiten, aber auch wichtige Unterschiede. Die Unterschiede hängen davon ab, wie weit der Entscheidungsprozess über den Status gediehen ist und welcher Aufenthaltsstatus schließlich zuerkannt wird, von der lokalen Wohnsituation, den Verhältnissen auf den lokalen bzw. regionalen Arbeitsmärkten, aber auch von der lokalen Flüchtlingsarbeit und der kommunalen Politik, der wiederum in verschiedener Weise von übergreifender staatlicher Politik Rahmenbedingungen gesetzt werden.

Der Weg zur Normalisierung der Lebenslage ist lang

Für diejenigen, die eine Anerkennung erhalten[2], geht es um Integration in der Weise, dass eine selbständige Lebensführung erreicht wird – in der Regel auf der Basis von Erwerbstätigkeit – und dass – wenn dies gewünscht wird – die Kernfamilien unter akzeptablen Wohnverhältnissen zusammenleben können und es für die Kinder und Jugendlichen einen gleichberechtigen Zugang zu Bildung gibt.

Die vorliegenden ersten Studien, z.B. zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten, und viele andere empirische Fakten zeigen nun: der Weg zur Normalisierung des Lebens ist für Geflüchtete – Ausnahmen bestätigen immer die Regel – kompliziert und langwierig. Expert*innen gehen davon aus, dass hierfür mehrere Jahre (man spricht von 5 bis 7 Jahren) erforderlich sind.

Und tatsächlich stehen der Integration Hindernisse im Weg, die sie erheblich verzögern. Diese beginnen bei der überaus langen Bearbeitungszeit im Anerkennungsverfahren, was zunächst für die Betroffenen andauernde Unsicherheit und eine faktische Einschränkung ihres Aktionsradius bedeuten (oder: bedeutet haben, also eine erste grundlegende Erfahrung bildet). Diejenigen aus dem Jahr 2015, deren Aufenthaltsstatus es zulässt, münden nun in (?) den Regelungsbereich des SGB II ein, stehen aber dem Arbeitsmarkt zunächst zu einem erheblichen Teil noch nicht zur Verfügung, weil sie Deutsch- und Integrationskurse besuchen. Es ist zu erwarten, dass ihnen danach vor allem Beschäftigungen offenstehen und die sie auch bereit sein werden anzunehmen, die vielfach prekäre Merkmale haben. Damit setzt sich die Instabilität ihrer Lebenslage fort.

Vor allen in den Ballungsgebieten ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt äußerst angespannt, so dass sich teilweise die Aufenthaltsdauer in Gemeinschaftsunterkünften verlängert oder dass in (preiswertere) Wohnungen eingemündet wird, die sich oftmals in sozial belasteten Quartieren befinden. Der Hoffnung, dass die Kinder und Jugendlichen hier eine bessere Zukunft haben, stehen vielfältige Engpässe beim Zugang zu Bildung, Ausbildung und Studium entgegen. Schließlich ist der Familiennachzug erschwert; von Normalisierung des Lebens kann also bislang keine Rede sein.

Verzögerungen und Gefährdungen

In mancher Literatur wird suggeriert, als sei ein Zeitraum von 7 bis 10 Jahren für eine Integration von Eingewanderten „normal“; manchmal liest sich das wie eine Art menschliches Naturgesetz. Nun mögen solche Zeiträume erforderlich sein, um die eigene Lebenssituation zu optimieren und auch, um mental in der neuen Heimat ganz anzukommen. Was aber die materiellen Voraussetzungen für Normalisierung betrifft – von denen oben die Rede war –, so handelt es sich um Verzögerungen, die aus Mängeln der Ankunftsgesellschaft, aus überforderten Bürokratien und aus gesetzlichen Restriktionen resultieren.

Verzögerungen und Gefährdungen in diesem komplizierten und komplexen Integrationsprozess treten auch dann ein, wenn die erforderlichen Unterstützungssysteme, wie Beratung, barrierefreie Zugänge zu Ämtern, Sprachmittlung, Willkommenskultur und viele mehr, lokal unzulänglich entwickelt sind oder brüchig werden, weil z.B. die Kommunen keinen akuten Handlungsbedarf mehr sehen. Es gibt vermehrt Hinweise darauf, dass in kommunaler Politik die Flüchtlingsfrage auf der Agenda „nach unten“ rutscht. Gerade bei dem für samo.fa charakteristischen Ansatz bei lokalen Handlungsstrategien wäre dies sehr beunruhigend und muss beobachtet werden.

Als ein „Indikator“ für eine Art „schleichenden Ausstieg“ aus der Flüchtlingsarbeit von Kommunen wäre auch zu werten, wenn die Migrantenorganisationen, die bisher in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, als Partner am Rande verbleiben oder sogar in ihrer Rolle beschränkt werden, anstatt statt stärker als bisher wertgeschätzt zu werden.

Viele der vorliegenden neueren Studien, Gutachten und Memoranden – jedenfalls solche, die für eine wirksame und würdevolle Integration von Geflüchteten stehen – sehen nun angesichts des langen und komplizierten Wegs der Integration das Erfordernis einer nahen und gut zugänglichen kontinuierlichen Begleitung und Unterstützung.

Ein tragendes Argument für den samo.fa – Ansatz der gleichzeitigen Stärkung von Aktiven in der Flüchtlingsarbeit und von Migrantenorganisationen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren war: gerade bei der Bewältigung des Alltags sind die Migrantenorganisationen und jene Aktiven, die sie als „background“ haben, unverzichtbar. Nun werden die Erfahrungen, die die Menschen mit Migrationsgeschichte selbst oder vermittelt mit Ankommen, Sich-Einrichten und Heimischwerden gemacht haben, besonders wichtig. Sie produktiv weiterzugeben, setzt allerdings einen reflektierten Umgang mit ihnen voraus.

Besonderer Beitrag der Migrantenorganisationen

Hierfür sind die Migrantenorganisationen, wo kollektiv Migrationserfahrungen „aufbewahrt“ sind, wichtig, so wie sie als Ort, der den Aktiven Bezug und Stärke gibt und der sich für die Geflüchteten selbst öffnet, sehr wertvoll und in diesen drei „Funktionen“ im Grunde unverzichtbar sind. Und dies gilt umso mehr dann, wenn aus dem Kontext der Migrantenorganisationen auch Expertise für die Bewältigung des Alltags in den verschiedenen wichtigen Handlungsfeldern des neuen Alltags zu gewinnen ist. Im zweiten Jahr von samo.fa ging es dabei um die Bereiche Bildung / Ausbildung, Arbeitsmarkt, Wohnen und Gesundheit.

Stets ist bei der Unterstützung von Geflüchteten in ihrem neuen Alltag wichtig zu klären, welchen Beitrag die Aktiven mit Migrationsgeschichte und die Migrantenorganisationen dabei leisten (können). Sie sind keine Lückenbüßer für ausbleibende oder ungenügende Leistungen, die die hierfür vorhandenen zuständigen und verantwortlichen „Systeme“ erbringen müssten. Dort, wo Menschen mit Migrationsgeschichte als Professionelle[3] tätig sind (was aus verschiedenen Gründen sehr wünschenswert ist), müssen sie auch entsprechend anerkannt und vergütet werden.

Was bringen jene ein, die nicht im strikten Sinne von Ausbildung und fachlichem Profil Professionelle sind? Deren Expertise[4] dient der Orientierung, der Unterstützung dabei, zu seinem/ihrem Recht zu kommen, der sensiblen Wahrnehmung von Notlagen und Krisen, der Ermutigung, dem Angebot von Vertrauen, Verlässlichkeit, der Stärkung von Durchhaltevermögen und dem Erleben gemeinsamer Lebensfreude. Die Aktiven und die Migrantenorganisationen können in diesem Sinne nur wirksam werden, wenn sie Teil eines lokalen Unterstützungsnetzwerks sind, also in einem Kontext von Arbeitsteilung und Kooperation. Diese Erkenntnis war ebenfalls für das 2. Jahr von samo.fa leitend; die lokalen Dialogkonferenzen haben vielfach in bemerkenswerter Weise Kooperationsfortschritte demonstriert.

Stabile Begleitung langfristig erforderlich

Diese Art der Begleitung und Unterstützung, die nahe bei denen angesiedelt ist, die von Geflüchteten zu neuen Mitbürger*innen geworden sind, ohne sie zu bevormunden, wird also noch für einen erheblich langen Zeitraum benötigt, der weit den bisherigen zeitlichen Förderhorizont von samo.fa überschreitet. Außerdem: auch in den Folgejahren nach 2015/2016 hat es weiterhin Zuwanderung geben, und diese wird sich auch fortsetzen. Es ist also angeraten, basale lokale Unterstützungsstrukturen auf Dauer zu stellen, die auch (Stichwort: Arbeitsteilung und Kooperation) im bürgerschaftlichen Engagement verankert sind. Spontane Initiativen der Hilfe und Unterstützung fehlt die erforderliche Stabilität, und zwar sowohl im personellen wie auch im institutionellen Sinne. Migrantenorganisationen sind demgegenüber schon ihrem Sinne nach stärker auf Dauerhaftigkeit angelegt; manche von ihnen bestehen schon viele Jahre oder sogar Jahrzehnte, mit allen „Auf und Ab‘s“, dem bürgerschaftliche Organisationen unterliegen.

Migrantenorganisationen haben also ein erhebliches Stabilitätspotenzial: sie werden also für die weitere Unterstützung von Geflüchteten und neuen Mitbürger*innen mit Fluchtgeschichte nicht nur gebraucht und haben darin nicht nur Erfahrungen gesammelt und Expertise aufgebaut, sie haben auch das Potenzial, mit langem Atem in diesem Feld tätig und wirksam zu sein. Es gibt in der Regel Aktive, die sich kontinuierlich um den Fortbestand sorgen, es gibt Kerngruppen, denen die Organisation ein Teil ihres Lebens ist, es sind in der Regel rechtliche Formen, wie ein Verein, gefunden worden, die eine gewisse Stabilität mit sich bringen, und es gibt Räumlichkeiten für Treffen und Vereinsaktivitäten, wenngleich dies oftmals auch ein „Engpass“ ist. Ihr Engagement im Feld der Flüchtlingsarbeit bleibt dennoch fragil, weil dieses Engagement einen Aktivitätsgrad und eine aktive Öffnung „nach außen“ erforderlich macht, das auf längere Dauer aufrecht zu erhalten eine große Herausforderung darstellt.

Die Förderentscheidung für samo.fa, über die Stellen der lokalen Koordinator*innen ein professionelles „Rückgrat“ zu sichern und die Bereitstellung „lokaler Fonds“ zu ermöglichen, war deshalb weitsichtig; an diesem Modell eines „professionellen Rückgrats“ plus „lokaler Fonds“ bzw. einer Variation dessen müsste sich auch eine weitere Förderung orientieren, wenn Wert darauf gelegt wird, Migrantenorganisationen in der lokalen Unterstützung von Menschen mit Fluchtgeschichte präsent und aktiv zu halten (und damit auch Vorkehr zu treffen, dass die Erfahrungen und die aufgebaute Expertise nicht verloren gehen).

Verbünde neuer und schon länger bestehender Migrantenorganisationen

Zu beobachten ist, dass sich Menschen mit Fluchtgeschichte selbst daran machen, Vereine zu gründen, um sich zu unterstützen und um in der lokalen Öffentlichkeit und gegenüber der lokalen Politik eine eigene „Stimme“ zu erhalten. Diese Neugründungen von Migrantenorganisationen sind für die lokale Flüchtlingsarbeit von Bedeutung, weil sie in authentischer Weise die Lebensbedingungen und Bedürfnisse von Menschen mit Fluchtgeschichte, die erst vor kurzem angekommen sind, spiegeln. Dies macht aber auch zugleich ihre Verletzlichkeit aus: ihnen fehlt die gediegene Erfahrung im Umgang mit den hiesigen Realitäten, die aber bei den schon länger bestehenden Migrantenorganisationen gegeben ist.

Der von samo.fa vor allem im zurückliegenden zweiten Jahr stark gemachte Vorschlag, vor Ort Arbeitsgemeinschaften oder Verbünde jener Migrantenorganisationen, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, zu gründen, ergibt deshalb vor allen Dingen auch unter dem Aspekt von Stabilität Sinn und hierfür auch die neu gegründeten Vereine einzuladen. Solche Verbünde ermöglichen wechselseitige Unterstützung und die Entwicklung von „interner“ Arbeitsteilung und Kooperation, die zum einen entlastend wirken kann, und zum anderen auch ermöglicht, gegenüber den lokalen Partnern in der Flüchtlingsarbeit und gegenüber der lokalen Politik und Verwaltung mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen.

Die Formulierung „Migrantenorganisationen, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind“ ist bewusst gewählt. Denn nicht alle Migrantenorganisationen sind dort aktiv, wobei ihre Nichtbeteiligung verschiedene Gründe und Motive hat[5]. Und es gibt auch Migrantenorganisationen, die sich in der einen oder anderen Weise erheblich in der Flüchtlingsarbeit engagiert haben, und nun vielleicht ermüdet sind oder (wieder) stärker zu Aktivitäten zurückkehren wollen, die zu ihrem Profil und Selbstverständnis gehören. Lokale Verbünde für die Arbeit mit Menschen mit Fluchtgeschichte könnte auch für diese Migrantenorganisationen eine „Ort“ sein, an dem sie sich in moderater Form weiter beteiligen würden.

samo.fa im dritten Jahr

Migrantenorganisationen vor Ort – auch und gerade, wenn sie sich zu Verbünden zusammen schließen – als ein stabiler und stabilisierender Faktor in der Flüchtlingsarbeit zu halten, ist auch angesichts des gesellschaftlichen Klimas, was Asyl betrifft, von großer Bedeutung: zunehmende Restriktionen in der Flüchtlingspolitik spielen mit der Zunahme ausländerfeindlicher, rassistischer, antiziganistischer und antisemitischer öffentlicher Auftritte zusammen zu einem Klima, das mit einer „Willkommenskultur“ immer weniger Ähnlichkeit hat, wenngleich de facto große Mehrheiten eine offenere Haltung haben ( die Strahlkraft des „langen Sommers des Willkommens“ also noch nicht ganz verblasst ist).

Das dritte Jahr von samo.fa sieht drei zentrale Aufgaben vor: Konsolidierung, Nachhaltigkeit und Transfer. Vor dem Hintergrund der hier vorgestellten Überlegungen geht es darum, diese drei Aufgabenfelder dadurch zu verknüpfen, dass die Voraussetzungen, Bedingungen und praktischen Vorkehrungen für eine dauerhafte Stabilität des Engagements von Migrantenorganisationen in der lokalen Flüchtlingsarbeit ins Zentrum gerückt wird.

(W. Kruse 10.1.2018)

 

[1] Zusammenfassung und Weiterführung einer Diskussion auf dem 1. Treffen des Leitungsteams von samo.fa am 8. Januar 2018 in Dortmund.

[2] Für diejenigen, denen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verweigert wird und die unter Abschiebungsdrohung stehen, muss sichergestellt sein, dass sie die Zeit ihres Aufenthalts in Deutschland in Würde verbringen und ihn auch für sich im Sinne der Erweiterung ihrer schulischen und beruflichen Kompetenzen etc. nutzen können. Auch hierfür müssen Lösungen gefunden werden, die auf der lokalen Ebene – dort, wo diese Menschen sind – konkretisiert werden müssen.

[3] Viele Migrantenorganisationen, die im Kontext von samo.fa aktiv sind, bieten auch – meist über diverse Projekte – professionelle Dienstleistungen an. Dies ist ein weiteres Feld, auf dem Migrantenorganisationen aktiv sind. Dadurch entstehen zu dem, was bei samo.fa im Vordergrund steht, nämlich bürgerschaftliches Engagement, vielfache Schnittstellen, aber auch Grauzonen.

[4] Auch hierfür ist nötig, was oftmals „Professionalisierung“ genannt wird, aber nicht mit fachlich-beruflicher Professionalität verwechselt werden darf. Es geht eher um eine Verbesserung der Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit, um Orientierungs- und Anschlusswissen usw., usw. Zu diesem Zweck gab und gibt es im samo.fa-Kontext und darüber hinaus vielfältige Weiterbildungs- und Trainingsangebote.

[5] Allerdings ist es in vielen Orten, an denen samo.fa aktiv ist, gelungen, die Anzahl der Migrantenorganisationen, die sich in der einen oder anderen Weise an der Flüchtlingsarbeit beteiligen, deutlich zu erhöhen.

 

Radio-MH e.V. gründet ersten Verband für Kultur und Integration in Mönchengladbach

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In Mönchengladbach ist dem lokalen samo.fa Partner Radio-MH e.V. etwas gelungen, was es so noch nie in der Stadt gab: Am 24. Januar gründete der Verein zusammen mit 10 weiteren Migrantenorganisationen und Vertretern des Integrationsrats und der Stadt Mönchengladbach einen Verband für Kultur und Integration (VKI MG e.V.).

„Wir wollen so gemeinsam in der Kommune arbeiten”, erklärt der lokale samo.fa Koordinator Alpha Ibrahima Balde, „um Migrantenorganisationen zu stärken und Parallelstrukturen abzubauen.” Die  Entscheidung zur Verbandsgründung stamme unter anderem aus einem Integrationskonzept von 2012, ist jetzt aber endlich umgesetzt worden. “Die Gründung ist ein Riesenerfolg für uns, der ohne das Projekt samo.fa nicht möglich gewesen wäre”, so Balde.

Die Mitgliedsvereine sind sehr aktiv in der Arbeit mit Geflüchteten. Über die Schnittstelle samo.fa lag eine Kooperation mit dem Partner Radio-MH e.V. nahe. Jetzt können die Migrantenorganisationen sich in Mönchengladbach auch über samo.fa hinaus vernetzen und zusammen in der Kommune arbeiten, ganz im Sinne des thematischen Schwerpunkts für samo.fa 2018, der Nachhaltigkeit.

Zum 1. Vorsitzenden des neu gegründeten Verbandes ist Alpha Ibrahima Balde (samo.fa Koordinator Mönchengladbach) gewählt worden, die 2. Stellvertretende Vorsitzende ist Marghuba Saleh , Schatzmeisterin Natalia Bigler und Schriftführer Sedik Salimi. Geschäftsführer ist Wolfgan Riehn.

Am 25. Januar wurde zudem ein Kooperationsvertrag zwischen Irfan e.V. und RMH e.V. beschlossen. Das Ziel ist noch mehr Migrantenorganisationen für die Flüchtlingsarbeit zu gewinnen und zur Zusammenarbeit zu motivieren.

Bei der Gründungsveranstaltung des Verbands für Kultur und Integration Mönchengladbach (VKI MG e.V.) waren auch die Integrationsbeauftragte Marion Blinten (links) und der Vorsitzende des Integrationsrates Yilmaz Karaca (rechts) zugegen.

Der Oberbürgermeister von Mönchengladbach Hans Wilhelm Reiners gratuliert samo.fa Koordinator Alpha Balde, Martina Gehler, Koordinatorin von Irfan e.V., und Ali Kalayci, dem Vorsitzenden von Irfan e.V. zur Zusammenarbeit. Die beiden Vereine arbeiteten gemeinsam einen Kooperationsvertrag aus.

Fördermittel in der Flüchtlingshilfe kommen bei vielen Initiativen nicht an

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Wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung feststellte, erhalten kleine Flüchtlings-Initiativen oft keine öffentlichen Fördergelder, weil die bürokratischen Hürden zu hoch sind. Samo.fa Projektleiter Ismail Köylüoglu erklärt im Gespräch mit der Nachrichtenagentur epd die Problematik der Förderbedingungen.

Netzwerk fordert flexiblere Förderung von Flüchtlingsprojekten
epd-Gespräch: Holger Spierig
Dortmund/Gütersloh (epd). Experten der Flüchtlingsarbeit mahnen eine unbürokratischere und ortsnähere Förderung von Flüchtlingsprojekten an. Zentral vergebenen Fördermittel seien oft an Bedingungen geknüpft, die zwar im Grundsatz richtig seien, aber nicht immer mit der Wirklichkeit der verschiedenen örtlichen Gegebenheiten übereinstimmten, sagte Ismail Köylüoglo vom Bundesverband Netzwerk von Migrantenorganisationen (Nemo) in Dortmund dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Zentral in Berlin festzulegen, was kleinere Initiativen vor Ort für die Flüchtlingsarbeit benötigen, funktioniert oftmals nicht“, kritisierte Köylüoglo. Besonders für strukturschwache Initiativen seien die Hürden für öffentlichen Förderungen oft zu hoch, monierte Köylüoglo. Zwischen dem berechtigten Anliegen, Projektvorhaben und Maßnahmen nachzuweisen, und einer flexibleren, unbürokratischen, bedarfs- und anlassbezogenen Hilfe müsse immer wieder abgewogen werden. Für mehr Flexibilität sollten Förderungen unbürokratischer gewährt werden. Auch sollten bei der Planung von größeren Fördervorhaben Migrantenorganisationen bereits im Vorfeld stärker eingebunden werden, erklärte Köylüoglo, der auch ein Projektleiter bei dem Netzwerk Samo.fa (Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit) ist. Positive Modelle einer unbürokratischeren und bedarfsbezogenen Förderung sind nach Worten Köylüoglos das vom Bundesinnenministerium geförderte Projekt „House of Resources“ oder das von der Bundesintegrationsbeauftragten geförderte Projekt Samo.fa. Im „House of Resources“ würden in 14 Städten soziokulturelle Organisationen ausgewählt, die an ihrem Standort Ressourcen, Zugänge und geringere Fördergelder in eigener Verantwortung vergeben könnten. Über größere Fördersummen entscheide dann eine Jury mit Vertretern aus Kommunen, Behörden, freien Trägern und der Zivilgesellschaft. Die Unterstützung beschränke sich dabei nicht allein auf Fördergelder, erläuterte Köylüoglo. Durch eine zentrale Projektkoordinierung könnten Flüchtlingsinitiativen, die beispielsweise einen Versammlungsraum brauchen, kostenlose Räume für ihre Treffen zur Verfügung gestellt werden. Nach einer am Dienstag veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung erhält mehr als jede dritte Flüchtlingsinitiative keine öffentlichen Fördermittel. Viele kleinere Initiativen stellten erst gar keinen Förderantrag, weil die bürokratischen Hürden hoch und die Bedingungen nicht erfüllt werden könnten, hieß es. So dürften oft Projekte noch nicht begonnen haben, wenn sie Fördermittel erhalten wollten. Auch wiederkehrende Ausgaben würden selten gefördert.

(Quelle: epd-West Nr. 36, 20.02.2018, Seite 4, www.epd-west.de)

Die Ergebnisse der Studie und eine Einschätzung des Projektleiters aus dem Interview finden sich auch in folgenden Medien:

Evangelische Zeitung, WAZ, Goettinger Tageblatt, Op-Marburg, Migazin,

Eine der 100 besten Ideen für Engagement: Samofa-Fußballturnier im Heft des Handels vom Projekt Demokratie leben

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Interkulturelles Kicken als Anstoß für mehr gelebte Demokratie: Die zusammen mit dem Stuttgarter samofa-Projekt im Forum der Kulturen Stuttgart, mehreren Migrantenselbstorganisationen  und dem Verein SportKultur organisierte Veranstaltung am 1. Juli 2017 hat es in das Heft des Handelns  des Bundesprogrammes Demokratie leben geschafft – als Beispiel für besonders gelungenes Engagement für gelebte Demokratie vor Ort. Bei der Kampagne „Wer, wenn nicht wir – Demokratie leben“ des vom Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend getragenen Programmes wurden mehr als 1.200 kleine und große Ideen zusammengetragen, 100 davon hat das Ministerium in einer Broschüre zusammengestellt.

Zehn Mannschaften kickten in Stuttgart beim interkulturellen Fußballturnier. Das Besondere: Sportvereine öffnen sich hiermit interkulturell, kooperieren mit Migrantenvereine, die im Rahmen ihrer Vereinsarbeit für und mit Geflüchteten arbeiten: „Dies ist der Ort für große Spiele“ stand auf den von „Demokratie Leben“ geförderten Bannern für das Stuttgarter Fußballereignis – bei dem es um noch mehr ging als das Spiel.

Eine Kette von Herausforderungen – Statements der lokalen Dialogkonferenzen

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Bei allen lokalen samo.fa Dialogkonferenzen wurden Sprechblasen ausgelegt, damit Geflüchtete, Ehrenamtlich Aktive und andere Interessierte die Herausforderungen und Probleme der Flüchtlingsarbeit und ihre persönlichen Erfahrungen beim Ankommen in Deutschland aufschreiben konnten, sodass der Dialog nicht nur angestoßen, sondern auch festgehalten wird.

Die Ergebnisse der vielen Beiträge werden bei der bundesweiten Dialogkonferenz in Berlin am 17. November zusammengetragen.

Für den Filmdreh über das samo.fa Projekt haben wir einmal einen Bruchteil der gesammelten Ergebnisse im Dortmunder Westpark aufgehängt, um zu verdeutlichen, wie wichtig die Arbeit in diesem Bereich ist und wie lang die Kette der Herausforderungen noch reicht.

Bestandsaufnahme zur Migrations- und Flüchtlingsarbeit bei der lokalen Dialogkonferenz in München

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Bei der Münchner Dialogkonferenz ging es wie bei allen lokalen Konferenzen darum, zu zeigen, wie wichtig Migrantenorganisationen (MOs) in der Arbeit mit Geflüchteten sind. Bei der einen Gesprächsrunde lag der Fokus auf den Rahmenbedingungen der kommunalen Politik und der sich daraus ergebenden Konsequenzen und Perspektiven für das ehrenamtliche Engagement der Migrantenorganisationen. In der zweiten Gesprächsrunde standen Kooperationen zwischen Einrichtungen der Integrationsarbeit und Migrantenorganisationen im Zentrum. Zu Beginn bedankte sich SPD-Stadtrat Cumali Naz in seinem Grußwort für die Idee eine Dialogkonferenz, unterstrich den einmaligen Charakter und sprach über die Notwendigkeit einer solchen Veranstaltung.

Er und Franziska Szoldatits sprachen über den Gesamtplan Integration für Flüchtlinge (GIF) der LH München, der im Herbst noch dem Münchner Stadtrat vorgelegt wird. Hier zeigte Frau Szoldatits (LH München/Sozialreferat/Leitung des GIF) die Interesse für eine engerere Zusammenarbeit mit samo.fa bei der Zusammenstellung des GIF (M4/M7). Klaus Grothe-Bortlik von Selbsthilfezentrum (SHZ) sprach über das Potential von MO als Partner der kommunalen Integrationsarbeit. Er wies auf eine Studie hin, die das SHZ Anfang 2016 durchgeführt hat. Diese Studie zeigt das Potential und Engagement der MOs. Die Ergebnisse der Studie werden auch bei der Veranstaltung „Teilhabe als Menschenrecht” im Bayerischen Landtag am 9. Dezember 2017 erneut vorgestellt). Ahmad Abbas, Chorleiter des Syrischen Friedenschors, neuerdings Vorsitzender der Syrischen Sozial- und Kulturverein in München e.V. und Mahbuba Maqsoodi von den afghanischen Frauen in München e.V. sprachen über ihr Engagement als migrantische Vertreter*innen.

In den Gesprächen ging es auch um Abschiebung und die Probleme, mit denen Geflüchtete konfrontiert sind. Yosief Embaye von der Eritreischen Union stellte sein Angebot, ein Computer-Kurs auf Tigrinya für Geflüchtete vor. Er erklärte die besondere Erfahrung, dass durch es durch den Kurs gelungen sei, geflüchtete Jugendliche als Lehrkräfte für muttersprachlichen Unterricht in Tigrinya zu gewinnen. Auf diese Weise sind die Geflüchteten nicht nur „Hilfsempfänger“ sondern auch Lehrende. Von den Kindern lernen die Jugendlichen wiederum Deutsch. Nasima Ebrahimi von der afghanischen Initiative „Aryana Schule“ sprach über Empowerment von afghanischen Frauen, die in Afghanistan lebensgefährlich diskriminiert werden, sich aber hier in Deutschland in ihrer Schule z.B. beim Musikunterrichten, Singen und Tanzen frei entfalten können. Juliette Bethancourt von dem Verein Urucungo e.V. stellte das Capoeira-Angebot ihres Vereins vor. Durch Capoeira werden die Geflüchteten gestärkt, fühlen sich gesünder und entfalten mehr Lebensfreude und erhalten Kontakt zu den anderen Vereinsmitgliedern.

Die Ergebnisse der 30 lokalen Dialogkonferenzen werden am 17. November  bei der bundesweiten Dialogkonferenz in Berlin zusammengetragen.

 

 

Bundestagskandidaten in der Diskussion übers Ankommen: Dialogkonferenz in Halle (Saale)

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Beim Partner in Halle (Salle), dem Verband der Migrantenorganisationen Halle e.V. (VeMo), diskutierten die Teilnehmenden der lokalen Dialogkonferenz politische Themen:

Bei der Podiumsdiskussion nahmen die Bundestagskandidat*innen Dr. Petra Sitte von die Linke, Gritt Michelmann von Bündnis 90/Die Grünen, Christoph Bernstiel von der CDU und Dr. Karamba Diaby von der SPD teil.

Das Publikum, darunter auch Geflüchtete und Migrant*innen, hatte die Möglichkeit, direkt mit den Bundestagskandidaten in Kontakt zu treten und die wichtigen Fragen zur Flüchtlings- und Migrationspolitik anzusprechen.

Themen waren dabei der Mangel an Sprachkursen, Bleibeperspektive, Arbeitserlaubnis, Wohnsituation und die damit einhergehende Perspektivlosigkeit. Mögliche Lösungen wurden in Abbau von bürokratische Hindernissen und einer schnellen Klärung des Flüchtlingsstatus/Aufenthaltsgenehmigung gesehen.

De Ergebnisse der einzelnen Dialogkonferenzen werden außerdem im November in Berlin zusammenzutragen.

Mehr Informationen gibt es auch im Artikel von Halle Spektrum.

Bei den Dialogkonferenzen können die Teilnehmenden ihre Forderungen und Beobachtungen (auch über die Sprechblasen) teilen.

samo.fa Aktionstag in fast 20 Städten: „Gemeinsam hier! Teilhabe jetzt!”

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Am 13. Mai war es soweit: In fast 20 Städten veranstalteten die Partner des Projekts samo.fa zeitgleich einen Aktionstag mit ganz unterschiedlichen Programmen: Von einem interkulturellen Familienfest in Hoyerswerda über einen langen Tisch der Begegnung am Hansaring in Köln bis hin zu einem Open Air Festival im Magdalenengarten in Hildesheim waren die Veranstaltungen sehr unterschiedlich. Sie alle verband jedoch das Motto „Gemeinsam hier! Teilhabe jetzt!”. Es verweist auf die Schwerpunkte des samo.fa Projekts im Jahr 2017, Geflüchteten die Teilhabe zu Bereichen wie Bildung und Arbeit zu ermöglichen. Durch die vielen Aktionen am selben Tag wurden diese Vorhaben und das Projekt an die Öffentlichkeit getragen. Außerdem fand ein interkultureller Austausch statt, bei dem die Besucher*innen in den Dialog mit Ehrenämtlern, Migrantenorganisationen und Geflüchteten treten konnten und so neue Kulturen kennen lernten.

Weitere Details und Eindrücke zum Aktionstag gibt es auf der Facebook-Seite von samo.fa. Zudem folgen noch einzelne Berichte der verschiedenen Veranstaltungen in ganz Deutschland.

samo.fa Aktionstag am 13. Mai: „Gemeinsam hier! Teilhabe jetzt!“

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Was verbindet eine eritreische Kaffezeremonie in München, eine Luftballonwolke auf dem Hansaring in Köln und eine interkulturelle Märchenstunde in Halle? Das alles sind Programmpunkte beim samo.fa  Aktionstag am 13. Mai, der in fast 20 Städten stattfindet. Unter dem Motto „Gemeinsam hier! Teilhabe jetzt!“ werden die teilnehmenden Partner die  Schwerpunkte des samo.fa Projekts in die Öffentlichkeit bringen: Die Teilhabe von Geflüchteten zu Arbeit und Bildung etwa und die Stärkung des Zusammenlebens im Quartier.

Die Programme sind so vielfältig wie die Standorte: Ein Open Air Festival im Magdalenengarten in Hildesheim, eine lange Tafel in Kiel und eine interkulturelle Jamsession in München sind nur Beispiele für die zahlreichen Events an diesem Tag.  Der Aktionstag macht einerseits die gemeinsame Arbeit mit Geflüchteten sichtbar, weist andererseits auch auf die Herausforderungen in der Teilhabe von Geflüchteten hin. Durch die Aktionen fördert dieser Tag in zahlreichen Städten das Gespräch von Geflüchteten, Migrant*innen und ehrenamtlich Aktiven mit Interessierten, kommunalen Vertreter*innen und Anwohnern.

Dilek Boyu trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin

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Als Dilek Boyu vor einigen Monaten Post bekam, konnte sie es zuerst gar nicht fassen: Sie war eine von 200 ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer*innen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Kanzleramt einlud. Erst als ein paar Wochen später noch ein Anruf vom Kanzleramt folgte, wurde ihr die Größenordnung bewusst: Sie war eine von fünf Vertreter*innen, die live mit der Kanzlerin über die Flüchtlingsarbeit diskutierte.

Die nötige Erfahrung dafür bringt Dilek Boyu auf jeden Fall mit: Sie ist seit 2014 Vorsitzende des soziokulturellen Verbundes Brücke der Kulturen Hildesheim e.V. – ein Verbund, der sich schon lange für die Teilhabe der verschiedenen Ethnien einsetzt. Zudem ist Dilek Boyu Vorstandsmitglied des Bundesverbands Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. Dass sie sich bestens in der Arbeit mit Geflüchteten auskennt, änderte aber nichts an der Nervosität, die sich vor dem Termin einschlich.

Kurz vor dem großen Tag dann aber die Absage. Das Treffen wolle  die Kanzlerin aber auf jeden Fall im April nachholen. Der Termin im Kanzleramt mit Angela Merkel fand dann schließlich am 7. April statt, das ZDF berichtete im heute-Magazin.

In ihrer Eingangsrede bedankte sich die Bundeskanzlerin bei den vielen Flüchtlingshelfern. „Das Glas ist für mich eher halb voll“, fasste sie die aktuelle Situation zusammen, „trotzdem gibt es im Einzelnen noch so viel zu tun.“ Die Diskussion machte die konkreten Probleme in der ehrenamtlichen Arbeit deutlich. Mit Nachdruck sprachen die Vertreter*innen den notwendigen Bedarf an Schulungen für Ehrenämter an. Dilek Boyu betonte gezielt das Projekt samo.fa, das von der Bundesregierung bereits gefördert wird und sprach sich für eine Weiterführung der Förderung aus. Die Schwierigkeiten vieler Migrantenorganisationen, sich fest in kommunalen Strukturen zu verankern, war ebenso eines der zentralen Themen.

Auch wenn Angela Merkel auf viele der angesprochenen Punkte reagierte, blieb längst nicht genug Zeit, alle Themen anzusprechen. „Ich hätte gern noch die kommunale Andockung der bundesweiten Projekte wie das samo.fa Projekt erwähnt“, erklärt Dilek Boyu im Nachhinein, „und auch, dass Kommunen die Migrantenorganisationen intensiver unterstützen sollten.“ Dennoch hat sie ihre Punkte beim Treffen deutlich herausgestellt. Von Nervosität war dabei überhaupt nichts mehr zu spüren.

„Angela Merkel ist eine angenehme Person und sehr freundlich mit allen Menschen umgegangen“, beschreibt Dilek Boyu das Treffen, „sie ist außerdem daran interessiert, Lösungen zu finden, um ihrem Motto ‚wir schaffen das‘ gerecht zu werden.“ Auch wenn die Nervosität im Vorfeld groß war und sie nicht gern im Rampenlicht steht, ist Dilek Boyu zufrieden und hofft, dass die Veranstaltung etwas bewirkt. Nicht nur für die Wahlkampagne, sondern auch für die vielen ehrenamtlich Aktiven in der Flüchtlingsarbeit in Deutschland.

Fotos: dpa

Vielfalt sichtbar machen: Ausstellung „Neue Wurzeln“ in Hannover

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Die Ausstellung „Neue Wurzeln“ beschäftigt sich mit Flucht und Ankommen

Denkt man hierzulande an Geflüchtete, fallen den meisten wahrscheinlich zuerst die vielen tausend Menschen ein, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind. Hinter jedem von ihnen stehen eine eigene Geschichte und persönliche Gründe, die alte Heimat aufzugeben und sich eine neue zu suchen.

Die Ausstellung „Neue Wurzeln“ in Hannover will genau diese Vielfalt sichtbar machen. 29 Menschen hat das MigrantInnenSelbstOrganisationen-Netzwerk Hannover e.V. (MiSO) gemeinsam mit dem Fotografen Micha Neugebauer und der Journalistin Katharina Sieckmann für ein Interview getroffen. Daraus entstanden sind Fotos und Texte der unterschiedlichsten Menschen. Was sie alle vereint, ist ihre neue Heimat Hannover.

Viele von ihnen litten in ihrem Herkunftsland unter Krieg, Gewalt und Unterdrückung. Andere wurden unterdrückt oder diskriminiert. Sei es Syrien, Vietnam, der Irak oder die Ukraine: Von dort aus haben sie viele tausend Kilometer überwunden. Die Ausstellung gibt den Hintergründen der Flucht ein Gesicht verbunden mit einer immer sehr persönlichen und berührenden Geschichte.

„Es sind 29 Lebensläufe, die uns in Zeiten von politischem Rechtsruck, von Ignoranz und Aggressivität im Alltag gegenüber den sogenannten Fremden aufhorchen lassen“, erklären Katharina Sieckmann und Micha Neugebauer den aktuellen Bezug der Ausstellung, „sie sollen eine Einladung an alle sein, ihre Komfortzone zu verlassen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und für sich zu relativieren, auf welch hohem Niveau in unserer Gesellschaft oft geklagt wird.“

Im Kulturzentrum Pavillon ist die Ausstellung bis zum 25.4.2017 während der Öffnungszeiten im Foyer zu sehen. Weitere Stationen sind das Freizeitheim Vahrenwald, die Kunsthalle FAUST und das Neue Rathaus, immer beginnend am Vierten des Monats von Mai bis Juli.

Die Wanderausstellung ist ein Projekt des lokalen samo.fa Partners MiSO, dem MigrantInnenSelbstOrganisationen-Netzwerk Hannover e.V.

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